Flussfestival:Ohne Worte

Ganes werden in Wolfratshausen euphorisch gefeiert. Verstehen kann man die drei Frauen aus Südtirol allerdings nur musikalisch - sie singen fremd, aber betörend auf Ladinisch.

Von Barbara Szymanski

1. Flussfestival Wolfratshausen 2013

Ein Wort für eitle Männer? Da sind Ladinisch und Deutsch nah beieinander: Paóm, singen die Frauen aus La Val, und das heißt Pfau.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Die drei aparten jungen Frauen der Gruppe Ganes kommen aus dem Sehnsuchtsland vieler Deutscher: Italien! Und sie tun das, was wir als Bestätigung unserer Zuneigung brauchen. Bei sich selbst sein mit Selbstbewusstsein als Frauen. Mit den Händen fast jedes Wort unterstreichen. Tanzen aus der Mitte heraus, vielsagendes Lächeln. Kesse Seitenblicke, ob das alles auch beachtet wird. Und singen, singen, glockenhell und brummeltief, rau und rauchig, süß, zart und lasziv, seufzend und hauchend.

1. Flussfestival Wolfratshausen 2013

Das Publikum konnte von Ganes kaum genug bekommen.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Je nach Text wird das alles beim Auftritt am Samstagabend auf dem Wolfratshauser Flussfestival im fliegenden Wechsel eingesetzt und dabei jeder Vokal und jeder Konsonant ausgekostet. Nur zu verstehen ist nichts. Ganes singen meist Ladinisch, und das hört sich an wie eine Mischung aus Französisch, Italienisch und vielleicht Kroatisch - fremd, aber betörend. Die Choreografie von Händen und Körpern, das Instrument Stimme, die Geigen, die Percussion: Vor allem das zahlreich vertretene weibliche Publikum in der vollbesetzten Flussfestival-Arena strafft sich am Samstagabend und atmet tief durch.

Ganes heißt frei übersetzt Wasserwesen und stammt aus der ladinischen Mythologie. Fast wird vergessen, dass hinter diesen starken Frauen starke Männer stehen, die im Hintergrund der Flussbühne vorzüglich Instrumente wie Keyboard und E-Gitarren beherrschen. Sie verrocken oder verjazzen die Gesangspreziosen der Ganes, dass einem Hören und Sehen vergeht.

Paóm ist das ladinische Wort für Pfau und wird für eitle Männer verwendet. P-a-o-m singen die Schwestern Marlene und Elisabeth Schuen frei und durch anfängliche Übersteuerung ein wenig zu laut hinaus. Die kleine, zarte und quicklebendige Maria Moling bedient ein reichhaltiges Percussion-Equipment und hat dennoch Zeit, in den Gesang einzusteigen.

Der erste Schauer läuft Zuhörerinnen bei diesem Song über den Rücken, und Kenner warten auf "Lalala", was schon jetzt ein Hit von Ganes ist, die sich 2010 zu dieser großartigen Formation zusammengetan haben. Dieses Lalala ist beileibe kein Wiegenlied, sondern wieder ein bittersüßer Kraftsong. Und jetzt noch der Gassenhauer "Parole, Parole", den schon einige italienische Sängerinnen hinausposaunten. Ganes kann es besser, macht eine Geschichte, eine Show daraus. Frau brüllt mit, so gut sie eben kann. Das nächste Energielied ist der Redemption-Song von Bob Marley. Doch er wird ganz anders ausgemalt von Ganes. Wie ein expressives Bild und ganz ohne das Wiegen des Reggae. Unglaublich.

Vor allem Frauen haben nun alles um sich herum vergessen. Die Mücken, die schnatternden Enten, die Abendkühle, die Getränke, die Kartoffelspiralen. Ganes, mehr. Und die sechs Musiker und Sängerinnen geben dem magnetisierten Publikum, was es jetzt braucht. Musik und verführerischen Dreigesang, mal sanft, mal überschäumend vor Lebensfreude.

Die hatte sich an diesem Abend bereits bei der Vorgruppe eingestellt. Drei junge Musiker, die sich Gurdan Thomas nennen, haben dieses Kunststück fertiggebracht mit ihrem kuriosen Brit-Folk und ihrer Lust am Spielen. Beide Ensembles wollen wir bald wieder hören. Oder wir fahren gleich nach Südtirol, um ein wenig Ladinisch zu lernen.

Nächster Termin auf dem Flussfestival: Mittwoch, 17. Juli, 20 Uhr, Piet Klocke: "Das Leben ist schön - gefälligst!" www.tourismus.wolfratshausen.de/flussfestival-eine-stadt-in-bewegung

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