Süddeutsche Zeitung

Flug fällt aus:Tölzer Schulklasse strandet fast 48 Stunden in London

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Die Berufsoberschüler können nicht von der Exkursion zurück, weil ihr Pilot zu lange im Einsatz war. Nach zwei Tagen sind endlich genügend Plätze in einer Maschine frei.

Von Lea Utz, Bad Tölz

Eigentlich sah alles danach aus, als würde die Klassenfahrt nach London wie geplant zu Ende gehen. "Wir waren am Boarding-Schalter vorbei und standen quasi schon vor dem Flieger", erzählt Lehrerin Martina Schulz. Der Flug, der am Sonntagabend um 20.45 Uhr München erreichen sollte, war zu diesem Zeitpunkt bereits eineinhalb Stunden verspätet. Ein kleines Ärgernis im Vergleich zu dem, was nun folgte: "Es kam eine schwer verständliche Durchsage, dass der Flug ausfällt - weil der Pilot zu viele Stunden auf seiner Fluguhr hatte."

Schüler und Lehrer waren zunächst schockiert: Am selben Abend startete kein anderer Flieger mehr, in dem Platz für die 14 Jugendlichen und die drei Lehrkräfte der Beruflichen Oberschule Bad Tölz gewesen wäre. Und auch nicht am Montag. Die Gestrandeten landeten schließlich erst am Dienstagnachmittag in München - fast 48 Stunden zu spät. Auf eine andere Fluggesellschaft konnte die Gruppe nicht ausweichen, denn nach derzeitigem Informationsstand wäre ihr Anspruch auf Schadensersatz verpufft.

Vier Tage lang hatten die 18- bis 21-Jährigen die britische Metropole erkundet - auf den Spuren von Sherlock Holmes, dem Thema des Seminars, das sie bei Martina Schulz belegt haben. Die Schüler besuchten zum Beispiel die Schauplätze der Serie und sprachen mit Experten über den Meisterdetektiv.

Dass ihnen am Ende eine unfreiwillige Verlängerung bevorstehen würde, ahnte Schulz noch nicht, als sie sich am Sonntagabend am Flughafen zunächst an den Schalter der Billigfluggesellschaft Easyjet wandte. Dort verwies man sie auf eine App, über die sich alles Weitere regeln lasse. "Man hat uns aber nicht erklärt, wie das funktioniert." Selbst die Smartphone-versierten Schüler wurden daraus nicht schlau. "Später haben wir dann erfahren, dass es auch eine Hotline und Info-Material gegeben hätte, aber das hat uns dort niemand gesagt", sagt Schulz.

Die Übernachtung im Hotel in der Nähe des Flughafens organisierte schließlich der Reiseanbieter, über den die Lehrer den Trip gebucht hatten. Die Kosten für die erste Nacht hat Easyjet bereits erstattet - die zweite Nacht musste Schulz aus eigener Kasse vorstrecken, etliche Hundert Euro. "Wir wurden von der Fluggesellschaft im Regen stehen gelassen", konstatiert die Lehrerin enttäuscht. "Wir wissen nicht, ob das so üblich ist." Um die ausstehenden Schadensersatzzahlungen soll sich nun eine Kanzlei kümmern, die auf Fluggastrechte spezialisiert ist.

Das Unternehmen Easyjet bestätigte, dass der Flug anfänglich verspätet war. "Grund hierfür war die Verspätung des zuständigen Kabinenpersonals auf vorherigen Flügen", hieß es in der Erklärung weiter. Die Crew konnte den Flug demnach nicht antreten, ohne ihre gesetzlich zugelassenen Arbeitsstunden zu überschreiten. Man habe sich bemüht, eine alternative Crew bereit zu stellen - "doch leider war das nicht möglich". Laut Easyjet hätten die Passagiere die Möglichkeit gehabt, ihre Flüge umzubuchen oder sich die Kosten erstatten zu lassen. Schön und gut: Der Flug am frühen Montagmorgen war aus Sicht der Klasse kaum erreichbar, zudem hätte sich die Gruppe aufteilen müssen. Am Dienstag kam dann die erlösende Nachricht - 17 freie Plätze am Mittag.

Für die Schüler der 13. Klasse hatte der Ausfall auch einen vielleicht nicht ganz unwillkommenen Nebeneffekt: Sie hatten am Dienstag schulfrei. "Die Schüler versäumen jetzt natürlich auch Stoff, der im Hinblick auf das Abitur wichtig ist", sagt Schulz. Den ersten Schock hätten alle gut verkraftet: "Als dann klar war, dass wir in ein Hotel gehen und sie auf Kosten der Fluggesellschaft noch Zeit in London verbringen können, fanden die meisten das gar nicht mehr so schlimm."

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Quelle:
SZ vom 05.10.2016
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