MeinungFlüchtlingsunterbringung:Die Geister, die sie nicht riefen

Kommentar von Felicitas Amler, Wolfratshausen

Lesezeit: 1 Min.

Die Mehrzweckhalle in Farchet kann derzeit von den Sportlern nicht genutzt werden.
Die Mehrzweckhalle in Farchet kann derzeit von den Sportlern nicht genutzt werden. (Foto: Hartmut Pöstges)

Der Wunsch nach Freigabe der Mehrzweckhalle in Wolfratshausen-Farchet ist verständlich - eine Demo aber brandgefährlich.

Kinder und Jugendliche haben psychisch enorm unter der Corona-Pandemie und den Begleitumständen gelitten. Das ist inzwischen bekannt und gut erforscht. Die seelischen Folgen sind längst nicht bewältigt. Vor diesem Hintergrund wiegt es besonders schwer, wenn in einer Stadt über nunmehr eineinhalb Jahre ein Ort für Kinder und Jugendliche fehlt, an dem sie sich austoben können, körperlichen Ausgleich zu den psychischen Belastungen und Raum für unbeschwerte Freude finden. Man kann absolut verstehen, warum der Ballspielclub Farchet (BCF) es beklagt, dass seine Mitglieder seit so langer Zeit nicht über die Mehrzweckhalle verfügen können.

Jeder Aufschrei, jeder Hilferuf wäre nachvollziehbar. Aber eine Demo gegen die so lange andauernde Belegung der Halle mit geflüchteten Menschen? Wozu soll die führen? Der BCF-Vorsitzende Manfred Fleischer ist Politiker genug, um zu wissen, dass kein Amt und kein einzelner Politiker im Landkreis es in der Hand haben, die Mehrzweckhalle Farchet mit Rücksicht auf großen Protest aus der Bevölkerung mal eben zu räumen. Wohin sollen die Flüchtlinge denn? Traumatisierte Menschen, die - wenigstens - genauso viel Mitgefühl brauchen wie Kinder und Jugendliche, die unter dem erzwungenen Verzicht auf Bewegung und Sport leiden.

Ein inständiger Appell an alle Gemeinden im Landkreis, wo immer möglich Platz für Flüchtlinge zu schaffen, würde mehr Erfolg versprechen. Und vielleicht auch eine neuerliche Suche nach vorübergehend anderen Räumen und Plätzen für Sport, wie der Verein sie ja nach eigenem Bekunden vom Mai bereits in Weidach, Waldram, der Realschule Wolfratshausen, der Sporthalle Gelting, dem Vereinsraum Loisachhalle, dem Pfarrheim der evangelischen Kirche, der Isardammschule Geretsried und dem Gymnasium Icking gefunden hat. Notlösungen - natürlich. Aber um eine Notlage geht es ja auch. Für den BCF. Und für eine große Zahl von Menschen, die vor Krieg, Folter, Hungersnot oder aus anderen verzweifelten Lagen fliehen mussten.

Ein Demonstrationszug wird an der Lage hier wie dort nichts ändern. Aber - und auch dies muss ein erfahrener Politiker wie Fleischer absehen können - die Demo birgt eine Riesengefahr. Auch wenn der Verein betont, dass sich Rechtsextreme fernhalten sollen, werden sich genau diese Kräfte angezogen fühlen. Gerade in einem Stadtteil, in dem die AfD bei der Landtagswahl bis zu 23 Prozent erzielt hat, ist diese Gefahr groß. Risiko und Nutzen stehen bei dieser Demo in keinem Verhältnis.

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