Kunstinstallation am Erinnerungsort:Licht auf das Elend der Flüchtlinge

Kunstinstallation am Erinnerungsort: Aufbauarbeit am Badehaus (von links): Wolfgang Saal, Markus Heinsdorff, Justine Bittner, Sybille Krafft, Eva Greif und Afghanistan-Flüchtling Jawad Mohamadi, der ebenfalls mit Hand angelegt hat.

Aufbauarbeit am Badehaus (von links): Wolfgang Saal, Markus Heinsdorff, Justine Bittner, Sybille Krafft, Eva Greif und Afghanistan-Flüchtling Jawad Mohamadi, der ebenfalls mit Hand angelegt hat.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Der Künstler Markus Heinsdorff kommt mit seinen Leuchten aus Flucht-Schwimmwesten zum Badehaus in Waldram, dem ehemaligen Lager Föhrenwald.

Von Felicitas Amler

Dieses wunderbare Kunstwerk ist auch ein großartiges Handwerk: Ohne den Künstler Markus Heinsdorff hätte es die Idee nicht gegeben. Und ohne Wolfgang Saal und ein Dutzend mit Hand anlegende Freiwillige wäre es nicht am Badehaus entstanden. "Licht an für mehr Menschlichkeit" heißt es an diesem Erinnerungsort in Waldram, dem ehemaligen Lager Föhrenwald, in einer Woche, wenn das Werk offiziell eröffnet wird. Dann werden 36 orangefarbene Leuchten das Badehaus rundum illuminieren. Sie sind jeweils 4,40 Meter hoch, und die Lampenschirme sind gefertigt aus dem Stoff gebrauchter und an Ufern des Mittelmeers zurückgelassener Schwimmwesten. Diese Westen symbolisieren das winzige bisschen Chance, das Flüchtende überhaupt haben, übers Meer in Freiheit und Sicherheit zu gelangen. Sie sollen die Betrachter auf eine der schlimmsten Elendssituationen der Welt aufmerksam machen. Und auf ein bitteres europäisches Versagen.

Nach Schätzungen des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) sind allein zwischen 2014 und dem vergangenen Sommer 21500 Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken. Mindestens. "Dieses Leid und diese Dramen", sagt Heinsdorff, hätten ihn zu seinem Leuchtenfeld bewogen. Die Bitte, ein Kunstwerk zu schaffen, war ursprünglich von der Gemeinschaft Blumenthal an ihn herangetragen worden. Diese Genossenschaft lebt und bewirtschaftet das ehemalige Schloss Blumenthal bei Aichach mit Hotel, Gasthaus und Seminarbetrieb. Im dortigen Innenhof wirkte Heinsdorffs Landschaftsinstallation besonders stark, da er 144 Stelen mit Leuchten aufstellen konnte. Ein Lichtermeer.

Die Idee dieser Lichter für mehr Menschlichkeit hat sich seit der Blumenthal-Aktion im vergangenen Jahr ausgebreitet. Denn 90 Leuchten wurden gegen Spenden, die der Flüchtlingshilfe zugutekommen, abgegeben und senden ihre Botschaft seitdem von vielen Orten aus.

Badehaus-Vorsitzende Sybille Krafft, Historikerin und Filmemacherin, kennt nach eigenem Bekunden Schloss Blumenthal seit ihrer Studienzeit. Der Ort habe sie immer schon angezogen, und als sie bei einem Besuch das Leuchtenfeld sah, da habe es sie "gepackt". Sie sieht dieses Kunstwerk auch als Ausdruck dessen, wofür das Badehaus mit seinen verschiedenen Zeitschichten stehe: "Es ist ein Ort der Geschichte von Flucht", sagt Krafft. Denn im Badehaus wird an die Nazi-Siedlung Föhrenwald mit den Zwangsarbeitern in den hiesigen Rüstungsbetrieben ebenso erinnert wie an die Überlebenden der Shoa, die in diesem Föhrenwald nach der Befreiung eine Heimat auf Zeit fanden, und an die kinderreichen deutschen Vertriebenen, die anschließend hier siedeln konnten, als die katholische Kirche dafür sorgte, dass aus "Föhrenwald" "Waldram" wurde.

Markus Heinsdorff, Spross einer Künstlerfamilie, ist im Umfeld dieser Geschichte aufgewachsen, hat in Irschenhausen gelebt und ist in Icking zur Schule gegangen. "Meine Intention als Künstler ist es, in die Region zu gehen", sagt er. Damit meint er keineswegs nur die Region hier. Vielmehr arbeitet er mit "seinen" Themen Umwelt und Soziales oft im Ausland, in China, Indien, Venezuela, aber immer, indem er die jeweilige Landeskultur reflektiert. Beim Badehaus sei er auf einen großartigen Ort mit bewundernswert engagierten Menschen getroffen, sagt Heinsdorff. Dieser rein ehrenamtlich geschaffene und betriebene Erinnerungsort zeige, was durch freiwilligen Einsatz möglich sei - "was im Normalfall nicht möglich wäre".

Und damit meinte er ausdrücklich auch das handwerkliche Engagement, das ein von Wolfgang Saal geleitetes Team mit 13 Ehrenamtlichen für die Lichter-Installation geleistet hat. Um die Stelen aufzustellen, mussten 36 jeweils 70 Zentimeter tiefe Löcher rund ums Badehaus gebohrt werden, teils in den Gartenboden, teils in Granit. Und damit es am Ende Licht werde, mussten Kabel verlegt und Absicherungen geschaffen werden. "Es hat scho' Arbeit g'macht", sagt der zupackende Saal lakonisch. Aber das Kunstwerk habe schließlich auch "eine tolle Botschaft". Dass es nun ausgerechnet 36 Leuchten sind, habe nicht nur technische Gründe ("Man braucht 35-mal drei Meter, um ums Badehaus rumzukommen"). Die 36 sei auch eine bedeutende Zahl, sagt Saal. Sie ergebe sich aus viermal neun, und die 4 und die 9 stünden bei Pythagoras für Gerechtigkeit und Brüderlichkeit. Auch das also eine tolle Botschaft.

Eröffnung am Samstag, 19. Februar, 18 Uhr. www.erinnerungsort-badehaus.de

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