Süddeutsche Zeitung

Nach Corona:"Das war ein Glücksjahr"

Die Wolfratshauser Flößer schlossen die diesjährige Saison mit der traditionellen Eisfahrt ab - erstmals nach zwei Jahren pandemiebedingter Pause.

Von Veronika Ellecosta

Zwei Corona-Sommer lang blieb es auf dem Isarkanal zwischen Wolfratshausen und Thalkirchen ruhig, wo sonst die Flöße zum Vergnügen der Passagiere dem Flusslauf Richtung München folgen. Die Gaudi auf dem Wasser musste pausieren. Im April dieses Jahres fielen die coronabedingten Einschränkungen für das regionale Traditionsgewerbe, das seit 2020 auch zum immateriellen Kulturerbe Bayerns gehört: Die Flöße durften wieder zu Wasser gelassen werden. Der Andrang war groß, die Stimmung gut. Vor Kurzem läuteten die Flößer schließlich mit der traditionellen Eisfahrt das Ende der Saison ein.

Die harten Zeiten der Pandemie sind im Frühherbst dieses Jahres für die drei Familienbetriebe eindeutig vorbei - zumindest, wenn man die Flößer persönlich fragt. So etwa Josef Seitner. Auf diesen Sommer angesprochen, kommt der Floßmeister aus dem Schwärmen nicht mehr heraus. "Das war ein Glücksjahr. So einen Sommer hatten wir seit 15 Jahren nicht mehr. Sonne, Sonne Sonne", sagt der 72-Jährige, der den Traditionsbetrieb bereits in fünfter Generation leitet und auch nach mehr als 50 Dienstjahren ab und zu selbst zur Stake greift. Wegen des Schönwetters waren die Flößer nie gezwungen, das Dach auf dem Floß aufzubauen und auch mit dem Hochwasser hatten sie lediglich einmal zu kämpfen. Im schlimmsten Fall war der Wasserstand mal niedriger. Damit verringerte sich die Fließgeschwindigkeit. Deshalb mussten viele Flöße langsamer fahren und erreichten die Floßlände in Thalkirchen mit bis zu einer Stunde Verspätung. Josef Seitner sieht das gelassen: "Dann haben die Gäste mal eben mehr Zeit am Floß genossen. Die haben alle über das gute Wetter geschwärmt", sagt er.

Die meisten Fahrten werden an Gruppen von bis zu 60 Personen vermietet, bereits im Frühling waren alle drei Familienbetriebe beinahe komplett ausgebucht: Die beiden Seitners und Michael Angermeier in Arzbach, der nach der Saison erst einmal Betriebsurlaub macht und deshalb nicht erreichbar ist. Das lag auch daran, dass viele Buchungen der vergangenen zwei Jahre erst in diesem Sommer nachgeholt werden konnten. Die Pandemie hatte die Flößerfamilien in unruhiges Fahrwasser gezwungen: Nach zwei Saisonen Totalausfall fielen die Flößer durch ihr saisonales Angebot durch viele Raster der Corona-Wirtschaftshilfen und gerieten in finanzielle Nöte. Erst nach einem saftigen Brandbrief der Flößer und wohl auch durch das Eingreifen des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten und Wolfratshausers Edmund Stoiber wurden die Corona-Mittel für die drei Betriebe nochmals nachgebessert. Die Wolfratshauser Flößer konnten sich in der Pandemie so gerade über Wasser halten.

Weil die Flöße so gut ausgebucht waren, habe die diesjährige Saison die vergangenen beiden zu ihrer vollen Zufriedenheit entschädigt, bestätigt Monika Heidl-Seitner, Tochter von Franz Seitner. Im Betrieb ihres Vaters ist sie als Geschäftsführerin und in der Buchhaltung tätig. Neue Schwierigkeiten ergaben sich aber, weil durch die Hitze der Wasserpegel stark sank, fährt sie fort. "Die Fahrten haben lang gedauert. Wir mussten ständig auf Habachtstellung fahren, damit wir nicht irgendwo auflaufen oder auf eine Sandbank fahren. Das war sehr anstrengend für meine Männer."

Jetzt heißt es für die Betriebe erst einmal, die Saison abzuschließen, die Personalplanung fürs kommende Jahr anzugehen und die Stämme der Flöße zu verkaufen - die haben nach einem Sommer im Dauereinsatz ausgedient. Bereits im November, schätzt Heidl-Seitner, könne sie Reservierungen für die nächste Saison annehmen. Eine weitere Herausforderung ergibt sich für die Flößereibetriebe dabei jedoch: Die steigenden Kosten und wirtschaftlichen Turbulenzen werden auch vor einem immateriellen Kulturerbe nicht Halt machen.

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