Süddeutsche Zeitung

Flexijahr:Schulaufgabe aus dem Ministerium

Die Gymnasien im Landkreis müssen versuchen, bis September die aktuelle Reform für die Mittelstufe umzusetzen.

Ingrid Hügenell

Schon ab September werden die Gymnasiasten in Bayern die Möglichkeit haben, die Mittelstufe in vier statt in drei Jahren zu durchlaufen. Die Gymnasien wurden kurz vor Ostern informiert und sind seither damit beschäftigt, diese neuerliche Reform auszugestalten, die unter "Individuelle Lernzeit am Gymnasium" firmiert. Sie gilt als Antwort des Kultusministeriums auf die Unzufriedenheit mit dem G 8. Über ein Frühwarnsystem sollen gefährdete Schüler schneller erkannt und gefördert werden.

Vor allem gibt es für sie dann die Möglichkeit, ein "Flexibilisierungsjahr" einzuschieben. Dabei wird aber der Stoff nicht langsamer durchgenommen. Schüler im "Flexijahr" besuchen einfach die Regelklasse zweimal hintereinander. Sonst müssten eigene Gruppen mit unterschiedliche Lerngeschwindigkeiten gebildet werden - "unrealistisch", urteilen Schulleiter wie Hermann Deger (Geretsried) und Margit Mintzel (Penzberg).

Die Reform stellt die Schulen vor einige Herausforderungen. Das Geretsrieder Gymnasium rechnet mit neun zusätzlichen Lehrerstunden pro Woche, die aber allen Schülern zugute kommen sollen, möglichst in allen Kernfächern. Es gibt in der Mittelstufe derzeit aber 18 Klassen mit etwa 450 Schülern. Schulleiter Deger setzt daher vor allem auf Beratung und ein Mentorensystem; so will es auch das Gymnasium Icking machen, wie die stellvertretende Schulleiterin Beate Demmelhuber sagt.

Die Förderung stößt da an ihre Grenzen, wo es ohnehin schon schwierig ist: aktuell bei der Mathematik. Hier fehlen in ganz Bayern Lehrer. Auch Deger muss den Mangel kompensieren: "Ich habe gute Matheaushilfen." Bei der individuellen Förderung aber bleibe wohl ausgerechnet Mathe weitgehend außen vor. "Sonst nimmt man sich das vom Pflichtunterricht raus". "Wir haben immer das Problem, dass wir zu wenig Lehrer haben", sagt auch Toni Lenhart, der Geretsrieder Elternbeiratsvorsitzende. "Die neun zusätzlichen Lehrerstunden werden nie reichen." Immerhin habe das Ministerium eingesehen, dass man den Schülern "ein bissl mehr Zeit geben" müsse.

Ein weiteres Problem: Die Schüler können im Flexijahr bis zu sechs Stunden abwählen und haben dann Freistunden - aber nicht alle zugleich. Sie dann zu fördern, wird kaum möglich sein. Man könne es sich nicht leisten, Lehrer dafür abzustellen, sagt Deger. In Geretsried wie in Icking sollen die Schüler die Zeit in der Bibliothek verbringen, und dort lernen. "Das ist ein frommer Wunsch, dass die das selber machen", sagt Deger. Förderkurse werden vermutlich in die Randstunden des Stundenplans verlegt, fürchtet etwa Karin Jennermann-Mager, die Ickinger Elternbeiratsvorsitzende, die in der Reform "prinzipiell einen guten Ansatz" sieht.

Das Flexijahr steht allen Schülern offen, nicht nur den schwächeren. Die Penzberger Direktorin Mintzel berichtet Kindern, die das nutzen wollen, um schulisch kürzer zu treten und dafür mehr Sport oder Musik zu machen. Auch für Auslandsaufenthalte könnte das Jahr genutzt werden. Die Privatgymnasien dürfen das Flexijahr einführen, müssen aber nicht. Die Max-Rill-Schule in Reichersbeuern wird das laut Direktor Frank Senske nicht tun. Rainer Rosenbeck, stellvertretender Direktor des Schäftlarner Benediktiner-Gymnasiums, rechnet nicht mit viel Interesse. In einer Tagesheimschule würden schwächere Schüler ohnehin unterstützt.

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SZ vom 23.04.2013
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