Süddeutsche Zeitung

Festrede:Flüchtlinge und Koalition

Edmund Stoiber spricht beim CSU-Neujahrsempfang in Bad Tölz

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Hinten mussten sie an Tischen stehen, vorne durften sie im kleinen Saal immerhin sitzen, am Ende schwitzten alle Zuhörer in der stickigen Luft. Knapp 100 Gäste waren zum Neujahrsempfang der Tölzer CSU und der Kreis-CSU am Donnerstagabend ins Gasthaus Kolberbräu gekommen. Mit Blick auf das dicht gedrängte Publikum sagte der Landtagsabgeordnete Martin Bachhuber: "Edmund Stoiber zieht immer." Fast zwei Stunden dauerte die Festrede des ehemaligen Ministerpräsidenten und CSU-Ehrenvorsitzenden, die sich um die Flüchtlingskrise und die schwierige Regierungsbildung in Berlin drehte.

Für Stoiber steht Deutschland ökonomisch so gut da wie nie in der Nachkriegszeit. Anders als früher hätten Wirtschaft und Arbeitsplätze im Bundestagswahlkampf 2017 aber weniger eine Rolle gespielt, sagte er. Trotz Problemen wie Digitalisierung, Pflege oder Wohnungsnot seien die Debatten von der Flüchtlingskrise beherrscht worden. "Wenn da einer aufgestanden ist und ein Problem mit Flüchtlingen geschildert hat, war der ganze Saal sofort da", erzählte er von einem gemeinsamen Auftritt mit dem sächsischen CDU-Ministerpräsidenten Michael Kretschmer in Görlitz.

Aus christlichen Grundwerten heraus sei man, zumal nach dem Nazi-Terror, zwar verpflichtet, Verfolgten Asyl und Kriegsflüchtlingen ein Bleiberecht zu geben. Aber ein Rechtsstaat müsse auch Sicherheit gewährleisten. "Da haben wir Lücken." Dies führe zu einem subjektiven Gefühl der Unsicherheit bei den meisten Bundesbürgern. "Das Land hat sich stark verändert", sagte Stoiber. Die Ankündigungen des designierten Ministerpräsidenten Markus Söder, die bayerische Grenzpolizei auszubauen und ein eigenes Amt für Asyl und Abschiebung zu gründen, bezeichnete er als "die richtige Antwort auf die jetzige Zeit". Eine jährliche Obergrenze von 200 000 Geflüchteten sei nötig, um diese in das Land integrieren zu können. "Das ist eine große Anstrengung, es sind in fünf Jahren eine Million, das ist keine kleine Zahl". Lob zollte er dem amtierenden Ministerpräsidenten Horst Seehofer, der die Obergrenze in den Verhandlungen sowohl über eine Jamaika-Koalition als auch mit der SPD durchgesetzt habe. Verständnis zeigte Stoiber für den Streit unter den Sozialdemokraten über eine Große Koalition. Die SPD habe Verantwortung in der Regierung übernommen, aber immer weiter verloren. Dennoch hoffe er, dass die SPD nun deutlich mache, was sie wolle. "Aber dazu braucht es eine Führung", sagte er.

Ein weiteres Thema war bezahlbarer Wohnraum. Stoiber befürwortete die Pläne Söders für eine staatliche Wohnungsbaugesellschaft in Bayern: "Der Staat muss von der anderen Seite kommen, wenn es der Markt nicht mehr regelt." In Tölz habe sich die CSU schon vor Jahren für bezahlbare Wohnungen eingesetzt, sagte Ortsvorsitzender Ingo Mehner. Inzwischen entstünden günstige Quartiere an der Osterleite und an der Kohlstatt.

Landtagsabgeordneter Bachhuber kritisierte die zähen Verfahren für die Tölzer Nordspange und die S 7-Verlängerung. Für eine relativ kleine Umfahrung wie in Bad Tölz werde seit 20 Jahren geplant, begutachtet, beschlossen. "Da braucht es ein Infrastrukturmaßnahmen-Beschleunigungsgesetz."

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SZ vom 20.01.2018
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