Fernsehen versus Realität:Der Kampf der Sisi-Fans gegen Fake News

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In der Weihnachtszeit laufen traditionell viele Filme und Serien, die sich mit der österreichischen Kaiserin Elisabeth beschäftigen. Doch ihre Darstellung darin entspricht oft nicht der Realität. Am Kaiserin-Elisabeth-Museum in Possenhofen versucht man, solche Mythen auszuräumen

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Possenhofen

Um nur ein paar Titel zu nennen: Die "Sissi"-Trilogie von 1955 mit Romy Schneider, der Visconti-Film "Ludwig II." von 1973, die 1998 zu Kaiserin Elisabeths 100. Todestag erschienen Serie "Prinzessin Sissi" oder die in den vergangenen Tagen erstmals veröffentlichte "Sisi"-Serie von RTL Plus. Jedes Jahr werden pünktlich zur Weihnachtszeit Filme über Kaiserin Elisabeth ausgestrahlt, die ihre Jugendjahre auf Schloss Possenhofen verbracht hat. Und alle Jahre wieder erregt sich die Sisi-Fan-Gemeinde, wenn in den Sendungen Mythen und Märchen als Tatsachen dargestellt werden.

Tatsächlich haben die Film-Figuren der österreichischen Kaiserin nach Angaben von Rosemarie Mann-Stein, der Leiterin des Kaiserin-Elisabeth-Museums in Possenhofen, nur wenig gemeinsam mit der historischen Persönlichkeit. Die Museumsführerinnen stellen sich darauf ein und versuchen, die erfundenen Geschichten fachlich zu widerlegen.

Mit Bezug auf die jüngste Sisi-Serie hat die Museumschefin dieses Weihnachten besonders viele erboste E-Mails bekommen. Die Kommentare reichen von "kitschig", "direkt unerträglich" und "da stehen einem die Haare zu Berge" bis hin zu "widerliche Fake News", "Film-Missgeburt" oder "aufwendige Zumutung". Museumsführerin Angelika Nuscheler zitiert italienische Kommentare auf Facebook: Dort ist von tiefer Erschütterung die Rede und davon, dass die Kaiserin durch diese Fake News ein zweites Mal erstochen worden sei.

"Wir werden in unserem Museum in Possenhofen wieder einmal größte Mühe haben, den Besuchern zu erklären, was alles an Falschem, Erfundenem und Abwegigem gezeigt wurde", erklärt Mann-Stein. In der romantischen Heile-Welt-Geschichte aus den 1950er Jahren beispielsweise sollte ursprünglich Sisis Schwester Helene mit Kaiser Franz Joseph I. verlobt werden. Doch Hinweise auf diese Abmachung zwischen Sisis Mutter Ludovica und ihrer Schwester Erzherzogin Sophie, der Mutter von Franz Joseph, lassen sich laut Mann-Stein nicht finden. "Gegen diesen Mythos von der beleidigten Helene kämpfen wir seit Jahren an", erklärt sie. Tatsache sei, dass sich Kaiser Franz Joseph bei einem Zusammentreffen in Ischl spontan in Sisi verliebt habe.

Die Museumschefin ärgert sich insbesondere darüber, wenn historische Fakten einem falschen Datum zugeordnet werden. Als Beispiel nennt sie die RTL-Serie, in der Mitgliedern des Ungarn-Aufstands Elisabeth im Wald auflauern und attackieren. Zwar gab es ein Attentat auf Kaiser Franz Joseph. Das fand jedoch lange vor der Verlobung mit Elisabeth statt. Besonders empört ist Mann-Stein über eine frei erfundene "sexistische Geschichte", wonach der österreichische Kaiser nach einem Besuch bei seiner Verlobten auf Schloss Possenhofen in ein Bordell in Starnberg zu einer Prostituierten namens Fanny gegangen sein soll.

Ein Bordell in Starnberg habe es nie gegeben und der Name Fanny werde vermengt mit Sisis Zofe, erklärt Nuscheler. Fanny sei eine ehrbare Frau gewesen, die laut Mann-Steins Friseurin am Wiener Burgtheater war, bevor sie von Elisabeth engagiert wurde und die berühmte Kronen-Flechtfrisur der Kaiserin erfunden hat. Zwar habe Kaiser Franz Joseph durchaus Affären gehabt, räumt die Museumschefin ein. Durch die zahlreichen Seitensprünge ihres Vaters Herzog Max sei Elisabeth traumatisiert gewesen und habe so ein Verhalten zutiefst verabscheut, ist Mann-Stein überzeugt. Nach einer Affäre ihres Ehemanns Franz Joseph habe sie entsprechend reagiert, indem sie auf Reisen ging. Dass jedoch alle ihre Reisen eine Flucht gewesen seien, ist laut Mann-Stein falsch. Elisabeth habe in Wien immer wieder Husten und Fieber gehabt, dementsprechend habe man ihr Kuren verordnet. Heute ist nach Angaben der Museumschefin bekannt, dass die Kaiserin allergisch auf das Holz ihrer Schlafzimmermöbel reagiert habe.

Schon zu Lebzeiten blieb die Kaiserin nicht verschont von Gerüchten. Ihr wurde eine Affäre mit Graf Gyula Andrássy nachgesagt - und dass dieser angeblich der Vater von Elisabeths Tochter Marie Valerie sei. "Sie hatten kein Verhältnis", stellt Mann-Stein klar. Frauen in diesen Kreisen seien nie alleine gewesen, Andrássy habe zudem eine glückliche Ehe geführt.

Die Geschichte, dass sich Elisabeth und ihr Cousin, der Bayernkönig Ludwig II., Gedichte schrieben, die sie in einem Sekretär im Casino auf der Roseninsel hinterließen, gehört laut Nuscheler ebenfalls in den Bereich der Legenden. Auch die heimlichen Treffen mit Ludwig II. auf der Roseninsel müssen ihrer Ansicht nach relativiert werden. Es habe nachweislich nur zwei Treffen gegeben. Von Anfang an geschönt wurden auch die Größenangaben des Kaiserpaares. Obwohl Franz Joseph mit 1,68 Metern kleiner war als Elisabeth mit ihren 1,72 Metern, überragt er sie auf allen Darstellungen.

Der Film „Ludwig II.“ von 1973 mit Helmut Berger und Romy Schneider nimmt es mit der Wahrheit nicht allzu genau. (Foto: dpa)

Bis heute sind der Diätwahn der Kaiserin, ihr Körperkult, ihr exzessiver Sport oder ihre Gewaltmärsche Thema. Damals hätten Frauen, die Sport trieben, großes Aufsehen erregt, beispielsweise, als Sisi als einzige Frau an den nicht ungefährlichen Parforcejagden teilnahm. "Elisabeth war eine faszinierende Persönlichkeit", betont Museumsführerin Angelika Nuscheler, wenngleich sie sicherlich exzentrisch gewesen sei. So habe sie zwar strengstens auf ihre Figur geachtet, das sei aber heute bei Prominenten normal.

Mann-Stein lobt die Kaiserin als spontanen Menschen, der stets arme Menschen unterstützt habe. Das werde leider in den Sendungen nicht thematisiert. "Es gibt auch hervorragende Sendungen, aber in allen Serien kommt nichts rüber von ihrem Charme."

© SZ vom 13.01.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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