Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie: Winterwerk, Folge 2:Bock auf Tradition

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In der 1924 gegründeten Klosterbrauerei Reutberg wird im Winter ein spezielles Starkbier hergestellt. Auch wenn moderne Technik die Herstellung ganzjährig möglich machen würde, bleiben sich die Reutberger treu.

Von Claudia Koestler, Sachsenkam

Ohne die kalte Jahreszeit? "Da wären Hopfen und Malz verloren", sagt Michael Pichler und lacht verschmitzt über den doppelten Wortsinn seiner Antwort. Schließlich ist die Kunst des Bierbrauens eng verbunden mit dem Winterhalbjahr - zumindest historisch gesehen, erklärt der Braumeister. "Die Herstellung war früher ja nur von Michaeli bis Georgi erlaubt." Wärme war und ist für das flüssige Brot kontraproduktiv, es wird sauer und ungenießbar. Für die Bierbrauer der vergangenen Jahrhunderte waren die Sommermonate deshalb ein Problem, weshalb traditionell im Herbst und Winter gebraut und das Bier in möglichst kühlen Räumen gelagert werden musste. "Bis heute kennt man ja noch die tiefen Keller in München, Bad Tölz oder Wolfratshausen", sagt Pichler. Anderswo gebe es Eiskeller in den Felsen, so etwa in Eurasburg, oder auch Eisweiher. Solche Seen wurden aufgehakt und das Eis in die Bierkeller transportiert.

Solch enormer Aufwand ist heute natürlich nicht mehr nötig, um ein frisch Gezapftes genießen zu können. Es gibt moderne Kühlgeräte und -anlagen, die Produktion, Lagerung und Genuss das ganze Jahr über möglich machen, wie sich überhaupt die gesamte Bierbrauerszene enorm gewandelt hat. Experten schätzen, dass in den mehr als 1350 deutschen Brauereien an die 5000 verschiedene Biere hergestellt werden. Vor allem die sogenannte Craft-Beer-Szene pulsiert.

In Reutberg aber hängt man ganz grundsätzlich an Traditionen und bewahrt sie soweit möglich. Zwar gibt es auch in der Klosterbrauerei inzwischen eine moderne Kühlung. Gängige Sorten wie Helles werden das ganze Jahr über gebraut. Die Herstellung aber bleibe dort "echte Handwerksarbeit", wie Pichler betont - und das seit 1924, dem Jahr, in dem die Genossenschaftsbrauerei gegründet wurde. Rund 5200 Mitglieder hat die Genossenschaft derzeit - "mehr geht nicht", sagt Pichler. Aspiranten kommen auf eine lange Warteliste. Als Dividende gibt es zwei Mass und eine Brotzeit. Und auch dem Brauen zur Winterzeit bleibt man dort treu - mit den drei Spezialitäten Weihnachtsbock, Josefibock und Weißbierbock.

Eigentlich ist der Josefibock ja ein Fastenbier, das allerdings wegen der hohen Nachfrage schon Mitte Januar verkauft wird. Am Dienstag zapfte Sachsenkams Bürgermeister Hans Schneil das erste Fass des neuen Jahrgangs an - ebenfalls traditionell mit nur einem Schlag. Natürlich geht es bei der Vorstellung des Trunks auch immer um die harten Fakten: Das Starkbier hat heuer einen Alkoholgehalt von 6,9 Prozent und 17 Prozent Stammwürze. Die beiden Braumeister Michael Pichler und Florian Auracher haben 1100 Hektoliter eingebraut, die etwa drei Monate lang gereift sind. Laut Reinheitsgebot gehören nur Wasser, Hopfen, Malz und Hefe ins Bier. "Aber aus diesen vier Zutaten ergeben sich viele Variationsmöglichkeiten", sagt Pichler. Vor allem die Wahl des Malzes bestimme den Stammwürze-Gehalt, die Vollmundigkeit und die Farbe des Bieres. "In Reutberg verwenden wir 50 Prozent dunkles und 50 Prozent helles Malz." Das mache es im Unterschied zu den Münchner Starkbieren nicht ganz so dunkel.

Von diesem Freitag an wird der Bock in der Brauerei verkauft, von Montag an ist er auch in Märkten und Gaststätten erhältlich. Ausgeschenkt wird er natürlich auch beim Reutberger Josefifest, das heuer vom 13. März bis zum 22. März stattfinden wird. Einige Liter werden es zudem bis Berlin schaffen, genauer gesagt auf die internationale Grüne Woche. Insgesamt dürften die 1100 Hektoliter ausgeschenkt sein, bevor das Frühjahr Fahrt aufnimmt, erwartet Pichler. Die Produktion aber anpassen und auf das ganze Jahr ausdehnen? Das kommt für den Braumeister nicht infrage: "Wir halten lieber an der Tradition fest. Und wenn etwas nur zu speziellen Gelegenheiten gibt, macht es das auch Besonders."

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SZ vom 09.01.2020
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