Faschingsumzug in Königsdorf:Hiebe für alle

Die Kinschdarfer Maschkera nimmt die Ortspolitik, aber auch Donald Trump aufs Korn

Von Arnold Zimprich, Königsdorf

Locker schlendert ein Cowboy daher, gefolgt von einer Giraffe, weiter hinten plaudern drei Schlümpfe. Mit einem lauten Knall entlädt sich Konfettiregen über der Menschenmenge, aus einem Megafon dringen verzerrte Heultöne, zwei als Bienen verkleidete Narren kreisen drei Meter über dem Boden um einen Baumstamm. Es ist wieder Faschingszug in Königsdorf, das halbe Dorf ist auf den Beinen, soviel ist sonst nie los zwischen Landgraben und Dachsberg, zwischen Sportplatz und Osterhofen. Geparkt wird von der Grundstraße Richtung Geretsried bis zur B11 Richtung Schönrain, das Ortszentrum ist komplett gesperrt - kurzum: das Dorf befindet sich im Ausnahmezustand.

"Habt's ihr scho zoit?" fragt Maria Sonner. Schnell sind drei Euro abgezählt, man will ja nichts verpassen. Sonner ist über 80 Jahre alt, eine der guten Seelen, wie sie jede Dorfgemeinschaft braucht, um zu funktionieren. Behände verschwindet sie Richtung Rathaus, weitere Menschen strömen heran, in der Ferne sind die ersten der 15 Wagen zu erkennen.

Auch Eduard Hieke hat sich unter die Schaulustigen im Ortszentrum eingereiht. "Meine wilden Zeiten sind zwar vorbei", erzählt der pensionierte Lehrer. "Während meiner Studienzeit fanden legendäre Faschingsbälle im Regina-Palast in München statt." Nun aber sei der Königsdorfer Faschingsumzug Pflichtprogramm.

Wer glaubt, Königsdorf sei ein beschaulicher Ort im bayerischen Voralpenland, dessen Einwohner keiner Fliege etwas zu leide tun, wird heute eines Besseren belehrt. Kaum ein Politikum wird ausgelassen - von Markus Söders Raumfahrtprogramm Bavaria One bis zur Rückkehr des Wolfs. Wolfgang Haase ist aus Geretsried nach Königsdorf gekommen - Pflichtprogramm auch für ihn. "In Geretsried wird nichts Vergleichbares geboten, ich fahr immer nach Königsdorf", sagt er und inspiziert die Wagen, die in engem Takt die Hauptstraße hinaufziehen und von verkleideten Musikkapellen und Fußgruppen begleitet werden.

Die "Kinschdarfer", wie die Königsdorfer auf Bairisch heißen, pflegen bei Plakaten und Aufschriften das bairische Idiom. "Ohne Wolf des warat schee - do dads de Schof vui besser geh": Mit diesem Worten nehmen sie etwa den Streit um die Rückkehr des ungeliebten Isegrim aufs Korn. Auch der US-Präsident und seine Mauerbau-Pläne bekommen ihr Fett weg: "An Trump hams ins Hirn gschissn - arriba de Mauer wird abgrissn!"

Im bäuerlich geprägten Oberbayern darf natürlich ein Thema nicht fehlen: das Volksbegehren Artenvielfalt. "Rettet die Bienen, Blumen und Bauern - oder auch nicht" lautet die Aufschrift auf einem Plakat - man ist sich offenbar nicht sicher, wie sich die Abstimmung letzten Endes auswirken wird. Der Königsdorfer Faschingsumzug würde seinem Namen keine Ehre machen, würde man nicht Entwicklungen in den Nachbarkommunen kommentieren. "Fiad Ross is de Leahads Belastung zschwar, drum fahr ma unsan gstingadn Disl Tank laar!" prangt auf einem der Anhänger, die von riesigen Traktoren am Publikum vorbeigezogen werden. Hat doch der Einwand von Tierschützern im November 2018, die Belastungen bei der Tölzer Leonhardifahrt seien den Pferden nicht zumutbar, ein geteiltes Echo hervorgerufen.

Auch vor der Ortspolitik schrecken die Narren nicht zurück. Ein Holzhaus im Miniaturformat wird über einen Abgrund gezogen - man nimmt die Baugenossenschaft und ihre "Verdichtungsmaßnahmen" im Königsdorfer Ortsbild aufs Korn.

Am Zaun lehnt Georgios Papadopulos, seit 30 Jahren wohnt er in Königsdorf, Ende der 60er Jahre kam er mit zwölf Jahren von Griechenland nach Deutschland. Seine Enkelin ist zu Besuch, gemeinsam genießen sie das Spektakel. "Den heutigen Besuch meiner Familie habe ich lange geplant, und jetzt schauen Sie, was hier los ist!", sagt der 61-Jährige freudestrahlend. Tatsächlich hat der Umzug wieder Hunderte von Zuschauern aus dem ganzen Landkreis angelockt.

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