Reichersbeurer Faschingszug:Die Invasion der Maschkera

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Menschenmeer im Markt: Beim letzten Faschingszug 2015 säumten mehr als 34 000 Zuschauer die Straßen und sahen 40 Wägen, darunter einen Nachbau des Piratenschiffs Black Pearl aus "Fluch der Karibik". (Foto: Manfred Neubauer)

Alle zehn Jahre wälzt sich der Gaudiwurm von Reichersbeuern in die Tölzer Marktstraße. Die Veranstalter rechnen auch 2025 wieder mit etwa 40 Faschingswägen und 400 Teilnehmenden. Die Vorbereitungen laufen bereits.

Von Klaus Schieder, Reichersbeuern

Auf der karnevalistischen Landkarte ist der Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen gar nicht mal ein Niemandsland. Da gibt es immerhin die Faschingszüge in Königsdorf und Lenggries, den Beira Fasching in Benediktbeuern, die „Narreninsel“ mit ihren Prinzenpaaren in Wolfratshausen. Verglichen mit den närrischen Hochburgen in Köln, Düsseldorf oder Mainz geht es allerdings viele Nummern kleiner zu. Das ändert sich alle zehn Jahre: Dann setzt sich der Faschingszug in Reichersbeuern in Bewegung, um den Khanturm in Bad Tölz zu überwinden und in die Marktstraße einzudringen. 2015 säumten knapp 34 000 Zuschauer die Straßen, um 40 Wagen und 400 Maschkera zuzujubeln. 2025 dürfte der Gaudiwurm von ähnlicher Länge sein. „Wir haben schon Anmeldungen für 35 große Wägen“, sagt Klaus Hochwind, Präsident des Vereins „Reichersbeurer Faschingszug“.

Es war freilich kein Zufall, dass Hochwind und das 15-köpfige Komitee den 11. November gewählt hatten, um die Großveranstaltung zu präsentieren, die am 2. März nächsten Jahres wieder stattfinden wird. Pünktlich zum Beginn der Karnevalsaison ging es im Gasthof Altwirt in Reichersbeuern gleich launig los. Die Bürgermeister Ernst Dieckmann (Reichersbeuern) und Anton Margreiter (Greiling) trugen Cowboyhüte und gaben sich als Sheriffs aus. Man werde „peinlichst darauf achten, dass die Ordnung gewahrt wird“, sagt Dieckmann halb ernst, halb schelmisch und meinte damit unter anderem „unangekündigte Besuche“ bei den Wagenbauern. „Wir schauen, dass alles passt.“ In Bad Tölz bereitet man sich derweil schon auf die närrische Invasion aus dem Nachbarort vor. „MuaFaz kann kommen, wir stehen bereit“, sagt Bürgermeister Ingo Mehner. MuaFaz – diese Abkürzung steht für die „Mutter aller Faschingszüge“, wie der Gaudiwurm aus Reichersbeuern in aller Bescheidenheit heißt.

Die Bürgermeister Ernst Dieckmann und Ingo Mehner, Klaus Hochwind, Landrat Josef Niedermaier und Bürgermeister Anton Margreiter (von links) freuen sich bereits aufs Spektakel 2025. (Foto: Manfred Neubauer/Manfred Neubauer)

Anders als bei den großen Faschingszügen an Rhein und Main geht es nicht um Politik

Seit Anfang Oktober wird bereits an den Themenwägen in Scheunen und Garagen gebastelt – und zwar so, dass am Ende weder Traktor noch andere Zugfahrzeuge darunter zu sehen sind. Ein Hingucker vor zehn Jahren war der Nachbau der Black Pearl aus dem Hollywood-Blockbuster „Piraten der Karibik“; das große Schiff stand noch bis dieses Jahr neben dem „Jailhouse“ im Moraltpark. Anders als in den Karnevals-Hochburgen am Rhein und Main geht es den Wagenbauern nicht um politische Themen. „Uns ist das auch lieber so“, sagte Hochwind. Vor zehn Jahren bekam nur der damalige Bürgermeister Josef Janker sein Fett weg – weil er dem Faschingszug fern geblieben und in Urlaub gefahren war.

Die MuaFaz, die sich von der Dorfmitte in Reichersbeuern über Greiling und die Bundesstraße 472 zum Khanturm und zur Fußgängerzone in Tölz schlängeln wird, ist eine logistische Herausforderung. Das Sicherheits- und Veranstaltungskonzept ist anspruchsvoll, die Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden bezeichnet Hochwind als verständnisvoll. „Das ist ja nicht so ein Spaß für sie und für uns.“ Dem pflichtet Landrat Josef Niedermaier bei und lobt den Reichersbeurer Verein. „Das habt ihr verdammt gut gemacht.“ Wie man in die Wald hineinrufe, so schalle es eben heraus, „mehr sage ich dazu nicht“.

Frauen bilden ihre eigenen Motto-Gruppen, die zu Fuß unterwegs sind. Auf den Faschingswägen sind nur Männer zugelassen. (Foto: Manfred Neubauer)

Für 2025 prophezeit Hochwind einen „extrem geburtenschwachen Jahrgang“ in Reichersbeuern. „Der Fasching toppt bei uns alles“, sagt er. Die Männer seien dann eh nicht zuhause, die Frauen ließen es sich auch nicht nehmen, dabei zu sein. Apropos Frauen: Auf den Themenwägen sind nur Männer zugelassen, „das ist traditionell so“, sagt der Präsident. Dies bedeute aber nicht, dass Frauen nur eine untergeordnete Rolle spielten. Immerhin stellen sie mehr als die Hälfte der etwa 400 Teilnehmenden am Umzug. Sie haben selbst einen kleinen Wagen, treffen sich zu eigenen Sitzungen, bilden viele Motto-Gruppen, die zu Fuß unterwegs sind, verkaufen Faschingsabzeichen, Faschingszeitung, Schnaps. „Wir fühlen uns absolut zugehörig“, sagt Kathi Melf. Das Plakat für den Faschingszug hat wieder der bekannte Karikaturist und Illustrator Hans Reiser gezeichnet. „Sensationell gemacht“, sagt Hochwind. Die Klosterbrauerei Reutberg hat ein eigenes Bier mit dem Titel „Muttermilch“ herausgebracht. Und Aufkleber gibt es auch: „Die machen sich auf dem Auto vom Landrat sensationell gut“, rät Hochwind.

„Wir warten auf den Bau der Nordspange, dann fahren wir los“

Der Faschingszug geht zurück ins Jahr 1929. Bei der „Großen Fasenacht mit Haberfeldtreiben“ vor 95 Jahren waren die Zugteilnehmer noch als Feuerwehrleute, Köche oder Ordonnanzen verkleidet, wie leicht unscharfe Schwarz-Weiß-Bilder zeigen, die Hochwind auf einem großen Flachbildschirm präsentiert. Von 1955 an bewegte sich der Gaudiwurm dann im Zehnjahresrhythmus nach Bad Tölz, im Scherz stets als Überfall inszeniert. Eine Einnahme der Kurstadt fürchtet Bürgermeister Mehner indes nicht: „Wir Tölzer sind für unsere Friedfertigkeit bekannt und können uns nicht vorstellen, überfallen zu werden. Sollte es aber dazu kommen, werden wir uns verteidigen.“ In all den vielen Jahren, frotzelt Hochwind, habe es noch nie einen Gegenzug aus Bad Tölz gegeben – „ob ich das noch erlebe?“ Mehners Replik: „Wir warten auf den Bau der Nordspange, dann fahren wir los.“

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