Soziales Netzwerk in Wolfratshausen:Gefragte Familienpaten

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Die Familienpaten durchlaufen regelmäßig Schulungen, auf dem Programm stehen etwa gewaltfreie Kommunikation, rechtliche Grundlagen, Konfliktlösung und Erste Hilfe.  (Foto: Hartmut Pöstges)

Seit zehn Jahren unterstützen die ehrenamtlichen Helfer Eltern und Kinder in schwierigen Lebenslagen. Sie helfen bei Hausaufgaben, beim Eingewöhnen in einer neuen Umgebung oder verschaffen mehr Zeit. Die Nachfrage nach dem Angebot ist gestiegen, die Zahl der Paten auch.

Von Anja Brandstäter, Wolfratshausen

Die Wolfratshauser Familienpaten blicken auf mehr als ein Jahrzehnt erfolgreicher Arbeit zurück. Als die promovierte Sozialpädagogin Sonja Weißbacher 2017 die Koordinierungsstelle in Wolfratshausen übernahm, hatte sie die Aufgabe, die umliegenden Gemeinden Eurasburg, Egling, Icking und Münsing mit Wolfratshausen zum Sozialraum Nord zu entwickeln. „Als Pionierin hat Katharina Koch 2014 begonnen, den Wolfratshauser Standort drei Jahre lang aufzubauen. Schon damals haben sich 22 Paten ehrenamtlich engagiert. Ich konnte auf ihre Arbeit aufbauen“, erklärt Weißbacher. Das zehnjährige Bestehen hätte mithin im Vorjahr gefeiert werden sollen. 2024 habe man aber so viel Arbeit gehabt, dass dies nun nachgeholt wird, sagt die Sozialpädagogin.

Diese Initiative ist ein echtes Erfolgsmodell. Die Hauptaufgabe der ehrenamtlichen Helfer: Sie sollen Familien unterstützen, die in schwierigen Lebenslagen stecken oder einfach zusätzliche Unterstützung im Alltag benötigen. „Familienpaten betreuen Kinder bei den Hausaufgaben oder helfen Neubürgern und Migranten, sich in einer neuen Umgebung besser zurechtzufinden. Es kommt aber auch vor, dass ein Elternpaar Zeit für sich braucht“, berichtet Sonja Weißbacher.

Das Konzept zeichnet sich durch Langfristigkeit und Niederschwelligkeit aus

Das Besondere an diesem Konzept ist seine Langfristigkeit und Niederschwelligkeit. Es geht nicht nur um eine kurzfristige Hilfe, sondern um den Aufbau stabiler und vertrauensvoller Beziehungen. Bis zu einem Jahr lang unterstützen die Paten die Familien zwei bis drei Stunden pro Woche. Manchmal entstehen auch Freundschaften.

Mittlerweile koordiniert Weißbacher etwa 40 Paten im Sozialraum Nord. „Alle haben eine fundierte Schulung durchlaufen und sich an sechs Abenden und insgesamt 36 Stunden qualifiziert“, erzählt sie. Die Engagierten wissen genau, wie herausfordernd der Familienalltag sein kann. Die Familienpaten erhielten „regelmäßige Schulungen und Supervision, um ihre Aufgaben bestmöglich erfüllen zu können“, erläutert Weißbacher. Dazu gehören Themen wie gewaltfreie Kommunikation, rechtliche Grundlagen, Konfliktlösung und Erste Hilfe. „Manchmal hole ich externe Fachkräfte zu unseren Familienpatenabenden dazu, damit sie einen fachlichen Input einbringen“, sagt sie. Die Paten sind damit gut vorbereitet, um auf die unterschiedlichen Bedürfnisse und Probleme der Familien eingehen zu können. Außerdem lernen sie, sich abzugrenzen und nicht selbst auszubrennen.

Seit 2017 koordiniert die Sozialpädagogin Sonja Weißbacher die Familienpaten in Wolfratshausen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Oft ist es für Eltern schwierig, Beruf, Familie und soziales Leben unter einen Hut zu bringen. Um diese Herausforderungen zu meistern, bieten Familienpaten ein unterstützendes Netzwerk, das auf Solidarität und Nähe setzt. „Das Netzwerk frühe Kindheit (KoKi) kann Hilfen installieren, beispielsweise Hebammen oder Haushaltshilfen, die vom Landratsamt bezahlt werden“, berichtet Sonja Weißbacher.

Eine Patenschaft reiche aber nicht mehr aus, wenn zum Beispiel ein Elternteil stirbt. Dann müssten mehrere Hilfsangebote im Netzwerk aktiviert werden, wie KoKi, Haushaltshilfe über die Krankenkasse, Familienpaten, et cetera, so die Sozialpädagogin. Grundsätzlich gehe es um Prävention, „damit eine belastete Familie gar nicht erst beim Jugendamt landet und zum ‚Fall‘ wird“. Es ist auch schon vorgekommen, dass eine Familie keinen Kindergartenplatz bekommen hat und daher einen Betreuungsengpass entstand.

Mit allen erdenklichen Situationen werden die Familienpaten konfrontiert. Zum Beispiel können Kinder die Schularbeiten zu Hause nicht erledigen, weil der Platz fehlt. In diesem Fall ist es möglich, mit ihnen in die Schule oder in das Jugendhaus „La Vida“ zu gehen. Oftmals ist Hilfe gefragt, wenn Kinder von der Grundschule in die weiterführende Schule wechseln, wenn  Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS), Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom (ADS), Autismus, Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) oder Dyskalkulie das Mithalten in der Schule erschweren und die Hilfe durch die Eltern von den Kindern nicht angenommen werden kann.

„So viele Anfragen wie im vergangenen Jahr hatte ich noch nie.“

Derzeit nehmen 60 Prozent der Familien mit Migrationshintergrund und 40 Prozent der Alleinerziehenden die Hilfe der Paten an. „Im Jahr 2017 konnten wir einem unbegleiteten Jugendlichen helfen. Der junge Mann und die Patin stehen bis heute in Kontakt“, berichtet die Sozialpädagogin. Bei der Koordination der Paten braucht sie viel Fingerspitzengefühl: „Manchmal funktioniert die Beziehung zwischen Familie und Paten nicht, dann müssen wir neu vermitteln.“ Der Bedarf an Unterstützungsangeboten ist jedenfalls gestiegen. „So viele Anfragen wie im vergangenen Jahr hatte ich noch nie. 36 Familien haben sich bei mir gemeldet und Hilfe angefragt“, sagt Weißbacher. Die Sozialpädagogin sorgt dafür, dass sich die Familienpaten untereinander kennen lernen und ein festes Netzwerk bilden: „Alle sechs Wochen treffen wir uns, und einmal im Jahr organisieren wir einen Ausflug und ein Essen“.

Das Projekt Familienpaten hat in den vergangenen Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen. Mittlerweile gibt es fünf Koordinierungsstellen im Landkreis: Bad Tölz, Süd, Mitte, Nord und Loisachtal. Fritz Meixner, Geschäftsführer des Kinder- und Jugendfördervereins Wolfratshausen, der als Träger des Standortes „Sozialraum Nord“ fungiert, sagt: „Das ist die erste interkommunale Zusammenarbeit.“ Und Sonja Weißbacher freut sich, dass der Sozialraum Nord der größte in Bayern ist. Die Arbeit geht ihr nicht aus, im Gegenteil: Derzeit hat sie mit 30 Wochenstunden fast eine Vollzeitstelle. Der Kinder- und Jugendförderverein arbeitet stark vernetzt. „Alle Institutionen, die mit Kindern zu tun haben, kennen uns. Unser Angebot ist bekannt, und wir sind mittlerweile etabliert“, sagt die Sozialpädagogin.

Finanziert und unterstützt wird das Projekt Familienpaten mit den  Eigenmitteln des Trägers, durch Spendengelder, von der Fachstelle für Familienförderung des Landratsamts, dem Netzwerk für frühe Kindheit (KoKi) von den teilnehmenden Kommunen sowie vom Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales.

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