Süddeutsche Zeitung

Mit dem öffentlichen Nahverkehr im Landkreis unterwegs:Kreuz und quer durchs Alpenvorland

Seit Dezember ermöglichen die Expressbus-Linien direkte Verbindungen zwischen den S-Bahn-Ästen im Münchner Umland. Ein Praxistest zeigt, dass Anschlusszeiten und die Beschilderung noch Verbesserungspotenzial haben

Von Julia Graber

Wer aus München mit dem öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) erst Richtung Isarwinkel und dann an den Starnberger See möchte, sollte dafür neuerdings weniger Zeit brauchen. Die seit Dezember neu eingerichteten Expressbusse sollen solche Querverbindungen zwischen den Kreisen und Städte im Umland einfacher und schneller machen. Wer mit der Bayerischen Regionalbahn (BRB) nach Bad Tölz fährt, tut sich allerdings gerade frühmorgens schwer, mit dem Bus weiterzukommen. Für die Strecke vom Münchner Hauptbahnhof bis in die Kreisstadt braucht der BRB-Zug um 6.04 Uhr planmäßig 54 Minuten. Gegen 6.58 Uhr ist der erste Expressbus allerdings schon verpasst - um knapp zwei Minuten. Die Linie X 970 Richtung Geretsried - Wolfratshausen - Starnberg fährt um 6.56 Uhr vom Tölzer Bahnhof ab.

Für Mitfahrwillige heißt es, zu warten: Der nächste Bus kommt um 7.16 Uhr. Reibungsloser läuft es mit einem Regionalzug später, der laut Fahrplan um 7.28 Uhr Bad Tölz erreicht. Zum Umsteigen in den Expressbus bleiben acht Minuten Zeit.

Die Abstimmung der unterschiedlichen Anbieter beim ÖPNV ist folglich noch optimierungsfähig. Doch wie die neuen Expressbuslinien - davon abgesehen - laufen, gut einen Monat nach ihrer Einführung, und wie sie bisher angenommen werden, ist Anlass für einen Praxistest.

Der Expressbus-Ring umfasst den Landkreis München sowie die Landkreise Bad Tölz-Wolfratshausen, Dachau, Fürstenfeldbruck und Starnberg. Die Linien des Münchner Verkehrs- und Tarifverbunds (MVV) bilden so einen geschlossenen Kreis aus Querverbindungslinien. Sie "verkehren auf möglichst schnellen und direkten Wegen mit Halt nur an zentralen Haltestellen tangential zwischen verschiedenen Schienenästen. Dabei verbinden sie wichtige Ziele in der Region miteinander", wirbt der MVV.

Die sieben Linien fahren von Montag bis Samstag von etwa 5 bis 22 Uhr im 20-Minuten-Takt sowie an Sonn- und Feiertagen von 7 bis 22 Uhr im Stundentakt. Der Münchner Landrat Christoph Göbel (CSU)

bezeichnete ihre Einführung kürzlich als "Meilenstein im ÖPNV des Großraums München". Die erste Probe beginnt in Bad Tölz. Die Linie X 970 verspätet sich um einige Minuten, sechs Personen verteilen sich im Innenraum. Für das Reiseziel Furth bei Oberhaching mit Anschluss an die S-Bahn-Linie 3 geht es über Geretsried weiter nach Wolfratshausen. Dort muss in die Linie X 320 umgestiegen werden, ehe es über Egling, Attenham und Endlhausen weitergeht. Ist es vorher nicht bekannt, wo der Anschlussbus in Wolfratshausen abfährt, nämlich nicht in der Bahnhofsstraße, sondern ab der Haltestelle Sauerlacher Straße, kann die Umsteigezeit zu knapp sein. Vor allem, wenn der Bus zusätzlich Verspätung hat. So in diesem Fall, als der Buswechsel in drei Minuten zum Sprint wurde. Doch laut Fahrplan besteht zwischen den Verbindungen X 970 und X 320 meist über 15 Minuten Umsteigezeit. Auch die nächste S 7 nach München wäre an diesem Tag mit sieben Minuten als Anschluss hingegen gut erreichbar gewesen.

Kein weiterer Fahrgast nutzt an diesem Tag den Expressbus nach Furth, immerhin ist der Fahrer nicht alleine: Ein Kollege lernt ihn gerade an. Der Mann am Steuer erklärt, dass er seinen ersten Tag auf der Strecke habe. Und beide hoffen, dass die Linien bald stärker genutzt werden. Da die Expressbus-Linien noch relativ neu seien, glauben sie, dass noch nicht alle von diesem Angebot wüssten. Knapp eindreiviertel Stunden nach dem Einsteigen in Bad Tölz ist das Ziel Furth - etwa 50 Kilometer entfernt - per Schnellbus erreicht.

Zeit für die Probe in anderer Richtung, nämlich vom Starnberger See nach Bad Tölz. Wer um 10.44 Uhr aus Richtung Tutzing in Starnberg ankommt, hat fünf Minuten zum Umsteigen in den Expressbus X 970 nach Bad Tölz, über Wolfratshausen und Geretsried. Eigentlich ausreichend, auch um einen Blick auf den See zu werfen. Wer ortsunkundig ist, steht aber vor vielen Fragezeichen, kaum ist der S-Bahnhof verlassen. Wo fahren die Expressbusse nun ab? Ein klares Hinweisschild fehlt. Nach intensiver Ausschau ist zwar die gesuchte Haltestelle gefunden - aber zu spät. Der Bus um 10.49 Uhr ist schon weg. Nun heißt es warten, der nächste kommt um 11.09 Uhr. Zeit, um sich die Füße zu vertreten und entlang der Geschäfte am Bahnhofsplatz zu flanieren.

Draußen ist das Wetter eisig, im Fahrzeug herrscht dann wohlige Wärme. So warm, dass Jacke, Schal und Mütze schnell zu viel werden. Drei Passagiere nutzen an diesem Tag das Angebot, ohne Umweg über München wie zuvor in Richtung Wolfratshausen - Geretsried - Bad Tölz zu fahren. Einer der drei Fahrgäste scheint das für einen Ausflug zu nutzen. Darauf deuten seine Wanderschuhe und sein großer Rucksack hin. Die etwa 45 Kilometer zwischen Starnberg und Bad Tölz legt der Expressbus in genau einer Stunde und 13 Minuten zurück.

Das Fazit des Praxistests: Gut vier Wochen nach dem Start der neuen Linien muss sich das Angebot noch unter potenziellen Passagieren herumsprechen, und noch läuft nicht alles reibungslos. Wer ortskundig ist, tut sich leichter, und auch, wer sich vorab gut informiert. Etwa darüber, dass der Expressbus X 320 an der Sauerlacher Straße statt in der Bahnhofstraße abfährt. Die Fahrten an sich aber sind sehr angenehm: Die Busse sind neu und daher in sehr sauberem Zustand. Die eigene Probe aufs Exempel sollte sich also für alle lohnen, die dem Umsteigen auf ÖPNV eine Chance geben wollen.

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Quelle:
SZ vom 19.01.2022
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