Der Freitag sollte der Tag werden, an dem Geretsried stillsteht: Bei Bauarbeiten an der Böhmerwaldstraße hat ein Baggerfahrer gegen 8.50 Uhr morgens eine Fliegerbombe im Aushub gefunden. Die Arbeiten wurden sofort eingestellt, der Bauarbeiter ließ die etwa 90 mal 20 Zentimeter große und rund 70 Kilogramm schwere Bombe, davon 37 Kilogramm Sprengmittel, in seiner Baggerschaufel und verständigte sofort die Polizei. Diese sicherte die Umgebung und informierte das Sprengkommando Bayern Süd, das unverzüglich aus München kam.
Doch es sollte bis kurz nach 19 Uhr dauern, bis die Bombe tatsächlich entschärft war und alle Anwohner sicher in ihre Häuser und Wohnungen zurückkehren konnten. Bis dahin legte vor allem die sich schwierig gestaltende Evakuierung Teile der Stadt lahm.
Der Sprengmeister hatte sich dafür entschieden, zur Entschärfung der Bombe den Bereich in einem Umkreis von 300 Metern zu sperren und die Bevölkerung aus diesem Radius in Sicherheit zu bringen. Dieser schloss in dem mit rund 1000 betroffenen Bewohnern äußerst dicht besiedelten Gebiet allerdings nicht nur Wohnhäuser ein, sondern auch zwei Kindergärten und die sozialtherapeutische Einrichtung "Haus Gartenberg".
Sowohl der Kindergarten am Johannisplatz als auch jener der Heiligen Familie Geretsried und das Haus Gartenberg wurden bereits mittags evakuiert. Die Stadt Geretsried hatte derweil die Turnhalle der Mittelschule an der Adalbert-Stifter-Straße als Unterbringungsmöglichkeit zur Verfügung gestellt, das Bayerische Rote Kreuz übernahm die Versorgung. Kurze Zeit später hatten die meisten Eltern ihre Kindergartenkinder bereits wohlbehalten in der Turnhalle abgeholt.
Doch als am frühen Nachmittag die Evakuierung der Häuser und Wohnungen an der Reihe war, begann das große Warten: Weil sich diese schwierig gestaltete und zeitlich immer mehr in die Länge zog, musste auch der angesetzte Termin zur Entschärfung ein ums andere Mal verschoben werden. Zum einen lag das an der Menge an Menschen, die in dem dicht besiedelten Gebiet der südlichen Böhmerwaldstraße wohnt. Zum anderen waren aber zahlreiche ältere, gehbehinderte oder bettlägerige Menschen darunter, deren Transport sich nicht einfach gestaltete.
Wie der Sprecher der Stadt Geretsried, Thomas Loibl, erklärte, hatten sich zuletzt auch einige Bewohner lange geweigert, ihre Wohnungen zu verlassen. Gegen 16.30 Uhr entschied sich der Sprengmeister zudem, auch die bis dato nicht von der Sperrung betroffene Egerlandstraße zumindest in Teilen räumen zu lassen: Das Baugenossenschaftsgebäude zwischen Fasanenweg und Geltinger Straße wurde zusätzlich evakuiert, die Geschäfte mussten schließen.
"Über der ganzen Stadt liegt Spannung", beschrieb Anita Zwicknagl vom Kulturamt. Doch an der Turnhalle blieb es währenddessen ruhig. Nur wenige der rund 1000 Betroffenen verbrachten die Wartezeit dort. "Die meisten sind wohl lieber in ein Café außerhalb der Sperrzone gegangen oder zu Freunden und Familie", vermutete Loibl.
Geretsrieds zweiter Bürgermeister Hans Hopfner stieß am Nachmittag dazu. Ihm habe der Sprengmeister erklärt, die Bombe sei "nichts Besonderes". Sollte sie sich nicht entschärfen lassen, so habe er "alles Nötige dabei, um sie zu sprengen". Das wertete Hopfner jedoch als flotten Spruch denn als ernst gemeinte Alternative: "Das ist deren täglich Brot, die sehen das ganz locker", sagte er.
Im Geretsrieder Rathaus sei seit der Nachricht des Bombenfunds und dem Aufruf zur Evakuierung das Telefon nicht mehr stillgestanden: "Die meisten fragen, ob sie Haustiere mitnehmen sollen oder dürfen", sagte Hopfner. Das werde in der Regel jedoch nicht empfohlen, weil es nicht praktikabel sei. Davon hatte sich Hannelore Kecht allerdings nicht abbringen lassen und ihre Perserkatze in einem Transportkorb mit zur Turnhalle gebracht. Sieben Stunden Wartezeit nahmen beide locker: "Jetzt haben wir was zu erzählen. Für uns ist es ein kleines Abenteuer gewesen."