Süddeutsche Zeitung

Europawahl regional:Herzlich und gastfreundlich

Anna-Maria Mandic, eine kroatische Deutsche aus Bad Tölz, erzählt von den Unterschieden zwischen den Ländern

Von Iris Betzinger

28 Mitgliedsstaaten hat die Europäische Union, als vorerst letztes Land kam 2013 Kroatien dazu. Am 25. Mai dürfen gut 507 Millionen Menschen die 751 Abgeordneten des Europa-Parlaments neu wählen. Die Grenzen sind offen, wer will, kann sich in einem anderen Land der EU Wohnung und Arbeit suchen. Menschen aus den meisten Mitgliedsstaaten leben auch im Landkreis. Die SZ stellt einige von ihnen vor.

"Kroatisch ist an mir vielleicht meine Mentalität, ich wurde von meinen Eltern so erzogen. Manchmal rede ich auch sehr viel, möglicherweise auch eine kroatische Eigenschaft ", sagt Anna-Maria Mandic. Die 17-Jährige wurde in Bad Tölz geboren, nachdem ihre Eltern 1993 wegen des Bürgerkriegs von Kroatien nach Deutschland geflohen waren. Mit ihren beiden jüngeren Schwestern spricht sie deutsch, alle drei besitzen sowohl die deutsche und die kroatische Staatsbürgerschaft, mit den Eltern sprechen sie meist kroatisch. Anna-Maria besucht die elfte Klasse des Tölzer Gabriel-von-Seidl Gymnasiums.

In Deutschland gefalle es ihr besser als in Kroatien: "Ich bin hier aufgewachsen, habe meine Freunde hier, ich bin einfach an die deutsche Lebensweise gewöhnt. Ich kann mir aber trotzdem vorstellen, wenn ich erwachsen bin, auch nach Kroatien zu ziehen. Vielleicht werde ich aber auch weder in Deutschland noch in Kroatien wohnen." Sie liebt es nach Kroatien zu fahren um ihre Verwandten zu besuchen. Ihre Familie besitzt eine Ferienwohnung in Makarska, direkt am Strand. "Das ist schon nicht schlecht, wenn man dort seine ganzen Sommerferien verbringen kann", sagt Anna-Maria.

Die Kroaten seien viel gastfreundlicher und herzlicher als die Deutschen. "Nicht, dass die Deutschen nicht auch nett und herzlich wären, aber die Kroaten sind eben netter und herzlicher, man kann sie vielleicht ein bisschen mit den Italienern vergleichen. Der Kontakt zwischen den Nachbarn ist zum Beispiel viel enger, man besucht sich sehr oft. Wenn bei mir Freunde zu Besuch sind, macht meine Mutter immer total viel zu essen, so dass alle mitessen können." In Deutschland hat sie auch andere Erfahrungen gemacht: "Früher war ich oft stundenlang bei Freunden, ohne dass mir etwas zu trinken oder zu essen angeboten wurde, das würde einem in Kroatien nie passieren. Mein Vater meinte manchmal scherzhaft, ich soll mir ein Sandwich und ein Getränk einpacken", erzählt Anna-Maria.

Wenn Deutsche an Kroatien dächten, hätten sie wohl manchmal Bilder von einem Land im Kopf, das Rumänien oder einem anderen Land aus dem Ostblock gleiche. Kroatien sei aber damit überhaupt nicht vergleichbar, denn dem Land und vor allem den Menschen gehe es durch die gute Wirtschaft, durch den sehr verbreiteten Tourismus viel besser, als etwa den Rumänen, wo die Armut groß ist. Menschen in Kroatien hätten sich ihr gegenüber noch nie über irgendwelche Vorurteile gegen die Deutschen geäußert, aber auch dort sei das typische Bild der pünktlichen und genauen Deutschen verbreitet.

An der EU findet Anna-Maria gut, dass man überallhin reisen kann. "Für die Menschen in Kroatien hat sich sicher auch einiges geändert, seit Kroatien zur EU gehört, allein wegen der Freizügigkeit. Für mich ist eigentlich alles gleich geblieben." Sie selbst würde wählen, wenn sie schon 18 wäre. Dafür nehmen ihre Eltern beide an der Europawahl teil.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1961738
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 13.05.2014
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.