Sanierung in Zeiten des KlimawandelsMit Kunstharz gegen die Mauer-Schieflage

Lesezeit: 3 Min.

Mitarbeiter des Unternehmens Uretek sanieren die Eurasburger Schlossmauer, die durch den trockenen Boden in Schieflage geraten ist.
Mitarbeiter des Unternehmens Uretek sanieren die Eurasburger Schlossmauer, die durch den trockenen Boden in Schieflage geraten ist. (Foto: Benjamin Engel/oh)

Weil der Boden wegen anhaltender Trockenheit geschrumpft ist, hat sich die Einfriedung des Eurasburger Schlosses zuletzt gefährlich geneigt. Nun hat sie ein Spezialunternehmen mit einem Trick wieder aufgerichtet.

Von Benjamin Engel, Eurasburg

Das Gelände des Eurasburger Schlosses auf dem Plateau am Osthang des Loisachtals gleicht einer grünen Oase. Mächtige Laubbäume stehen teils direkt neben der fast 100 Jahre alten Mauer aus Bruchsteinen am Einfahrtstor. Die fügt sich gut in die organische Umgebung ein, schließlich ist sie im Laufe der Jahre ziemlich schief geworden. Was den idyllischen Reiz verstärkt, könnte jedoch durch den fortschreitenden Klimawandel und den tonhaltigen Untergrund um die Mauerfundamente problematisch werden. Denn solche Böden verlieren bei wiederkehrenden langen Trockenperioden großflächig an Volumen. Nah stehende Bäume verstärken den Effekt, denn sie entziehen dem Untergrund zusätzlich Feuchtigkeit, um überleben zu können. Dadurch bilden sich Hohlräume, Gebäude und Bauelemente können wegsacken und im Extremfall sogar einstürzen.

Die Eurasburger Schlossmauer war auf insgesamt 24 Metern Länge links und rechts des Einfahrtstors instabil geworden und stand schließlich Anfang Mai dieses Jahres mit bis zu 40 Zentimetern Überhang nach Westen schief. Ein exemplarischer Fall. „Der Klimawandel ist im Baugrund angekommen“, sagt Axel Bergforth. Er ist technischer Berater und leitet die süddeutsche Niederlassung von Uretek in Untermeitingen. Die Eigentümergemeinschaft von Schloss Eurasburg hat das Unternehmen damit beauftragt, den Baugrund wieder zu stabilisieren, um die Mauer am Einfahrtstor wieder möglichst weit in Richtung Senkrechte zu bringen.

Die Sanierung umfasst insgesamt 24 Meter der Schlossmauer, links und rechts vom zentralen Einfahrtstor.
Die Sanierung umfasst insgesamt 24 Meter der Schlossmauer, links und rechts vom zentralen Einfahrtstor. (Foto: Benjamin Engel / oh)

Dafür setzt die Firma Uretek auf Expansionsharz auf Polyurethan-Basis. Durch Edelstahlrohre, die nach Bohrungen in den Untergrund direkt neben der Schlossmauer führen, leiten die Mitarbeiter zwei flüssige Harzkomponenten, welche die Hohlräume im Untergrund wieder ausfüllen und sekundenschnell aushärten, sobald sie sich verbinden. Das stabilisiert den Boden um die Fundamente und kann aus dem Lot geratene Bauten wieder aufrichten – im Fall der Eurasburger Schlossmauer um elf Zentimeter. Nach zwei Tagen Sanierungsabeiten neigt sich das 24 Meter lange Stück mit dem zentralen Einfahrtstor nur noch um 29 Zentimeter in Westrichtung, ist jedoch so stabilisiert, dass die Einsturzgefahr gebannt ist.

Tonhaltige Böden zählen wegen ihrer Struktur zu den Untergründen, die besonders anfällig für Schrumpfungen sind – eine Gefahr, die der Klimawandel verstärkt.  Denn wenn es einerseits lange Trockenperioden gibt und dann wieder Starkregen, werden diese Böden zunehmend instabiler. Zwar kann sich tonhaltiger Untergrund durch Niederschlag wieder ausdehnen und so regenerieren. Fällt allerdings zu viel Regen auf die ausgedörrte Bodenschicht, fließt das Wasser an der Oberfläche ab, anstatt zu versickern. Die in der Trockenheit entstandenen Hohlräume, welche die Bauten darüber rissig werden und wegsacken lassen, bleiben weitgehend bestehen.

Die Komponenten des Expansionsharzes werden über Schläuche und Stahlrohre in den Untergrund injiziert.
Die Komponenten des Expansionsharzes werden über Schläuche und Stahlrohre in den Untergrund injiziert. (Foto: Benjamin Engel / oh)

„Das System aus Baugrund und Klima hat für Bauwerke wie historische Kirchen oder Schlösser jahrhundertelang funktioniert“, erklärt Bergforth. Doch nun könnten Schäden infolge veränderter Wetterlagen häufiger auftreten. Paradoxerweise liegt das auch an den Pflanzen, die das Klima sonst ja eher positiv beeinflussen. „Die Probleme mit den Gründungen sind ein sehr neues Phänomen“, sagt der Experte. Damit Böden während längerer Trockenperioden nicht zusätzlich ausgelaugt werden, empfiehlt Bergforth, Bäume und Sträucher viel dosierter und in ausreichendem Abstand zu den Bauten zu pflanzen – im Zweifel so weit, wie das jeweilige Gewächs hoch ist. Denn wenn es immer wieder anhaltend trocken ist, treiben manche Bäume ihr Wurzelwerk über lange Strecken im Untergrund voran und unterminieren auf der Suche nach Feuchtigkeit auch Fundamente. Abhilfe schaffen da etwa Wurzelsperren, sagt Bergforth.

Die Eurasburger Schlossmauer stammt laut Bauingenieur Erich Dietl aus dem Jahr 1930. Bereits 2018 ließ die Eigentümergemeinschaft den Torbogen behelfsmäßig mit einer Konstruktion aus Stahlrohrstreben und Fertigbetonplatten abstützen. Dafür mussten große Bäume gefällt werden. Laut dem geotechnischen Untersuchungsbericht eines Gutachters hatte der sehr umfangreiche nahe Baumbewuchs mitverursacht, dass der Boden infolge des Klimanwandels austrocknete und schrumpfte, bis sich die Mauer darüber einseitig setzte und schiefer wurde. Auch das Unternehmen Uretek stellte fest, dass der Boden in Richtung der wasserbedürftigsten Pflanzen ausgetrocknet war.

Lasersensoren und Senkbleie erfassen das Geschehen

Für die Sanierungsarbeiten wurde der Untergrund entlang des betroffenen Stücks Schlossmauer um den Torbogen aufgegraben. In den Boden hat das Uretek-Team laut Bauleiter Christian Knopp insgesamt 110 Stahlrohre getrieben, durch welche die Expansionsharzkomponenten eingespritzt werden. Die kommen über Schläuche aus Tanks auf einem großen Lastwagen. Damit nichts unkontrolliert daneben geht, hüllen die Mitarbeiter Plastiksäcke um die Stahlrohre, über die sie die Expansionsharze mit der Spritzpistole in den Untergrund pressen. An der Mauer angebrachte Lasersensoren und am Torbogen installierte Senkbleie erfassen das Geschehen genau.

Laut Bundesinstitut für Risikobewertung ist ausgehärtetes Polyurethan in der Regel ungefährlich für die Gesundheit. Sein Unternehmen sei schon bei vielen Projekten mit seiner Expansionsharz-Methode zur Bodenstabilisierung beauftragt worden, sagt Niederlassungsleiter Bergforth. Als Beispiel nennt er etwa das Zerwirkgewölbe in der Münchner Altstadt. Und die Sanierungsarbeiten an einer Kindertagesstätte in Ravensburg wurden für die Sendung mit der Maus gefilmt.

Den Fortschritt der Arbeit im Untergrund zeigt das Expansionsharz an der Eurasburger Schlossmauer selbst an: Wo es die Hohlräume im Boden bereits ganz verfüllt hat, quillt es nach oben und wird fachgerecht entfernt.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Bildung und Erziehung
:„Wir können Konflikten den nötigen Raum geben“

Anfangs fanden sie sich gegenseitig nur seltsam. Nun zeigen neun junge Menschen, was sie gemeinsam bei einem inklusiven und interkulturellen Theaterprojekt der Tölzer Jugendförderung erarbeitet haben. Ein Gespräch mit Clara Baumgartner über die Kunst, Erlebtes sichtbar und begreifbar zu machen.

Interview von Stephanie Schwaderer

Lesen Sie mehr zum Thema

  • Medizin, Gesundheit & Soziales
  • Tech. Entwicklung & Konstruktion
  • Consulting & Beratung
  • Marketing, PR & Werbung
  • Fahrzeugbau & Zulieferer
  • IT/TK Softwareentwicklung
  • Tech. Management & Projektplanung
  • Vertrieb, Verkauf & Handel
  • Forschung & Entwicklung
Jetzt entdecken

Gutscheine: