Eurasburg:Glücklich bis zum Schuss

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Schottische Hochlandrinder sind widerstandsfähig und können das ganze Jahr auf der Wiede bleiben. (Foto: Johannes Simon)

Ursula und Peter Goepfert züchten im Eurasburger Ortsteil Speck schottische Hochlandrinder, die sie auf der Weide erlegen lassen. Das erspart den Tieren Stress und wirkt sich auch auf den Geschmack der Steaks aus.

Von Benjamin Engel, Eurasburg

Jedes seiner Tiere kennt Peter Goepfert namentlich. An einem warmen Sommertag Mitte Juli hat die Hauptherde der 45 schottischen Hochlandrinder weitab seines Hofes m Eurasburger Ortsteil Speck Schatten gesucht. Als der 62-jährige Landwirt über die Wiesenkuppe in ihre Sichtweite tritt, laufen die Tiere sofort auf ihn zu. Der 13-jährige Leitstier Max trottet gemächlich hinterdrein. "Womöglich ist es ihm heute ein wenig zu warm", vermutet Goepfert.

Wohler fühlen sich die langhaarigen Hochlandrinder im Winter. An kalte Temperaturen sind die robusten Tiere bestens angepasst. Deshalb sind sie am Hof von Ursula und Peter Goepfert das ganze Jahr über auf den Weiden im Freien. Dort bringen die geschlechtsreifen weiblichen Tiere auch ihre Kälber auf die Welt. Um die zehn sind es in jedem Jahr.

So selbstverständlich, wie neues Leben auf den Weiden am Hof entsteht, geht es auch dort zu Ende. Auf ihrem Grund lässt das Ehepaar Goepfert um die zehn Rinder im Jahr von einem befreundeten Berufsjäger aus dem Landkreis Miesbach erlegen. Nachhaltig, denn nur so viel, wie Nachwuchs kommt, wird geschossen. Jeden Herbst ab Oktober kommt der Jäger mit einem Amtstierarzt fünf bis sechsmal zum auf einem Moränenzug bei Beuerberg gelegenen weitläufigen Anwesen der Goepferts. Jedes Mal erlegt er zwei Tiere mit gezielten Schüssen aus seinem Gewehr. Die Hochlandrinder haben dann zweieinhalb Jahre inmitten der Herde gelebt. Von ihrem Tod ahnen sie bis zuletzt nichts. Nach dem Schuss sacken sie leblos auf der Weide zusammen. "Es ist ein schönes Sterben", sagt Goepfert. "Die Herde steht daneben." Die Tiere spürten keinen Stress.

Für den Landwirt ist dies die einzige akzeptable Form des Tötens. Er und seine Frau haben sich aus Überzeugung dafür entschieden. "Wir haben Achtung vor der Kreatur, vor der Schöpfung", beschreibt Goepfert die Philosophie. Seine Tiere zum Töten in ein Schlachthaus zu fahren, ihre zunehmende Nervosität und Angst zu spüren, das bringe er nicht fertig, sagt er.

Diese Art der Schlachtung mit einem Kopfschuss auf der Weide ist bislang wenig verbreitet. Das Ehepaar Goepfert hat um eine Erlaubnis lange gekämpft. Vor fünf Jahren hat ihnen die Veterinärbehörde im Tölzer Landratsamt die ersehnte Genehmigung ausgestellt. Froh ist Peter Goepfert, dass ihn die zuständigen Amtstierärzte immer positiv unterstützt hätten. "Wenn wir Qualität haben wollen, gehören eine gescheite Haltung, eine gute Fütterung und ein gescheites Sterben dazu", erklärt er überzeugt.

Was Pioniere vor allem auch aus dem Allgäu schon lange praktizieren, greift nun die bayerische Staatsregierung auf. Nach den Covid 19-Masseninfektionen in einer westfälischen Fleischfabrik des Marktführers Tönnies sprach sich der Umwelt- und Verbraucherminister des Freistaats, Thorsten Glauber (Freie Wähler), für stärkere regionale Kreisläufe aus. Als eine Alternative zur industriellen Fleischproduktion nannte er explizit die Weideschlachtung.

Wenn der Jäger auf dem Hof der Goepferts seine Arbeit erledigt hat, übernimmt Metzgermeister Benedikt Schuh. Er schneidet dem Tier die Halsschlagader auf und lässt es noch auf der Weide ausbluten. Anschließend transportiert er es mit dem Frontlader zum Kühllaster und weiter ins Schlachthaus nach Baierbrunn. Dort werden die Tiere verarbeitet, das Fleisch zehn Tage lang kühl gelagert, ehe es wieder auf den Hof der Goepferts zurückkommt. Dort stellt das Ehepaar 20-Kilogramm-Mischpakete mit Suppen- und Bratenfleisch oder auch Würsten zusammen, die sich die Kunden noch am selben Tag abholen können. Für Alleinstehende oder Senioren gibt es kleinere Zehn-Kilogramm-Pakete.

Die Direktvermarktung funktioniert nur über Mund-zu-Mund-Propaganda. Es existiert keine Homepage. Trotzdem hat das Ehepaar Goepfert viel mehr Anfragen, als es erfüllen kann. So geschätzt ist das kurzfaserige, dunklere, magere und cholesterinarme Fleisch der Hochlandrinder. Die Herde zu vergrößern, kommt für beide aber nicht infrage. Sonst sind die Zucht und die Tätigkeit in der gemeinsamen Steuerkanzlei nicht mehr parallel zu schaffen. Und bei dieser Struktur soll es bleiben.

Für Tiere hat sich Peter Goepfert schon als Kind begeistert. Als er Jura an der Augsburger Universität studierte, lernte er seine Frau - eine Betriebswirtschaftlerin - kennen und heiratete. Damals war sein Schwiegervater, ein Rinderzüchter, bereits gestorben. Die Witwe hatte auf Bullenmast umgestellt. 150 Tiere standen auf dem Spaltenboden im Stall. Das wollten Peter und Ursula Goepfert keinesfalls weiterführen. Sie suchten nach einer Alternative, die sich gut mit der Tätigkeit in der Kanzlei kombinieren ließ.

So kamen sie auf die schottischen Hochlandrinder. 1987 kaufte das Ehepaar die ersten Tiere von einem Ickinger Züchter. Ausschlaggebend war, dass sich die Hausrindrasse für die ganzjährige Freilandhaltung eignet. Die Tiere gelten als widerstandsfähig und kalben leicht, ohne dass der Mensch im Regelfall groß eingreifen müsste.

Zum in Oberbayern verbreiteten Fleckvieh bilden die schottischen Hochlandrinder einen großen Kontrast. Die schwarz- bis braunfarbenen Tiere mit dem langen Zottelfell, dem über die Augen hängenden Pony und den geschwungenen Hörnern haben Peter Goepfert von Anfang an gefallen. "Weil sie so nett ausschauen", sagt er.

Mitglied im einem Bio-Verband ist der Betrieb nicht. Das braucht es auch nicht, findet Goepfert. Seine Tiere füttere er mit Heu und Heusilage vom eigenen Grund, schildert er. Das Gras werde im Frühjahr geschleppt und gewalzt. Auf Gülle zum Düngen verzichte er. Das Wasser für die Tiere stamme aus dem hofeigenen Brunnen. Die Kälbchen ernährten sich von der Muttermilch.

Bis zur jetzigen Größenordnung hat das Ehepaar Goepfert die Mutterkuhhaltung behutsam aufgebaut. Um Inzucht zu vermeiden werden die Kalbinnen, die weiblichen Tiere ohne Nachwuchs, nach einem Jahr von der Hauptherde mit dem Stier getrennt. Auf dem Hof mit knapp 40 Hektar Grund, auf dem teils jahrhundertealten Eichen stehen, sind die Hochlandrinder nicht alleine. Das Ehepaar züchtet noch um die 40 Stück Rotwild, das an Metzgereien oder Gastronomiebetriebe verkauft wird. Es gibt Pferde und ein paar Schweine. Eine Photovoltaikanlage auf dem Dach liefert Strom, Hackschnitzel Wärme. Der Hof sei ein rundes System, das für ihn und seine Frau gut funktioniere, sagt Goepfert. Und so wollten sie diesen auch für ihre beiden erwachsenen Kinder erhalten.

© SZ vom 25.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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