Erinnerungsprojekt Föhrenwald:Geschichte im öffentlichen Raum

Lesezeit: 2 Min.

Trotz negativem Rathaus-Votum hält der Badehaus-Verein an seinem Vorhaben für Zusatzschilder mit historischen Straßennamen in Waldram fest

Von Felicitas Amler, Wolfratshausen

Die Bürger fürs Badehaus fühlen sich "grundlegend missverstanden". So drückt es Sybille Krafft aus, die Vorsitzende des Vereins, der den Erinnerungsort Badehaus geschaffen hat und unterhält. Niemand im Verein habe erwartet, dass der Kulturausschuss des Wolfratshauser Stadtrats den Antrag auf ein Vorhaben ablehnen würde, das "Teil unseres Erinnerungsprojekts" sei, so Krafft. Kleine, ergänzende Täfelchen unter den Straßenschildern in Waldram hätten nach dem Konzept des Badehaus-Vereins die Historie des Orts augenfällig machen sollen. Denn Waldram - das ehemalige Föhrenwald - habe eine so einzigartige Geschichte, die sich eben in den Straßenbenennungen spiegle, sagt die Historikerin Krafft.

Tatsächlich gibt es dies wohl kaum an einem anderen Ort: In dem heutigen Stadtteil Waldram wurden die Straßen bereits dreimal unterschiedlich benannt. Es begann in der NS-Zeit mit Namen wie Danziger Freiheit, Elsässer- und Ostmark-Straße. Und es gab wie in praktisch allen Orten des sogenannten Dritten Reichs einen Adolf-Hitler-Platz. Solche Straßen- und Platznamen umfassen die erste Zeitgeschichtsphase: Das 1939/40 errichtete Föhrenwald war da eine NS-Siedlung für Arbeiter der benachbarten Rüstungsindustrie. Nach dem Kriegsende und der Befreiung vom Faschismus war Föhrenwald bis 1957 ein Camp für jüdische Überlebende der Shoa ("Displaced Persons"). Die Straßennamen wurden geändert in Independence Place, Illinois Straße und Auerbach-Straße - um bei der eingangs genannten Auswahl zu bleiben. Hitler verschwand aus dem Straßenbild, aus dem Platz wurde die Roosevelt-Straße.

"Es ging uns nicht darum, Straßen umzubenennen", sagt die Historikerin Sybille Krafft. (Foto: Harry Wolfsbauer)

"Ein Angebot zum Nachdenken"

Als schließlich die katholische Kirche das Gelände übernahm und kinderreiche deutsche Vertriebene ansiedelte, wurde nicht nur Föhrenwald in Waldram umbenannt, die Straßen heißen seitdem Kolpingplatz, Andreas- und Bettingerstraße. Und aus dem Adolf-Hitler-Platz wurden der Seminarplatz und die Thomastraße.

"Es ging uns nicht darum, Straßen umzubenennen", betont Krafft. Vielmehr könnten kleine Zusatzschilder schlicht "sachliche historische Informationen" bieten. "Es geht uns um Geschichte im öffentlichen Raum." Dass dabei auch die Phase des Adolf-Hitler-Platzes gezeigt würde, hält die Historikerin für selbstverständlich: "Weil's zur Geschichte gehört. Wir können das ja nicht ausblenden." Nach dem sorgfältig und zeichnerisch millimetergenau erarbeiteten Entwurf des Badehaus-Vereins ginge es um 69 Schilder, von denen 49 auf öffentlichem Grund stehen. Mit den 20 Privatleuten, an deren Häusern noch die alten Emailschilder angebracht seien, "hätten wir persönlich Kontakt aufgenommen", so Krafft.

Die Bürger fürs Badehaus halten an ihrem Erinnerungsprojekt in Gestalt kleiner informativer Schilder fest: "Es ist ein Angebot zum Nachdenken", sagt Krafft, "ein öffentliches Geschichtsbuch." Kürzer und prägnanter als mit den Zusatzschildern könne man Geschichte nicht vermitteln. Da der Kulturausschuss auf Intervention von Manfred Fleischer (Wolfratshauser Liste) alles auf den Adolf-Hitler-Platz fokussiert habe, sei das ganze Projekt gekippt worden.

© SZ vom 13.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Geschichte
:Keine Erinnerung an den Hitler-Platz

Die Wolfratshauser Stadträte lehnen einen Antrag für Zusatzschilder in Waldram ab. Der Badehaus-Verein wollte damit auf frühere Straßennamen aufmerksam machen.

Von Konstantin Kaip

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: