Sommerakademie in Ascholding:Der Guss der Muse

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Heißes Eisen: Teilnehmer der elften Sommerakademie in der Dietramszeller Kunstgießerei Kirchner und Schnappinger. (Foto: Manfed Neubauer)

Bildhauer Erich Sauer lehrt auch mit 91 noch den Umgang mit flüssiger Bronze.

Von Wolfgang Schäl, Dietramszell

Weißglühendes, flüssiges Metall: In der Kunstgießerei Kirchner und Schnappinger haben die Teilnehmer der diesjährigen Sommerakademie, die der Bildhauer Erich Sauer aus dem pfälzischen Frankenthal heuer zum elften Mal in Ascholding veranstaltet hat, einen ebenso komplizierten wie spannenden Vorgang miterlebt, in dem eine Menge schief gehen kann, und der deshalb eine Menge Sachkenntnis erfordert: Von 6 Uhr morgens an bis in die Nachmittagsstunden wurden die auf über 1000 Grad erhitzten und verflüssigten Bronzebarren in eine Form gegossen, ein aufwendiger, schwierig zu beschreibender Prozess, der mehrere Arbeitsschritte und viel Routine erfordert und als "Wachsausschmelzverfahren" betitelt ist.

Dafür wird zunächst ein Wachsmodell erarbeitet und mit Entlüftungskanälen versehen. Das Modell wird danach mit einem Formstoff ummantelt, der ausgeschmolzen wird, sodass ein Hohlraum entsteht, in den wiederum die geschmolzene Bronze gegossen werden kann. Zuletzt wird die Form dann zerschlagen, sodass das abgekühlte Objekt entnommen und der Rohguss am Ende bearbeitet werden kann. Wie Sauer erläutert, kann es beim Gießen passieren, dass die Form unwiederbringlich verloren geht und alle vorherigen, oft Wochen und Monate dauernden Bemühungen umsonst waren. Das Risiko ist dem Beruf des Bronzegießers nicht fremd.

Eigentlich wollte der 91-Jährige seine Ascholdinger Sommerakademie-Treffen aus gesundheitlichen Gründen schon beenden, hat die anstrengende Reise aber auch heuer auf sich genommen und will sich auch jetzt noch nicht festlegen, ob er vielleicht sogar im kommenden Jahr noch in die oberbayerischen Gefilde kommt, wo er seinen treuen Anhängern nicht nur mit Rat und Tat zur Seite steht. Er versteht sich auch als moralische Instanz, als Mahner und Visionär, der auch sein künstlerisches Werk in den Dienst einer besseren Zukunft der Menschen stellt. "Der Bronzeguss - Nöte, Ängste und Freuden" ist denn auch ein Kapitel innerhalb seines 400-seitigen schwergewichtigen Werkkatalogs überschrieben, in dem er nicht nur die handwerklichen Techniken seines Berufs darlegt, sondern auch die dahinter stehenden Ideen. "In meiner Arbeit spiegelt sich der Zustand der Welt", sagt Sauer, und: "Betroffenheit zwingt mich dazu, auf Missstände hinzuweisen und, wenn notwendig, auch anzuklagen". Das alles ist anstrengend, da ist sich Sauer mit einem anderen Visionär, Karl Valentin, einig: "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit."

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