Junge Familien können sich inzwischen selten ein neues Haus leisten, in Hochpreisregionen wie Bad Tölz ist das oft gar nicht mehr möglich. Bis zu 300 000 Euro fürs Grundstück, mehr als 700 000 Euro für die Immobilie – dies ist auch bei gehobenen Einkommen kaum zu stemmen. Deshalb hatte der Tölzer Stadtrat beschlossen, neun Parzellen im Neubaugebiet Hintersberg II, auf der sogenannten Zwickerwiese, in Erbpacht zu vergeben. So müssen Bewerber das Grundstück nicht kaufen, sondern können es mieten und zahlen dafür einen Erbpachtzins. Diese Regelung hat der Stadtrat jetzt mit zwölf zu neun Stimmen gekippt. Der Grund: Es dürfte nur wenige Interessenten geben.
14 Parzellen sind auf der Zwickerwiese verkauft. Im Vergabeverfahren wurden Punkte vergeben und eine Rangliste erstellt, die letzte Baufläche bekam ein Interessent, der noch hinter Platz 60 lag. Also jemand, der vermutlich genügend Geld gehabt hätte, um die normalen Immobilienpreise zu zahlen. „Für die 14 Parzellen waren über 60 geeignete Bewerber notwendig, um diese erfolgreich zu veräußern“, sagte Zweiter Bürgermeister Michael Lindmair (FWG). Das Problem sei nicht der Kaufpreis für das Grundstück, sondern die hohen Bau- und Baunebenkosten. Viele Interessenten hätten sich dadurch ein Haus nicht mehr leisten können. Außerdem habe schon die Bürgerbefragung vor vier Jahren gezeigt, dass das Interesse an Erbpachtgrund gering sei. „Dies ist jetzt auch nicht anders zu erwarten.“

Zusammen mit René Mühlberger (CSU), Willi Streicher, Michael Ernst (beide SPD) und Peter von der Wippel (FWG) stellte Lindmair den Antrag, die restlichen Parzellen zu verkaufen. Damit löste er eine lange und kontroverse Debatte aus. Vor allem die Grünen stemmten sich vehement dagegen, den Stadtratsbeschluss von 2021 wieder aufzuheben, neun städtische Bauparzellen für Dreispänner nach dem Erbbaurecht zu vergeben. Bärbel Weixner (Grüne) erinnerte ebenso wie Gabriele Frei (CSU) an eine Aussage von Bürgermeister Ingo Mehner (CSU), wonach über gefasste Beschlüsse nicht neu abgestimmt werden sollte. „Es wäre schön, wenn man sich daran halten würde“, sagte Weixner. Was die Erbpacht am Hintersberg angehe, so sei der aktuelle Bürgerwille noch gar nicht ermittelt worden. „Es gibt noch kein Verfahren, noch keine Bewerber.“
„Wir sollten nicht ein Verfahren abwürgen, das wir noch gar nicht begonnen haben.“
Die Argumentation der Antragsteller bezeichnete Toni Kollmeier (Grüne) als widersprüchlich. Viele Bauwerber seien abgesprungen, weil die Preise enorm gestiegen seien, umso wichtiger wäre aber das Erbbaurecht. „Wir sollten nicht ein Verfahren abwürgen, das wir noch gar nicht begonnen haben“, so Kollmeier. Seit der Bürgerbefragung 2020 habe sich viel verändert, da könne man nicht einfach sagen, „wir glauben auf keinen Fall, dass sich jemand meldet“. Kollmeier schlug vor, sechs Monate bis ein Jahr abzuwarten, um zu sehen, ob es Bewerbungen gibt. Johannes Gundermann (Grüne) stellte den Antrag, das Erbbaurecht zunächst auf drei Parzellen für einen Dreispänner zu beschränken: „Dann hat man Erfahrungen, wie das mit der Veränderung bei den Bürgern ist.“

Richard Hoch (Grüne) hatte gleich zu Beginn der Ratssitzung beantragt, das Thema von der Tagesordnung zu streichen – was mit neun zu zwölf Stimmen abgelehnt wurde. Er pochte auf den Beschluss von 2021. „Mir kann niemand erzählen, dass ich dieselbe Klientel kriege mit dem Grundstücksverkauf und mit der Erbpacht.“ Hoch rechnete vor, dass beim Kauf einer Parzelle im Wert von 300 000 Euro rund 18 000 Euro pro Jahr an Zins- und Tilgungsleistungen fällig würden. Dem hielt Michael Ernst (SPD) entgegen, dass es auch schwierig sei, die komplette Finanzierung einer Immobilie und des Erbpachtzinses zu bekommen. Dazu brauche man genug Eigenkapital. „Am Ende hat man die gleiche Klientel wie beim Verkauf.“
Die Politik des Stadtrats solle für Bürgerinnen und Bürger gemacht sein, im konkreten Falle denke er, „dass die Bürger für das Erbbauverfahren da sind“, befand Christof Botzenhart (CSU). „Weil es von einigen stark propagiert wurde.“ Mit Blick auf die Haushaltslage, die in den nächsten Jahren problematischer werde, müsse man „schon überlegen, ob wir es uns leisten können, auf den Verkaufserlös der Grundstücke zu verzichten“, warf Mühlberger ein. Deutlich wurde Anton Mayer (CSU). Er verwies darauf, dass die Erbpachtregelung vor vier Jahren ein Wahlkampfthema des Bürgermeister-Kandidaten Franz Mayer-Schwendner (Grüne) war. Nun sei es an der Zeit, „einen Schlussstrich zu ziehen, den Pfusch zu vergessen und sich grundsätzlich Gedanken zu machen, wie man jungen Tölzer Familien helfen kann“, sagte Mayer. Die meisten verdienten zwischen 2500 und 3000 Euro netto im Monat. Da gehe jede Finanzierung in die Hose.