Süddeutsche Zeitung

Energiewende:Wolfratshausen sponsert Rikscha-Dienst

Sarah und Leonie Brand profitieren vom Förderprogramm für nachhaltige Mobilität. Sonst kommt dieses nur Autobesitzern zugute

Von Konstantin Kaip, Wolfratshausen

Die Zwillinge Sarah und Leonie Brand bieten mit ihren "Spatzen-Rikschas" in Wolfratshausen einen Service, der ganz im Sinn der Verkehrswende ist. Ihre nur von Muskelkraft betriebenen und von Elektromotoren unterstützten Fahrrad-Taxis sind schließlich CO₂-neutral. Ihr kleines Unternehmen, das die Schwestern gerade mit einem klimafreundlichen Lieferservice erweitert haben, bekommt nun auch städtische Unterstützung: Im Zuge des Förderprogramms für nachhaltige Mobilität erhalten die jungen Frauen 3360 Euro für eine neue und zwei gebrauchte Rikschas. Das haben die Stadträte im Bauausschuss am Mittwoch einstimmig beschlossen.

Die Stadt Wolfratshausen bezuschusst seit 2019 die Anschaffung von Lastenpedelecs und E-Bikes für Gewerbetreibende und Privatpersonen mit 50 Prozent des Kaufpreises, maximal jedoch mit 1500 Euro. Das Programm, das den CO₂-Ausstoß im Stadtgebiet verringern soll, war bislang ein voller Erfolg: In den ersten beiden Jahren wurden insgesamt 106 Pedelecs, 24 Lastenpedelecs, zwei muskelbetriebene Lastenräder und zwei Radanhänger gefördert, die Stadt ließ dafür in Summe knapp 138 000 Euro springen. Die "Pedalifizierung" des Stadtverkehrs ist dank des großzügigen Programms also eindrucksvoll vorangeschritten.

Dieser Trend dürfte sich nun aber deutlich verlangsamen. Denn der Stadtrat hat auf die Bremse getreten, indem er die "Förderrichtlinie zur nachhaltigen Mobilität" novelliert und die Zuschüsse mit Hürden versehen hat: Seit Januar 2021 muss jeder, der eine Förderung für ein Rad beantragt, nachweisen, dass er damit mindestens 20 Prozent der jährlichen Fahrtkilometer seines Autos einspart - und zwar fünf Jahre lang. Neben dem Kaufvertrag für das E-Rad muss auch ein Kfz-Nutzungsnachweis mit Zulassungsbescheinigung, Versicherungsnachweis mit angegebener Jahreskilometerleistung und - einmal im Jahr - ein Foto des Kilometerstands im Auto-Tacho vorgelegt werden. Wer also die Wolfratshauser Förderung für ein Elektrorad will, muss es wirklich ernst meinen. Ein Pendler etwa, der sonst jährlich 30 000 Kilometer mit dem Auto gefahren ist, muss demnach mindestens 6000 Kilometer im Sattel sitzen. Und wer überhaupt kein Auto mit Verbrennungsmotor hat, muss auf die Förderung verzichten.

Diese Logik leuchtet den Grünen nicht ganz ein. Die Dritte Bürgermeisterin Annette Heinloth hatte das in der Juni-Sitzung des Stadtrats noch einmal deutlich gemacht. Wer zum Beispiel statt eines Autos ein Lastenpedelec anschaffen wolle, werde gar nicht erst berücksichtigt - obwohl er damit im Sinne der Richtlinie einen Beitrag zum Klimaschutz leiste. Die Energie- und Umweltbeauftragte der Stadt, Vivian Horngacher, begründete die neuen Regeln so: Ziel des Programms sei die Einsparung des Kohlendioxid-Ausstoßes. Wer aber vorher schon kein CO₂ ausstoße, könne eben auch keines einsparen. Aus den gleichen Gründen bekommen auch Besitzer eines rein elektrobetriebenen Autos den Kauf eines E-Bikes nicht bezuschusst.

Der Stadtrat hat auf Empfehlung Horngachers dennoch das Regelwerk nachgeschärft - und um einen Unterpunkt für "Sondermaßnahmen" ergänzt: So können nach der Förderrichtlinie nun Gewerbetreibende auch E-Räder fördern lassen, die von mehreren Mitarbeitern genutzt werden, etwa in einem Fuhrpark. Laut bisherigen Statuten ist ein förderfähiges Rad immer an ein Auto mit Verbrennungsmotor geknüpft. Die Räder hätten jeweils einzelnen Dienst- oder Privatautos der Mitarbeiter zugeordnet und mit deren Kilometerleistung verrechnet werden müssen - was in einigen Fällen nicht praxistauglich wäre. Über die Sondermaßnahmen entscheiden muss aber stets der Bauausschuss im Einzelfall. Den ersten davon gab es nun am Mittwoch mit den Rikscha-Zwillingen Sarah und Leonie Brand.

Die Stadträte waren einhellig der Meinung, dass deren Unternehmen eine "super Sache" sei, die den Förderzielen voll und ganz entspreche - auch ohne, dass die beiden einen Kfz-Nutzungsnachweis erbringen. Grünen-Stadtrat und Umweltreferent Hans Schmidt nutzte den Beschluss, um den Einwand seiner Fraktion noch einmal vorzubringen. Dass es diese Möglichkeit nicht auch für Privatpersonen gebe, sagte er, "leuchtet nicht ganz ein".

Laut Horngacher haben in diesem Jahr schon einige Bürger ihre Förderanträge angesichts der strengeren Regularien wieder zurückgezogen. Sie sieht darin eine Bestätigung, dass die Novellierung eine Finanzierung von Hobby-Rädern im "Mitnahme-Effekt" verhindert.

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Quelle:
SZ vom 09.07.2021
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