Energiewende im Landkreis:Erleuchtung mit geistlicher Hilfe

Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Ascholdinger Kronmühle zum Elektrizitätswerk umgebaut - unter Leitung eines Pfarrers.

Bernhard Lohr

Der Pfarrer von Ascholding war ein innovativer Mann. Josef Zintl nahm die Beichte ab, taufte die Kinder und bei ihm schlossen junge Menschen den Bund fürs Leben. Nebenbei war der Pfarrer aber auch Ökonom. Er war einer der letzten Pfarrer, die sich nicht nur ums Seelenheil der Menschen kümmerten, sondern auch eine Landwirtschaft betrieben.

Elektriizitätswerk Ascholding

Schwelgen in alten Zeiten, als Strom noch Mangelware war: Franz Zech, der Enkel des ersten Betriebsleiters im E-Werk Ascholding (rechts), und Heribert Zintl, Urgroßneffe des findigen Pfarrers.

(Foto: privat)

Als um das Jahr 1906 der Eigentümer der Kronmühle in wirtschaftliche Not geriet und diese versteigert wurde, setzte sich der Pfarrer dafür ein, dass die damalige Gemeinde Ascholding die kleine Mühle am Ortsrand kaufte. Findige Ascholdinger, angeführt von Zintl, bauten sie zu einem Elektrizitätswerk um, und im Dezember 1906 leuchteten die ersten Glühbirnen im Ort.

Bis 1963 lief die Anlage, erst dann wurde Ascholding an das Leitungsnetz der damaligen Isar-Amper-Werke angeschlossen. Für Franz Zech sind die Zeiten noch sehr nah, in denen Ascholding quasi eine energieautarke Gemeinde war. Er ist 1944 geboren und neben dem E-Werk aufgewachsen. Sein Großvater war erster Betriebsleiter, bevor sein Vater die Aufgabe übernahm und dann bis 1963 darauf achtete, dass die sensible Gleichstrom-Anlage reibungslos funktionierte.

Das war nicht ganz selbstverständlich. Für Spitzenlasten lief ergänzend zur Wasserturbine mit Generator immer auch ein Dieselmotor, der gewartet werden musste. Immer wieder gab es technische Probleme. Eine Herausforderung war es auch, genau dann genügend Strom zu liefern, wenn er gebraucht wurde. Nachts wurde das Wasser aufgestaut, damit tagsüber die Turbine laufen konnte. Und in 136 kniehohen Glaskuben steckten in einem Säurebad Bleiplatten, um mit diesen aus heutiger Sicht technisch abenteuerlich wirkenden Akkumulatoren elektrische Energie zu speichern.

Zech wirft nur ungern Sachen weg. Er hat in seinem Schuppen etliche angerostete Schalter aufgehoben, Voltmeter aus den 1920er Jahren und auf Marmorplatten montierte Stromzähler, die getrennt für Licht- und Kraftstrom den Verbrauch anzeigten. Denn es wurde getrennt abgerechnet.

Auch ein Akkumulator-Glaskubus findet sich dort, der aussieht wie eine überdimensionierte Vase, und viele, viele Unterlagen. In einem offenen Karton stecken die Bücher, in denen Zechs Onkel in fein säuberlicher Schrift notiert hat, wer wie viel Strom verbraucht hat und wie viel er der Genossenschaft schuldig war. Der Onkel habe akkurat darauf geachtet, dass alle ihre Stromrechnung bezahlten, sagt Zech.

So ist dokumentiert, dass zum Beispiel im Jahr 1937 Leonhard Lautenbacher als Hausherr des Holzwirts 161,30 Mark zu zahlen hatte, wovon 104,10 Mark für 347 Kilowatt Lichtstrom anfielen und 57,20 Mark für Kraftstrom. Josef Lautenbacher, Leonhards Sohn und heutiger Seniorchef des Holzwirts, erinnert sich auch noch an die Zeit, als die Ascholdinger ihren Strom selbst produzierten. Früher habe es kaum elektrische Geräte gegeben, sagt er. Irgendwann habe man die Metzgerei eingerichtet, das Haus sei expandiert. Heute liege die Stromrechnung für das stattliche Anwesen bestimmt über der Tausend-Euro-Grenze im Monat.

Anfang des vorigen Jahrhunderts brannte in einigen Bauernhöfen eine Glühbirne. Gerade einmal 17 Genossen gab es im Jahr 1907. Der Ascholdinger Hobbyhistoriker Franz Kastenmüller erzählt, dass in den Küchen lange noch ausschließlich Holzöfen standen und Waschmaschinen nicht existierten. Das änderte sich freilich.

Ende der 1950er Jahre stieß das kleine E-Werk bei 140 Genossen, die zunehmend mehr Strom bezogen, an seine Grenzen. "Der Strom hat nicht mehr gereicht", sagt Franz Zech, "am Schluss ist immer der Dieselmotor gelaufen." Und auch der hatte nicht mehr die 20 PS, wie der erste Hatz-Ein-Zylinder aus Ruhstorf. Seit 1954 wummerte ein Deutz-Viertakter mit 108 PS in der alten Mühle am Moosbach-Kanal.

Heribert Zintl hat als Kind den Geruch des Diesels geliebt. Der heute 78-Jährige verbrachte als Kind viel Zeit in der Nachbarschaft des Werks, weil seine Eltern 1942 dort am Bach ein Wochenendhäuschen errichtet hatten. Mit dem E-Werk verbindet ihn außerdem, dass der fortschrittliche Pfarrer, der 1906 die Genossenschaft auf den Weg brachte, sein Urgroßonkel war. "Wenn mich jemand fragen würde, mit wem ich gerne reden würde, dann wäre das dieser Pfarrer", sagt Zintl.

Der habe in der damaligen Zeit mit der Elektrizitäts-Genossenschaft Ascholding ein ungewöhnliches Projekt vorangetrieben. Zintl lässt gerade auch jetzt, da alle von der Energiewende reden, die Vorstellung nicht los, man könnte das alte E-Werk wiederbeleben. Doch außer den Resten in Zechs Schuppen ist davon nicht mehr viel da. Eine Künstlerin zog vor Jahren in die alte, erstmals im Jahr 1671 genannte Kronmühle und richtete sich dort ein Atelier ein.

Die Versorgung mit Gleichstrom über ein kleines, nicht weiter vernetztes Kraftwerk war nicht unproblematisch. Kastenmüller erzählt, dass die Bauern in Siegertshofen, das von 1928 an angeschlossen war, schon mal mit ihrer Arbeit warten mussten, wenn in Ascholding die Dreschmaschinen oder Jauchepumpen liefen. Nicht jedes Gerät war kompatibel. "Wenn jemand im Ort einen Kühlschrank kaufen wollte, hat er Pech gehabt", sagt er. Und wenn die Lichter flackerten, musste der Betriebsleiter schleunigst zum E-Werk laufen und zusätzliche Akkumulatoren aufschalten.

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