Lokale Energiewende:„Das ist auf jeden Fall ein Erfolgsmodell“

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Florian Schönberger, Geschäftsleiter von Vispiron Energy. Die Firma betreibt die Solartankstelle. (Foto: VISPIRON EPC GmbH & Co. KG/oh)

Florian Schönberger von „Vispiron Energy“ betreibt bei Egling eine innovative Solartankstelle – wie das Konzept „Preis nach Sonnenstand“ funktioniert und welche Herausforderungen die kalte Jahreszeit mit sich bringt.

Interview von Finn Sanders, Egling

„Preis nach Sonnenstand“ – dieses Konzept ist ein Novum bei Elektro-Ladesäulen. (Foto: VISPIRON EPC GmbH & Co. KG/OH)

Ende Juni wurde die Stromtankstelle an der Staatsstraße 2070, hinter dem Ortsausgangsschild von Egling in Richtung Wolfratshausen, eröffnet. Was beim Vorbeifahren ins Auge sticht, ist die Preistafel. Sie zeigt an, dass es dort ausschließlich Sonnenenergie zu tanken gibt. Und noch etwas ist ungewöhnlich: „Preis nach Sonnenstand“ steht auf der Anzeige. Je nach Tageszeit und Wetterlage bekommen Kunden die Kilowattstunde ab 22 Cent – direkt aus dem angrenzenden Solarpark. Doch wie geht es weiter, wenn die Tage kürzer und die Sonnenstunden weniger werden? Dazu äußerte sich Florian Schönberger, Geschäftsführer des Betreibers der Tankstelle „Vispiron Energy“, im Gespräch mit der SZ.

Herr Schönberger, „Preis nach Sonnenstand“ steht an Ihrer Solartankstelle. Heißt das im Umkehrschluss: keine Sonne, keine Kunden?

Florian Schönberger: Nee, nee, das soll es nicht heißen. Also „Preis nach Sonnenstand“ heißt im Endeffekt, wenn die Sonne scheint im Sommer, ist der Strompreis an der Börse günstiger. Diesen günstigen Strompreis, den wir ja im Stromhandel sehen, geben wir den Kunden weiter. Es gibt im Winter ja auch günstige Strompreise, aber im Winter ist es eher so, dass die Preise nachts günstiger sind als tagsüber.

Das heißt: Der Preis richtet sich eigentlich nicht nach dem Sonnenstand, sondern nach dem Marktpreis?

Eigentlich könnte man sagen: Preis nach Börsenpreis. Wobei, wenn wir Sonne vor Ort haben, haben wir noch einen zweiten Punkt: Wir haben dann Energie vor Ort und müssen die Energie von außen nicht einkaufen. Das heißt, wir sparen uns die Netzentgelte. Das ist natürlich für den Kunden ein Vorteil.

Für alle, die das Konzept bisher nicht kennen: Wie funktioniert „Preis nach Sonnenstand“?

Die Idee ist im Endeffekt die, dass am Standort – das ist ein großer Solarpark mit Batteriespeicher und den Ladesäulen – alles miteinander verknüpft ist. Wenn wir viel Sonne haben, das heißt viel Energie, dann wollen wir diese Energie nicht ins Netz abgeben, sondern an Ladekunden verkaufen. In der Situation drehen wir die Preise runter, um die Kunden mittags anzulocken. Das ist die Integration der Elektrofahrer in die Energiewende. Die sagen: Wenn ich mein Auto dann lade, wenn Energieüberfluss ist, habe ich zwei Vorteile: Ich schone die Umwelt und ich habe einen günstigen Preis.

Sie kaufen aber trotzdem Strom zu, wenn höherer Bedarf ist, als Sie produzieren?

Ja. An den kürzesten Tagen im Dezember ist es so, dass wir nicht so günstige Preise sehen werden, wie aktuell. Die Anlage hat mit fünf Megawatt auch im Winter die Möglichkeit, ein paar Stunden die Ladesäule zu versorgen. Im Winter werden wir aber auch von außen zukaufen müssen. Und dann haben wir natürlich den Nachteil, dass wir die Netzentgelte und auch die Steuern und Abgaben vom Strom bezahlen müssen. Das erhöht natürlich den Strompreis. Also es wird darauf hinauslaufen, dass tagsüber die Preise vielleicht nur mittags ein bisschen günstiger werden, aber dann tendenziell morgens und abends relativ hoch sind.

Wie sind Sie überhaupt auf die Idee gekommen, dieses Preismodell anzubieten? Gibt es Ähnliches woanders?

Die Idee kommt daher, dass wir an einem Standort so viel Wertschöpfung wie nur irgendwie möglich integrieren wollen. Ein regenerativer PV-Park ist im Endeffekt die ganze Wertschöpfungskette der fossilen Energien an einem Punkt. Davon kann man profitieren. Ein Elektroauto muss ja auch einen Kostenvorteil darstellen. Es kann ja nicht sein, dass ich, wenn ich ökologisch und nachhaltig fahre, am Ende teurer fahre als mit einem Diesel oder Benziner. Da wird kein Umstieg erfolgen. Wenn die Leute umsteigen sollen auf ein Elektroauto, dann müssen sie am Ende einen monetären Vorteil davon haben.

Die Ladestation ist seit Ende Juni im Betrieb. Wie gut funktioniert der „Testlauf“ aus Ihrer Sicht?

Sehr gut. Also alles, was Energietechnik und Energiemanagement angeht, funktioniert sehr gut. Wir leiden etwas an der Internetstabilität. Sobald wir ein schwaches Internet haben, bekommen wir Probleme mit dem Ad-hoc-Payment und auch mit der Datenkommunikation zwischen Fahrzeug und Ladesäule.

Nutzer berichten online von teils sehr niedrigen Ladegeschwindigkeiten, wenn mehrere Autos gleichzeitig laden. Wie kommt das?

Wir haben die Ladegeschwindigkeit jetzt sukzessiv erhöht. Wir haben am Anfang etwas langsamer begonnen, weil wir uns nicht so richtig getraut haben, voll aufzudrehen. Aktuell geben wir schon 300 Kilowatt in der Maximalleistung ab. Und wenn wir das Lastmanagement noch stabiler haben, werden wir die 480 Kilowatt voll freigeben. Ich hoffe, dass das so Anfang Oktober erfolgen wird.

Ist der „Preis nach Sonnenstand“ aus Ihrer Sicht ein Erfolgsmodell zum Nachmachen?

Das ist auf jeden Fall ein Erfolgsmodell. Wir haben vier Standorte in der Planung, beziehungsweise in der Umsetzung: Obersöchering, Schäftlarn, Maisach und in Lauf an der Pegnitz – da sind wir schon final in der Planung. Und dieses Konzept werden wir jetzt konsequent anwenden. Wir haben einige Partnerfirmen, die die Technik auch wollen, aber erfahrungsgemäß dauert es dann immer zwei, drei Jahre, bis die Konzepte auch wirklich bei den Partnern so weit sind.

Gab es Anfragen von potenziellen Nachahmern?

Ja, wir unterstützen die auch aktiv. Also wir wollen ja, dass uns viele Leute kennenlernen und finden, oder viele Firmen finden, die dieses Konzept nachahmen möchten.

Das heißt, Egling dient für Sie auch als Plattform, um Ihre Technologie bekannt zu machen?

Genau, richtig, ja.

Bei Egling steht die Tankstelle direkt neben Ihrem Solarpark und wird von dort aus mit Strom versorgt. Sie haben im Landkreis weitere Solarparks. Wollen Sie auch diese mit Ladestationen aufrüsten?

Es gibt in Eschenlohe ein Projekt, das würden wir gerne aufrüsten. Wir dürfen aber leider nicht, weil die Gemeinde uns nicht lässt. Die wollen keine Ladesäulen haben. Wir würden gerne die Solarparks, immer wenn es geht und wenn es rechtlich möglich ist, aufrüsten. Aber das ist manchmal nicht so leicht. Manche Standorte wie Icking sind nicht geeignet, da es keine Verkehrsanbindung gibt.

Mit Blick in die Zukunft: Sind wir bald alle Schönwetterlader?

Schönwetterlader oder Starkwindlader. Eins von beidem. Ich glaube schon, dass die Leute immer bewusster werden, wann Strom zu viel ist, wann Energie ökologisch ist, wann sie günstiger ist. Und ich hoffe, dass sich viele Leute bewusst werden darüber, dass es einfach Momente gibt, wo man ein Elektroauto sehr, sehr ökologisch laden kann.

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