Kristian-Nicol Worbs ist groß gewachsen. Er misst genau 1,93 Meter. „Und nun stellen Sie sich einmal vor, ich wäre 20 Zentimeter kleiner“, sagte der Geschäftsführer der Immobilienfirma Aureus GmbH aus Gmund, die am Dienstag einen ersten Planentwurf für das rund 6500 Quadratmeter große Post-Areal im Tölzer Stadtrat vorstellte. Vorgesehen ist dort auch eine Art Turm, der an der Kreuzung der Hindenburgstraße mit der Nockhergasse entstehen soll. Das gefiel nicht allen Stadträten. Christof Botzenhart (CSU) warnte vor „einem Hauch von Geretsried, den wir uns in die Innenstadt von Bad Tölz holen“. Durch den Vergleich mit seinen eigenen Körpermaßen versuchte Worbs, solche Bedenken mit dem Nötigen zu entkräften. Für ihn sei das neue Zentrum von Geretsried auch abschreckend, sagte er. „Das werden wir in Tölz keinesfalls machen.“
Der fünfstöckige Turm ist das einzige Element, das auf Kritik stieß. Alles andere fand unter den Stadträten nahezu uneingeschränkte Zustimmung. Die alte Post an der Hindenburgstraße ist mittlerweile zwar abgerissen, feiert aber im Planentwurf eine Auferstehung. Das ehemalige Gebäude sei „als Impulsgeber sehr wichtig“, sagte Architekt Johannes Ernst vom Münchner Büro Steidle und Professor an der Hochschule München. Es sei „im Gedächtnis der Stadt eine wichtige Figur“. An seiner Stelle soll daher ein Gebäude errichtet werden, das eine „kritische Rekonstruktion“ des Vorgängers darstellt. Den Skizzen zufolge sieht es auch beinahe gleich aus.
In das Untergeschoss soll ein Supermarkt einziehen, nachdem Edeka seine Filiale in der benachbarten Marktstraße aufgegeben hat. Die Kunden können ihn über eine großzügige Treppe, Fahrstühle oder Laufbänder erreichen. Im Erdgeschoss soll es eine Bäckerei oder eine Gastronomie, gegebenenfalls auch wieder eine Post geben. Im ersten Stock ist Platz für Wohnungen. Unter dem Supermarkt sind Tiefgaragen auf zwei Ebenen geplant. An dieses Hauptgebäude dockt sich der Turm an – mit Einzelhandel im Parterre, Büros im ersten bis dritten Stock, Wohnungen in der vierten und fünften Etage. Idealerweise könnte oben eine Dachterrasse entstehen, beispielsweise für eine Rooftop-Bar.
Hinter dem Hauptgebäude ist ein ebenfalls langgestreckter, leicht hufeisenförmiger, dreigeschossiger Baukörper vorgesehen, der das Areal im Westen abschließt. Darin sind Wohnungen in einem bunten Mix geplant, vom 25 Quadratmeter kleinen Single-Appartement bis zum 120-Quadratmeter-Familiendomizil. Fast alle von ihnen sollen einen eigenen Zugang erhalten, führte Ernst aus. Das entspreche dem Haus-in-Haus-Prinzip. „Nicht dem klassischen Mietskasernencharakter.“ Zwischen Haupt- und Wohngebäude, die beide die für Tölz typischen geneigten Satteldächer tragen sollen, liegt ein begrünter Innenhof. Der Turm bekommt ein Flachdach, das Platz für Terrassen, Solaranlagen oder Pflanzen bietet.
Diese Pläne seien nur „erste Überlegungen“, stellte Bürgermeister Ingo Mehner (CSU) klar. „Die Eigentümer müssen wissen, ob sie in diese Richtung weiter planen können.“ Können sie – darin waren sich im Prinzip alle Stadträte einig. Der Entwurf sei „wahnsinnig ansprechend“, befand Christine Brandl (CSU). Peter von der Wippel (FWG) hob die „enorme Aufwertung des Areals“ hervor. Und Zweiter Bürgermeister Michael Lindmair (FWG) lobte den gelungenen Mix aus Wohnen, Arbeiten und Versorgung in der Innenstadt: „Wir bekommen, was wir uns gewünscht haben.“
„Wir begehen für das Stadtbild einen großen Fehler.“
Wäre da nicht die Sache mit dem Turm. Der hätte noch höher ausfallen sollen, nach einer Präsentation in der Klausur des Stadtrats vor Kurzem in Landshut wurde er von sieben auf fünf Stockwerke verkürzt. „Immer noch zu hoch“, befand Julia Dostthaler (CSU). Botzenhart monierte, dass damit „die Maßstäblichkeit der Innenstadt“ verletzt werde. „Wir begehen für das Stadtbild einen großen Fehler, wenn wir diese Höhenentwicklung zulassen.“ Auch Gabriele Frei (CSU) warnte davor, einen Präzedenzfall zu schaffen. Für CSU-Fraktionssprecher René Mühlberger wirkt auch der verkleinerte Turm „im ersten Moment schon wuchtig“.
Andere Stadträte hatten damit kein Problem. Ihm sei ein Turm allemal lieber als eine weitere Bebauung im Innenhof, so Toni Kollmeier (Grüne). Der dürfe nur nicht zu einer städtebaulichen Dominante werden, ergänzte Richard Hoch (Grüne). Eine bessere Gestaltung des Ellbachs regte Matthias Winter (CSU) an, unterstützt von Michael Ernst (SPD). Es wäre schade, wenn der Bach neben dem Turm so im Schatten läge, eigne er sich doch für eine Aufenthaltszone, etwa für ein Café, erklärte Winter. Ulrike Bomhard (FWG) erinnerte daran, dass sich an der Stelle einst eine Tölzer Mühle drehte. Eine Mühle könne man dort zwar nicht rekonstruieren, vorstellbar wäre aber eine Info-Tafel, sagte Botzenhart.