Einzelhandel auf dem Land:Dorfladen to go

Einzelhandel auf dem Land: „Geh rei, der Dorflad’n is off’n“: So steht’s an der Tür des genossenschaftlichen Geschäfts, in dessen Teamleitung jetzt Kathy Ertl arbeitet.

„Geh rei, der Dorflad’n is off’n“: So steht’s an der Tür des genossenschaftlichen Geschäfts, in dessen Teamleitung jetzt Kathy Ertl arbeitet.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Das kleine Geltinger Geschäft will mit Hilfe des lokalen Anbieters Diloma Brotzeit und Mittagessen online anbieten und per Lasten-E-Bike liefern lassen. Das Isar-Kaufhaus ist mit Wolle und Kurzwaren dabei

Von Felicitas Amler

Als Frederik Gester in dem kleinen Wolfratshauser Gewerbegebiet an der Loisach gearbeitet hat, ist ihm schnell aufgefallen: "Es gibt hier nix zu essen." Nun, ein paar Jahre später, will er es selbst in die Hand nehmen, das zu verändern. Und nicht nur das. Gester plant einen Online-Lieferservice für stationären Einzelhandel. Neben anderen Interessenten wie dem Isar-Kaufhaus hat sich der Geltinger Dorfladen dafür angemeldet. Das kleine Geschäft könnte Brotzeit und Mittagessen für viele Betriebe im Umgriff anbieten, Gerster würde per Lasten-E-Bike liefern. Der Betriebswirt hat inzwischen sein eigenes Unternehmen, die Diloma GmbH in Geretsried. Bisher bietet er Online-Marketing an; der Bestell- und Lieferdienst soll Anfang Juli starten.

Für den Dorfladen eine schöne Chance, wie der Vorstandsvorsitzende Christian Seidl glaubt. Und zwar eine, die der Laden durchaus brauchen kann: Der Umsatz, der im Vorjahr die halbe Million überschritten hatte, ist im Jahr 2018 auf 496 000 Euro zurückgegangen, der Überschuss von 10 000 auf 6500 Euro gesunken, so wurde gerade in der Genossenschaftsversammlung bekanntgegeben. Nach Seidls Ansicht kein Grund zur Beunruhigung, aber ein Anlass, über Veränderungen nachzudenken. "Wir werden was tun müssen", sagt der Vorstandsvorsitzende, der dieses Amt soeben von Franz Wirtensohn übernommen hat. Der Landwirt und CSU-Stadtrat Wirtensohn, den Seidl respektvoll als "Papa vom Dorfladen" bezeichnet, wollte elf Jahre nach der Gründung des genossenschaftlichen Geschäfts Jüngeren Platz machen.

Und das ist auch im Laden selbst inzwischen geschehen. Dort arbeitet ein teils neues Team aus 18 Frauen. Und zwei Neue leiten es gemeinsam: Vera Kraus und Kathy Ertl. Die eine ist den Geretsriedern als Stadträtin, Vorsitzende der Freien Wähler und frühere Leiterin der Musikschule bekannt, die andere als Grafikerin und Journalistin. Beide haben kaufmännische Ausbildungen. Und im Gegensatz zu ihren Vorgängerinnen, die als Mini-Jobberinnen im Dorfladen tätig waren, sollen sie "marktgerecht bezahlt" werden, wie Seidl sagt. Das ist einer der Ansprüche des gesamten Vorstands. Wenn man außerdem bedenke, dass der Dorfladen Lebensmittel zu Marktpreisen einkaufe und von der Auszeichnungspflicht bis zur Hygiene dieselben Auflagen erfüllen müsse wie Supermärkte und Discounter, könne man nur "schauen, dass wir mehr Umsatz machen", sagt Seidl.

Einzelhandel auf dem Land: Co-Teamleiterin Vera Kraus.

Co-Teamleiterin Vera Kraus.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Regional und frisch

Der Laden in Geltings Mitte soll daher ansprechender gestaltet, im Sortiment gestrafft, aber um ein Mittagsmenü erweitert werden. Die Ladeneinrichtung wird erneuert, die Theke so aus- und umgebaut, dass außer warmem Leberkäse künftig auch heiße Speisen angeboten werden können. Und, so Seidl: "Wir wollen noch stärker auf regionale Frischware setzen."

Der Dorfladen soll ein Treffpunkt bleiben: "Hinsetzen, essen oder Kaffee trinken und ein bisserl ratschen", das sei nach wie vor das Angebot für die Kunden. "Wir wollen um Himmels willen nicht weg vom stationären Handel", betont der Vorstandsvorsitzende. Aber "zusätzliche Umsatzpotenziale" sollen erschlossen werden.

Und so sind Dorfladen und Diloma zusammengekommen. Für das Geltinger Geschäft möchte Geschäftsführer Gester einen "Brotzeit-Express" in Gang setzen. Kunden sollen online einen Tag im Voraus etwas zu essen bestellen können, was am nächsten Mittag bei ihnen zu Hause oder im Betrieb auf dem Tisch steht. Gerster wartet sehnsüchtig auf das Lasten-E-Bike, das er eigens in Schweden bestellt hat, weil es ein besonders gutes sei. Sobald es da ist, lässt er sich - bewusst regional - bei Hörschelmann im Geltinger Gewerbegebiet eine Box nach Maß anfertigen. Einen Kubikmeter Volumen soll sie haben. Und das Essen soll darin nicht mit Styropor warm- oder kaltgehalten werden, sondern - umweltfreundlicher - mit Stroh und eutektischer Kühlung.

Sobald alles parat steht, kann Gester auch seine neue Homepage freischalten, die Heimatbewusstsein und Digitalisierung schon namentlich verbindet: www.dahoamkaufen.de Für diesen "Marktplatz", wie er es nennt, möchte der Diloma-Geschäftsführer außer dem Dorfladen, mit dem er eine feste Absprache hat, noch mehr Händler gewinnen. Und so wirbt er um sie: "Um Internetbesucher in Online-Käufer umzuwandeln, bedarf es eines Online-Shops beziehungsweise einer Mitgliedschaft auf unserem Marktplatz." Das Isar-Kaufhaus habe bereits Interesse daran bekundet, sagt er, außerdem der Wolfratshauser Feinkost- und Kosmetik-Vertreiber Bavaria Selection sowie Autoteile-Anbieter Konrad mit seinen Standorten in Wolfratshausen und Geretsried.

Das Isar-Kaufhaus will mit 1400 Produkten aus dem Sortiment Kurzwaren und Wolle beginnen, erklärt Geschäftsführer Frederik Holthaus. Wenn es gut läuft, sollen die Schreibwaren folgen. Zwei Herausforderungen seien zu meistern gewesen, erklärt er: die Vernetzung des hauseigenen Warenwirtschaftssystems mit dem Online-Service der Diloma und Bilder und Textbeschreibungen für die Produkte. Holthaus weiß, dass andere Einzelhändler sich noch nicht auf den digitalen Marktplatz trauen. Er aber findet, wenn jeder nur abwarte, könne nichts besser werden.

Gester will mit dem Lasten-E-Bike Kunden in Geretsried, Wolfratshausen und Eurasburg ansteuern; ob auch Icking und Münsing zu schaffen wären, überlegt er noch. Und im Gegensatz zum geplanten "Express" für den Dorfladen veranschlagt er bei anderen Partnern kürzere Fristen: Wenn eine Bestellung bis 10 Uhr eingeht, soll die Ware am selben Tag geliefert werden, in einem "Zeitfenster" von 13 bis 15 Uhr. Ob er da bei mehreren Bestellungen gleichzeitig mit einem E-Bike auskommen wird? "Wir werden es testen", sagt Gerster. Und: "Wir haben auch noch einen kleinen Transporter."

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Einzelhandel auf dem Land: Drei von 18 Mitarbeiterinnen: Romy Haude, Barbara Scheidl und Gabi Lembke (v.l.).

Drei von 18 Mitarbeiterinnen: Romy Haude, Barbara Scheidl und Gabi Lembke (v.l.).

(Foto: Hartmut Pöstges)

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