Ein trauriger Abschied in Penzberg:Die erste Schicht ist die letzte

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Proteste und Kundgebungen (hier mit Betriebsrat Bayram Yerli) haben die HAP-Schließung nicht verhindert. (Foto: Manfred_Neubauer)

Hörmann Automotive Penzberg stellt an diesem Dienstag den Betrieb ein. Die Mitarbeiter-Versammlung wurde wegen Corona-Gefahr abgesagt

Von Benjamin Engel, Penzberg

Das Ende wird schlicht sein und damit ganz anders als geplant: Auf dem Gelände von Hörmann Automotive Penzberg (HAP) an der Seeshaupter Straße endet an diesem Dienstag um 13.45 Uhr die erste Tagesschicht. Für die verbliebenen Mitarbeiter wird es die letzte sein. Davon geht Betriebsrat Bayram Yerli aus. Denn an diesem Tag schließt das HAP-Werk wie lange angekündigt endgültig. Die übrig gebliebenen Beschäftigten werden dann zum Werkstor hinausgehen - mehr wohl nicht. Die für diesen Dienstag ursprünglich geplante Betriebsversammlung ist abgesagt. Yerli und seinen Kollegen war das Ansteckungsrisiko wegen steigender Coronavirus-Infektionen in Deutschland zu hoch. "Dass es endet, ist traurig, aber dass es so endet, ist noch einmal trauriger", sagt Yerli am Montag.

Der Zusammenhalt im Penzberger Werk ist groß. Für die Betriebsversammlung hätte Yerli auch viele ehemalige Mitarbeiter im Ruhestand erwartet. "Es ist eine Familie", erklärt der Betriebsrat. Im Werk seien manche jahrzehntelang beschäftigt gewesen. Er selbst sei dort sein ganzes Arbeitsleben tätig. 1987 habe er dort die Ausbildung begonnen. "Das sind 33 Jahre." Als ob er von seiner Familie getrennt würde, so empfinde er das Aus für das Werk.

Ursprünglich waren mehr als 700 Mitarbeiter am Penzberger Standort des Automobilzulieferers tätig. Davon übrig geblieben waren laut Yerli offiziell noch mehr als 200 Beschäftigte mit dem Kündigungsdatum Ende Juni. "Im Betrieb waren es noch an die hundert", berichtet er. Denn viele hätten Überstunden abgebaut oder Urlaub genommen. Im Werk sei deutlich weniger als bisher produziert worden. "Zum Schluss haben wir die Zeit rumgebracht."

"Ich hätte Mut zugesprochen"

Auf der Betriebsversammlung wäre es hauptsächlich darum gegangen, Abschied zu nehmen, sagt Yerli. Denn am letzten Tag vor dem Werks-Aus stehe kaum noch ein anderes Thema auf der Agenda. "Ich hätte aber keine Trauerrede gehalten", sagt er. "Ich hätte Mut zugesprochen." Denn so traurig und bitter alles sei, eröffneten sich vielleicht doch neue Chancen. Allerdings geht er davon aus, dass viele erst einmal ohne ein neuen Job aus dem Betrieb ausscheiden werden. Noch im März sei er sehr zuversichtlich gewesen, dass jeder schnell eine neue Stelle finden könnte. "Corona hat uns einen gewaltigen Strich durch die Rechnung gemacht. Die Pandemie habe die Situation verschlimmert. Wie viele Mitarbeiter bislang einen neuen Job gefunden hätten, könne er nicht beantworten.

Vom Ende einer Ära spricht Yerli. Mitte der 1960er Jahre hatte das Unternehmen MAN begonnen, am Gelände Omnibusse zu fertigen. 2005 wurde das Werk mit der Automotive Components Penzberg GmbH (ACP) zur eigenständigen Gesellschaft. Dann übernahm HAP. Im Vorjahr hatte die Belegschaft die Nachricht überrascht, dass das Penzberger Werk schließen soll. Mit der starken Konkurrenz aus Osteuropa und dem hohen Preisdruck in der Nutzfahrzeugindustrie hatte das Unternehmen das Aus begründet. Ein Großteil der Penzberger Produktion soll in ein 2017 in der Slowakei eröffnetes Werk verlagert werden.

Um einen Sozialplan und Abfindungen hatten die Gewerkschaft IG Metall und HAP lange gerungen. Der Standort Penzberg sei nicht an der Belegschaft gescheitert, findet Yerli. Die Mitarbeiter hätten Opfer gebracht. Die Belegschaft könne "erhobenen Hauptes" aus dem Werk gehen. Das, sagt Yerli, hätte er auf der Betriebsversammlung noch einmal deutlich machen wollen.

© SZ vom 30.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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