Süddeutsche Zeitung

Ein Anruf bei...:Kreativtüten für Kinder

Die Corona-Krise setzt in der Wolfratshauser Künstlerin Gabi Hüttl einen ungebremsten Schaffensdrang frei. Sie motiviert mit ihren kreativen Einfällen ihre Nachbarschaft zum Spielen und Basteln

Interview von Stephanie Schwaderer

All ihre Kunst-Projekte und Workshops sind derzeit auf Eis gelegt. Untätig ist die Wolfratshauser Künstlerin Gabi Hüttl deshalb aber nicht. Im Gegenteil: Die Corona-Krise befeuert offenbar ihren Schaffensdrang. Davon profitiert in diesen Tagen auch ihre Nachbarschaft in Nantwein.

SZ: Guten Morgen, Frau Hüttl, seit wann sind Sie schon auf den Beinen?

Gabi Hüttl: Ich hab so viel zu tun! Um halb sieben bin ich hellwach und lege los. Mir gehen so viele Sachen durch den Kopf: Was kann ich Gutes tun, wen kann ich ein bisschen aufmuntern? Für die Kinder in der Nachbarschaft überlege ich mir Spiele und Bastelangebote, damit sie beschäftigt sind.

Eine ungewöhnliche Form der Nachbarschaftshilfe.

Ich hatte schon immer eine gute Beziehung zu meinen Nachbarn. Ich mag dieses Miteinander. Das ging damit los, dass ich viel mit dem Hund gelaufen bin. Die Leute sind im Garten, man kommt ins Gespräch, sieht Kinder herumtollen, so lernt man sich kennen. Die Familien müssen gerade so viel Zeit daheim verbringen. Deshalb lasse ich mir immer wieder etwas für sie einfallen.

Was denn zum Beispiel?

Bilder mit Schmetterlingshänden oder fahrende Osternester, die kommen gerade gut an.

Wie bastelt man ein fahrbares Osternest?

Man braucht dazu nur einen Eierkarton, den hat praktisch jeder zu Hause. Und dann noch vier Astscheiben, Schaschlikspieße, Strohhalme und eben eine Anleitung. Das Material packe ich in Kreativtüten und hänge sie den Kindern an die Tür.

Bekommt jedes Kind die gleiche Tüte?

Nein, da überlege ich mir schon, was wem gefallen könnte. Mit kleineren Kindern kann man zum Beispiel toll Schnüre filzen. Ich habe noch viel bunte Wolle im Atelier. Dann braucht man nur noch Seifenwasser und ein Handtuch als Unterlage. Die Kinder müssen kräftig ihre Hände einseifen - das passt ja gerade ganz gut - und dann können sie losrollen. Aus solchen Schnüren lassen sich Haarbänder oder Schlangen fertigen, die man um den Hals oder als Armband tragen kann.

Woher nehmen Sie das Material und die Ideen?

Viele Sachen stammen noch aus der Zeit, als ich in Unering eine Kunstschule leitete. Zehn Jahre lang habe ich dort Kurse für alle Altersgruppen gegeben. Schon damals habe ich mich immer von dem Material inspirieren lassen, das gerade zur Verfügung stand. Manchmal bekamen wir Spenden, oft bin ich aber auch einfach vor die Tür gegangen und habe geschaut, was die Natur gerade zu bieten hatte.

Kommen Ihre Kreativangebote bei den Nachbarskindern an?

Oh ja. Es gibt viele Rückmeldungen. Die kleine Maja, sie ist mein Liebling, hat mir vor Kurzem einen Zweig mit selbstgebastelten Schmetterlingen vor die Haustür gestellt. So etwas freut mich natürlich sehr.

Womit beschäftigen Sie sich selbst?

Vor allem mit dem Nähen von behelfsmäßigen Atemschutzmasken. Seit Tagen durchforste ich meine Stoffvorräte und nähe individuelle Modelle für die Familie und für Freunde. Mein kleiner Enkel, er wohnt in München, bekommt eine mit einem Elefanten. Das einzige Hindernis ist meine uralte Nähmaschine, die immer wieder streikt. Aber zehn Päckchen habe ich gestern schon weggeschickt.

Die Krise setzt bei Ihnen große Kräfte frei?

Ich bin kein Mensch, der sich hinsetzt und jammert. Dadurch, dass ich anderen eine Freude mache, halte ich mich aufrecht. Ich spiele wieder, erfinde, freue mich mit den anderen.

Was wird Ihnen an Ostern fehlen?

All die Freunde, die sonst immer zum Osterbrunch zu uns gekommen sind. Und natürlich unsere Tochter und ihre Familie. Sie ist schon 35, hat aber noch immer jedes Jahr auf die Eiersuche bestanden. Wir haben uns jetzt überlegt, wie wir das machen. Mein Mann wird die Eier im Garten verstecken und dann muss er sie über Whatsapp nach Anweisung suchen.

Die Anleitung fürs fahrbare Osternest verschickt Gabriele Hüttl auf Anfrage unter gabriele.huettl@freenet.de

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Quelle:
SZ vom 11.04.2020
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