Ehrenamtliche Integration:Viele Unterstützer, kaum Wohnungen

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Der Asylhelferkreis Bichl und Benediktbeuern ist sehr engagiert, fühlt sich aber manchmal von der Regierung ignoriert

Von Petra Schneider, Benediktbeuern

Seit eineinhalb Jahren lebt Luul in Benediktbeuern. Sein Zuhause ist ein Zimmer im Energiepavillon des ZUK, das er sich mit anderen Geflüchteten teilt. Auf die Frage, was er gut findet in Benediktbeuern, antwortet der 22-jährige Eritreer: "Die Menschen hier." Sie hätten ihm immer geholfen. "Und sie sagen auf der Straße einfach Hallo." Aus seiner Heimat ist Luul geflohen, weil "ich frei sein will". In Eritrea herrsche eine Militärdiktatur und es gebe keine Zukunft.

Mit seinem Landsmann Hassen steht er am Mittwoch im Pfarrheim und beantwortet Fragen, beide sprechen schon recht gut deutsch. Hassen hat seine kleine Tochter auf dem Arm; sie ist in einem Auffanglager in München geboren und vor kurzem zwei Jahre alt geworden. Deutschland sei das beste Land in Europa, sagt Hassen. Er hat einen Integrationskurs gemacht und sucht einen Ausbildungsplatz als Maler. Luul geht in die Berufsschule, sein Traum wäre eine Schreinerlehre.

Beim Treffen des Helferkreises geht niemand nach dem offiziellen Teil nach Hause. (Foto: Manfred Neubauer)

Was hier nicht so gut läuft? Da müssen die beiden nicht lange überlegen: dass sie keine Wohnung finden. Gut 30 Interessierte sind zur Informationsveranstaltung des Asylhelferkreises Bichl/Benediktbeuern gekommen, zu der der ehrenamtliche Koordinator Stefan Frost eingeladen hat. Nach dem offiziellen Teil geht niemand gleich nach Hause - Einheimische und Afrikaner essen zusammen und unterhalten sich angeregt.

Es ist ein selbstverständliches Miteinander, das sich in den vergangenen drei Jahren entwickelt hat. 48 Menschen aus Eritrea, Mali, Somalia und Nigeria leben in den beiden Gemeinden. Insgesamt 65 Helfer leisten dort praktisch eine eins zu eins Betreuung. Die Flüchtlingsfamilien sind meist im Gasthof "Bayerischer Löwe" in Bichl untergebracht, alleinstehende Männer leben in der Unterkunft im ZUK. 40 Prozent sind mit Integrationskursen beschäftigt, 28 Prozent haben einen Vollzeitjob, vier Prozent machen ein Praktikum.

Viel Lob bekommen heimische Betriebe für ihre Bereitschaft, Flüchtlinge einzustellen oder ihnen Praktikumsstellen anzubieten. Jobs im Ort seien wichtig, weil die Flüchtlinge auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen seien.

Kritik gibt es beim Thema Wohnungsbau: In Benediktbeuern fehlten bisher konkrete Planungen für die dringend benötigten Sozialwohnungen, sagt Anna-Elisabeth Rauh. Wie Diakon Hubertus Klingebiel erklärt, sollen diese auf dem Grundstück neben dem Studentenwohnheim, das der Kirche gehört, gebaut werden. "Nicht nur für Flüchtlinge, sondern auch für Familien und Studenten." Sehr viel laufe bei der Integration positiv, sagt Klingebiel. "Aber es macht nicht alles Freude": der Mangel an bezahlbaren Wohnungen, der mühsame Spracherwerb, Kurse, die oft nicht abgestimmt seien; verweigerte Arbeitserlaubnis für Menschen ohne Bleibeperspektive, Abschiebung in "sichere Herkunftsländer". "Dass jemand nach Afghanistan zurückgeschickt wird, das ist ein Punkt, der mich belastet", sagt der Diakon.

Stefan Frost ist der Koordinator von 65 ehrenamtlichen Asylhelfern. (Foto: Manfred Neubauer)

Applaus gibt es für seine Kritik an der Regierung, die die Kompetenz der Helferkreise ignoriere. In Bichl und Benediktbeuern engagiert sich eine heterogene Gruppe "aus allen Bevölkerungsschichten und Generationen", sagt Marlies Sitzberger-Jall vom Steuerteam des Helferkreises. "Und es kommen immer noch neue Leute dazu." Große Unterstützung leisteten die beiden Gemeinden, die Pfarreien und das Kloster. Auch die Kooperation mit Schule und Kindergärten funktioniere gut.

Eine Herausforderung sei es nach wie vor, Menschen aus Ländern, die keine lateinische Schrift kennen, Deutsch beizubringen. Dazu noch der Dialekt, "da treffen die Flüchtlinge auf zwei Sprachwelten", sagt Sitzberger-Jall. Inzwischen seien die Aufgaben vielfältiger geworden, die Helfer fungierten verstärkt als "Brückenbauer zu potenziellen Arbeitgebern und Vermietern." Man müsse schon aufpassen, dass sich das Ehrenamt nicht zu einem Vollzeitjob auswachse, sagt die pensionierte Lehrerin. Sie empfinde die Aufgabe im Helferkreis als Bereicherung. "Ich habe interessante Leute kennen gelernt - aus anderen Ländern und aus Benediktbeuern und Bichl."

© SZ vom 24.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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