Freiwilliges EngagementGenerationenwechsel im Ehrenamt

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Die Komische Gesellschaft hat es geschafft, den Staffelstab zu übergeben (v.li.): Manuel Papapicco, Verena Peck, Charlotte Rein und Marc Schröder.
Die Komische Gesellschaft hat es geschafft, den Staffelstab zu übergeben (v.li.): Manuel Papapicco, Verena Peck, Charlotte Rein und Marc Schröder. (Foto: Manfred Neubauer)

Immer mehr Vereine leiden unter Nachwuchssorgen, insbesondere auf der Führungsebene. Wie man Nachwuchstalente finden und fördern kann, dazu gibt es Programme und Beispiele.

Von Philipp Rahn, Bad Tölz-Wolfratshausen

Charlotte Rein studiert Anglistik und Theaterwissenschaft in Erlangen. Gebürtig stammt sie aus Bad Tölz, dort verbringt sie auch gerade die vorlesungsfreie Zeit. Denn Ende des vergangenen Jahres hat Rein den Vorsitz der Komischen Gesellschaft (KG) in Bad Tölz übernommen, mit 19 Jahren. Ihre Vorgängerin, Verena Peck, wollte den Verein nach 13 Jahren an der Spitze an eine jüngere Generation übergeben. Mit ihr wollte auch der restliche Vorstand der KG Platz machen. Also übernahmen Rein und vier weitere junge Menschen den Vorstand des Vereins.

Dass es nicht in allen Vereinen im Landkreis so reibungslos mit dem Generationswechsel funktioniert, hat das Kreisbildungswerk mit einer Onlinebefragung im vergangenen Herbst herausgefunden. Bei der Befragung, an der über 200 ehrenamtlich engagierte Personen teilgenommen haben, wurde unter anderem "Generationenwechsel & Recruiting von Jüngeren" als wichtiger Themenwunsch genannt. Für die Unterstützung des Ehrenamts hat das Kreisbildungswerk daher eine regionale Weiterbildungsoffensive mit dem Titel "Fit für Ehrenamt& soziale Führung" aufgelegt. "Uns triggert da die Frage: Was brauchen Menschen im Ehrenamt, die in der Verantwortung sind? Und wie können wir als Bildungseinrichtung da als verlässlicher Partner unterstützen?", sagt Andreas Käter, Geschäftsführer des Kreisbildungswerks.

Der Geschäftsführer des Kreisbildungswerks Andreas Käter.
Der Geschäftsführer des Kreisbildungswerks Andreas Käter. (Foto: Hartmut Pöstges)

Das Problembewusstsein im Landkreis fehlt

Mit dem Programm wolle man aktuelle Führungskräfte unterstützen und Nachwuchstalente finden und fördern, so die Projektleiterin Ruth Busl, die die Reihe im Kreisbildungswerk betreut. "Wie kann ich mit dem Druck fertig werden? Welche Kompetenzen muss ich haben, um neue Mitglieder zu finden und zu binden?", das werde unter anderem in der Reihe behandelt, so Busl. Ihr zufolge sei insbesondere die Mitgliederbindung in Zukunft ein Problem. Doch bereits jetzt bestünden große Nachwuchssorgen im Ehrenamt. "Es jammert jeder Vorstand über fehlenden Nachwuchs", sagt die Projektleiterin. Dennoch sei das Bewusstsein für die Nachwuchsproblematik im Landkreis bislang nicht sonderlich ausgeprägt.

Renato Wittstadt hat den Vorsitz des Vereins zur Förderung der gemeinsamen Erziehung behinderter und nicht behinderter Kinder übernommen.
Renato Wittstadt hat den Vorsitz des Vereins zur Förderung der gemeinsamen Erziehung behinderter und nicht behinderter Kinder übernommen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Nachwuchssorgen gibt es auch im Verein zur Förderung der gemeinsamen Erziehung behinderter und nicht behinderter Kinder. Renato Wittstadt hat den Vorsitz des Vereins vor etwa einem Jahr übernommen, er ist erst der dritte Vorsitzende in der über 38-jährigen Vereinsgeschichte. Für die Vorstandsneuwahlen fehlte noch eine Person, doch Wittstadt ist "zuversichtlich, dass es weitergehen kann." Das sei ihm auch persönlich ein Herzensanliegen, hat der Verein mit der Gruppe "Theater für alle" und der "Spielgruppe Kinderwelt" in Waldram zwei nach wie vor gut laufende und aktive Gruppen im Angebot. "Die einfach so im Regen stehenzulassen, widerstrebt mir", sagt er.

Derzeit sei bei ihm auch ein gewisses Maß an Frustration dabei, eben weil es gerade nicht so gut laufe. Ein Verzicht auf ehrenamtliches Engagement kann sich Wittstadt dennoch nicht vorstellen. "Das sind total erfüllende Aufgaben. Da kommen immer wieder Eltern und Kinder auf mich zu, die bedanken sich." Er wünsche sich, dass sich für den Verein nun noch Leute fänden, die das Anliegen teilen. Für Wittstadt bedeute Ehrenamt zudem, dass man geistig fit bleibe. Vor zwei Jahren ist er in den Ruhestand gegangen. Da es großen Bedarf im Ehrenamt gebe, habe er den Vorsitz des Vereins übernommen. "Es bereichert auch das Leben, wenn man einfach nochmal etwas Neues anfängt."

Die Babyboomer in die Vorstände bringen

Das Kreisbildungswerk fahre derzeit dreigleisig, was die Beratung von Vereinen angehe, sagt Ruth Busl. Neben der Unterstützung von bereits aktiven Führungskräften und der Rekrutierung junger Nachwuchskräfte beschäftige sie insbesondere die Frage, wie man die sogenannten Babyboomer, also die Generation der steigenden Geburtenraten aus den Nachkriegsjahren, in die Vorstände bekomme. Gerade diejenigen die, wie etwa auch Renato Wittstadt, gerade in den Ruhestand gegangen sind oder kurz davor stehen, seien für die Vereine von großem Wert. "Die Babyboomer neigen nicht dazu, ihre Freizeit zu verschwenden", sagt sie. Zudem werde aus ihrer Sicht der Generationendialog immer wichtiger und entscheidender.

Dazu zähle auch, dass die Babyboomer ihre Fertigkeiten und Kenntnisse an jüngere Generationen weitergeben. "Es ist ein geballtes Wissen bei den Babyboomern vorhanden. Das ist die Pflicht dieser Generation: ihr Wissen weiterzugeben", sagt sie. Neben der Veranstaltungsreihe mit Seminaren und Vorträgen biete das Kreisbildungswerk daher Vereinen derzeit auch die Möglichkeit kostenfrei auf Coaches, Berater und Trainer zurückzugreifen. Diese sollen den Führungskräften als Sparringspartner oder Mentoren zur Verfügung stehen.

Charlotte Rein leitet die Komische Gesellschaft.
Charlotte Rein leitet die Komische Gesellschaft. (Foto: Manfred Neubauer)

Auf diese Angebote plant Charlotte Rein derzeit nicht zurückzugreifen. Die 19-jährige Vorsitzende der KG fühlt sich auf ihre neue Aufgabe gut vorbereitet, auch weil die vormalige Vorsitzende Verena Peck ihr weiterhin bei organisatorischen Fragen zur Seite stehen werde. "Ich weiß nicht, ob die es so weiterführen, wie wir es gemacht haben, aber das macht ja nix", sagt Peck. Ihr sei wichtig gewesen, der jungen Gruppe um Rein klarzumachen, dass sie freie Hand beim Verein haben: "Ihr dürft das komplett übernehmen, wir Alten machen uns vom Acker. Wir helfen euch bei dem Orga-Kram, aber ansonsten habt ihr komplett freie Hand."

Das habe Rein auch geholfen bei der Übernahme ihres neuen Amtes: "Das ist natürlich schon toll, dass uns das auch zugetraut wurde und wir das Privileg hatten, dass wir jetzt quasi machen können, was wir wollen." Derzeit befinde sich der neue Vorstand im Planungsprozess für die erste Aufführung. Heuer feiert die KG ihr 30-jähriges Bestehen. Im Herbst soll es dazu ein Feierwochenende geben. Mit verschiedenen Theaterstücken und Kurzgeschichten, "einfach, um uns da auch ein bisschen auszuprobieren und mal zu schauen, was taugt unseren Leuten, die da mitspielen? Und was macht uns Spaß zu inszenieren?" Ein Wochenende also, wie es sich Peck für den neuen Vorstand gewünscht haben dürfte.

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