Offener Brief:Existenzbedrohende Eskalation verhindern

Offener Brief: Andreas Wagner aus Geretsried.

Andreas Wagner aus Geretsried.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Andreas Wagner schreibt als ehemaliger Bundestagsabgeordneter an die aktuellen Wahlkreisvertreter, bei Abstimmungen zum Ukraine-Krieg auf ihr Gewissen und nicht auf die Fraktion zu hören.

Von Claudia Koestler

Der ehemalige Bundestagsabgeordnete der Linken Andreas Wagner aus Geretsried appelliert an die aktuellen Wahlkreisabgeordneten im Bundestag, bei den Abstimmungen diese Woche im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um eine Einstellung der Kämpfe zu erreichen. Bei allem Entsetzen, Fassungslosigkeit und Wut über die Bilder und Berichte von Kriegsgräuel, dürfe nicht zugelassen werden, "dass der Angriffskrieg von Putin eine Dynamik entwickelt, die die Existenz des Lebens auf der Erde gefährdet", eine weitere Eskalation müsse verhindert werden. "Wir brauchen eine diplomatische Offensive auf allen Ebenen und Vermittlungsbemühungen durch an dem Krieg unbeteiligte Drittstaaten", heißt es in dem Schreiben.

In dem offenen Brief an den Grünen-Abgeordneten Karl Bär und den CSU-Abgeordneten Alexander Radwan betont Wagner, dass der Angriffskrieg von Russland gegen die Ukraine ein Verbrechen sei, inakzeptabel und mit nichts zu rechtfertigen. Er sei mit seinen Gedanken bei den Menschen, die Schutz und Sicherheit brauchen. Aber: "Eine weitere Eskalation des Krieges trägt nicht dazu bei und muss verhindert werden", sagt Wagner. Er habe gelernt: Konflikte entwickelten mit zunehmender Eskalation eine Eigendynamik und mit jeder Vergrößerung der Konfliktarena gerieten sie mehr außer Kontrolle. Das lasse sich auch auf militärische Konflikte übertragen und es gelte, das im politischen Handeln zu berücksichtigen. "Ich bin froh, dass der Kalte Krieg zwischen Nato und Warschauer Pakt nicht zu einem heißen Krieg eskaliert ist", schreibt der Geretsrieder. Von der Bundesregierung könne ein vernünftiges Konfliktmanagement bei Krieg erwartet werden, um die Eskalationsdynamik zu bremsen. "Niemand muss als einfache Bürgerin und einfacher Bürger mögliche Handlungsoptionen und Sicherheitskonzepte ausarbeiten, was angesichts des Krieges zu tun ist. Dafür gibt es Expertinnen und Experten unterschiedlicher Disziplin in den zuständigen Ministerien und Erkenntnisse aus der Friedens- und Konfliktforschung", sagt Wagner. Neben einer unmissverständlichen Botschaft an Russland, dass der Angriffskrieg inakzeptabel ist, müsse deutlich zum Ausdruck gebracht werden, dass kein Land an einem weiter eskalierenden Krieg Interesse habe und die Menschen in der Ukraine Sicherheit und Frieden bräuchten.

Die derzeitigen Vermittlungsbemühungen des UN-Generalsekretärs António Guterres sind nach Ansicht Wagners ein wichtiger Schritt und verdienten Respekt und jede Unterstützung. Notwendig ist aus Sicht des Geretsrieders eine massive Aufstockung staatlich finanzierter humanitäre Hilfe, insbesondere zur Versorgung von Schwerstverletzten und traumatisierten Kriegsopfern und ein Notprogramm zur Abmilderung von Kriegsfolgen wie Hunger und Armut in der Ukraine und weltweit.

"Ich halte es für einen Irrglauben, zu meinen, dieser Krieg könne gegen die Atommacht Russland gewonnen werden - selbst dann, wenn er Jahre dauert und die Ukraine mit Waffen versorgt wird", schreibt Wagner weiter. "Waffenlieferungen mögen hilfreich bei der Bekämpfung und Vernichtung des Feindes sein, sie bringen aber keine Sicherheit", betont er. Er halte es für besser, eine schnelle Einstellung der Kämpfe zu erreichen und den Konflikt einzufrieren, als eine "Ausweitung des Krieges wie ein Krebsgeschwür und einen möglichen Atomkrieg zu riskieren, mit unabsehbaren Folgen für die Menschheit und unsere Lebensgrundlagen". Er wolle die beiden Bundestagsabgeordneten deshalb mit seinem Brief ermutigen, bei den Abstimmungen diese Woche im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine ihrem Gewissen zu folgen und nicht der Fraktionsdisziplin.

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