Nach dem Tod von Herbert W. Franke:Erbe eines Zukunftsforschers

Nach dem Tod von Herbert W. Franke: Herbert W. Franke hat am Computer beeindruckende Werke wie diesen "Goldbogen" geschaffen.

Herbert W. Franke hat am Computer beeindruckende Werke wie diesen "Goldbogen" geschaffen.

(Foto: Herbert W. Franke/oh)

Susanne Päch, Witwe des kürzlich gestorbenen Science-Fiction Autors und Computer-Künstlers Herbert W. Franke, will sein Wirken mit einer Stiftung fortführen. Erste Aktion ist ein "Tribute" von Künstlern und Weggefährten.

Von Claudia Koestler

Die Frage nach dem, was bleibt, was ein Mensch hinterlässt, treibt viele zu Lebzeiten um. Auch ein Zukunftsforscher ist davon nicht ausgenommen, im Gegenteil: Herbert W. Franke, Physiker, Kunsttheoretiker, Computerkunst-Pionier, Science-Fiction-Autor und Multi-Wissenschaftler, ist am 16. Mai 2022 mit 95 Jahren in seinem Zuhause in Egling gestorben. Seine Werke, ob künstlerischer oder wissenschaftlicher Natur, werden überdauern. Dass sein Wirken international weitergeht, dafür soll nun eine Stiftung sorgen: Die "art meets science - Stiftung Herbert W. Franke" hat der gebürtige Wiener noch zu Lebzeiten gemeinsam mit seiner Frau Susanne Päch initiiert. "Die Stiftungsgründung haben wir weit vor seinem Tod besprochen, das war auch wiederum Auslöser für den Krypto-Launch", erklärt Päch und spielt damit auf die erfolgreiche Versteigerung von digitalen Unikaten, sogenannten "Non Fungible Tokens" (NTFs), im Frühjahr dieses Jahres an. Der Erlös daraus wurde zur Gründung der Stiftung verwendet, die inzwischen vollzogen ist. "Weil die Formalien bei so etwas immer etwas dauern, hat es Herbert leider nicht mehr erlebt, Gründungsvorstand zu werden", bedauert Päch. Aber: "Das mache ich jetzt eben ohne ihn. Ich bin ja, so hatte es Herbert einmal in einem Tweet formuliert, seine externe Festplatte, die bleibt."

Die sogenannte unselbständige Stiftung, die es in dieser Form nur in Deutschland gibt, hat Päch zufolge drei Blickrichtungen in ihrer Gemeinnützigkeit. Zeitlich befristet sei die Aufgabe, eine komplette Werkübersicht zu schaffen. Diese Werke sollen dann öffentlich verfügbar gemacht werden. Schließlich ist eine der Stiftungsaufgaben, Bildungsangebote zu schaffen, etwa in Ausstellungen oder Veranstaltungen im Bereich Wissenschaft und Kunst, die Franke als erster nicht mehr getrennt betrachtet hat. Die dritte Blickrichtung der Stiftung sei die Förderung von Forschungsprojekten. "Herbert hat ja in den 1960er-Jahren eine rationale Kunsttheorie entwickelt, mit der Fragestellung, was Kunst überhaupt ist und wie man sie algorithmisch fassen, also quantifizierbar machen kann", sagt Päch. Franke sei als Student fasziniert davon gewesen, dass es wissenschaftliche Fotografien und Visualisierungen gibt, die so schön sind, dass sie auch von einem Künstler hätten stammen können. "Das war für ihn der Auslöser, sich mit Wahrnehmungstheorie zu beschäftigen." Als Naturwissenschaftler wollte er "die Kunst in die exakte Ebene heben", sagt Päch. "Was es in der Musik bereits gibt, nämlich die Harmonie- und Tonlehre sowie eine Notenschrift, fehlt noch in der bildenden Kunst. Es hat ihn gereizt, eine Grammatik der bildenden Kunst zu schaffen." Was Franke in den 1960er-Jahren begann, nämlich Messungen der Sensorik vorzunehmen, setzten heute neurowissenschaftliche Methoden wesentlich differenzierter fort. "Mein Mann hat damals schon gesagt, die Emotion ist ein ganz wichtiger Faktor in der Kunst", sagt Päch. "Aber wir waren damals noch sehr weit weg davon, Emotionen messbar machen zu können, eine Algorithmik zu finden." Menschen aber verhielten sich nach Regelprozessen, und die könne man heute besser erfassen denn je. "Ich möchte deshalb mit einem Institut für Hirnforschung gerne in diesen Bereich gehen."

Nach dem Tod von Herbert W. Franke: Susanne Päch mit Herbert W. Franke. Der Künstler hat seine Frau einmal als "externe Festplatte" bezeichnet.

Susanne Päch mit Herbert W. Franke. Der Künstler hat seine Frau einmal als "externe Festplatte" bezeichnet.

(Foto: Florian Voggeneder/oh)

Bleibt die Frage nach der Finanzierung der Stiftung. "Normalerweise funktionieren kleine Stiftungen so, dass sie Zustiftungen, also finanzielle Zuwendungen von außen, erhalten", berichtet Päch. Sie aber werde ein Konvolut an Frankes Werken in den Verkauf geben und andere, etwa Programme, arbeiten lassen. "Ich möchte nicht abhängig sein davon, dass andere Geld geben", sagt sie. "Die Werke Herberts sollen die Gelder selbst generieren." Als Anschubfinanzierung dient aber eine besondere Ehrerbietung namens "Tribute to Herbert W. Franke". Mehr als 70 renommierte internationale Kryptokünstler, darunter Kevin Abosh, Justin Aversano, Mario Klingemann oder Jan Robert Leeghte und Casey Reas, werden gemeinsam mit Anika Meier, einer laut Päch weltweit bekannten Kuratorin und Kryptokunst-Expertin, Werke schaffen und veräußern, die Frankes Schaffen oder eines seiner Werke reflektieren. Einen Teil der Erlöse spenden sie an die Stiftung.

Neben Kryptokünstlern nehmen auch Pioniere der algorithmischen Kunst teil, mit denen Franke jahrzehntelang in freundschaftlicher Verbindung stand. Sie kommen einerseits aus der Computerkunst wie Vera Molnar, Frieder Nake oder Tom Mikulic. Es sind aber auch Pioniere der generativen Fotografie dabei, etwa Gottfried Jäger, Karl Martin Holzhäuser oder Hein Gravenhorst und Vertreter der Konkreten Kunst wie Edgar Knoop und Josef Linschinger, die ursprünglich nicht mit dem Computer arbeiteten. Etliche dieser Freunde haben später - auch durch dem Einfluss Frankes - den Computer als Hilfsmittel entdeckt. Zum Kreis gehört schließlich auch der Grafiker Thomas Franke, nur zufällig namensgleich. Er hat bereits in den 1970er- und 1980er- Jahren Cover von Frankes Science-Fiction-Büchern gestaltet und illustrierte sämtliche Titel der entstehenden Science-Fiction-Werkausgabe, die noch im September um zwei Bände erweitert wird. Diese Pioniere werden Werke der Stiftungssammlung "Franke & Friends" spenden - physische Werke, die künftig in Ausstellungen öffentlich zugänglich gemacht werden. Anfang Oktober werden alle teilnehmenden Künstler mit ihren Werken auf der extra eingerichteten Tribute-Webseite öffentlich vorgestellt. Die digitalen Werke der Kryptokünstler werden dann auf unterschiedlichen Plattformen an mehreren Terminen im Oktober angeboten, ein Teil der Erlöse geht dann an die Stiftung.

Nach dem Tod von Herbert W. Franke: Frankes "Kristallplanet" wurde auch im Tölzer Marionettentheater gespielt.

Frankes "Kristallplanet" wurde auch im Tölzer Marionettentheater gespielt.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Diese will den Erlös für zwei konkrete Projekte verwenden: Einen Teil erhält das Zentrum für Kunst und Medien (ZKM), um die etwa 1800 dort lagernden Manuskripte Frankes bis zum Sommer 2023 zu erfassen und volltextsuchfähig zu machen. "Das war bislang ein Defizit, dass seine wissenschaftlichen Beiträge nicht verfügbar waren. Da freue ich mich wirklich drüber", sagt Päch. Der andere Teil des Erlöses soll dazu dienen, in Zusammenarbeit mit der Rütgers Stiftung Schulen in Namibia zu unterstützen, die Jugendliche in Robotik und Programmierung fördern. Schließlich habe ihr Mann stets betont, dass ein Künstler eine gesellschaftliche Verantwortung trage, sagt Päch. Denn jede Kunst führe auch einen Lerneffekt mit sich. Zukunft sei zwar nicht vorhersehbar, doch man habe - gerade als Autor - eine ungeheure Verantwortung, jungen Menschen "keinen Blödsinn zu erzählen" - zumal die Lerninhalte in den Schulen stark rückwärtsgerichtet seien. "Da spielt Zukunft so gut wie keine Rolle." Man müsse folglich als Science-Fiction-Autor Modelle bieten, die einen Sinn ergeben. "Und die Werke müssen nicht nur Spannung bieten, sondern auch anregen, sich selbst Gedanken zu machen." Für Franke sei es das Wichtigste und Schönste gewesen, wenn ihm Menschen sagten, dass seine Werke sie beeinflusst hätten. "Das brachte ihm das Gefühl, es ist relevant, was er macht", sagt Päch. Dank der Stiftung soll diese Relevanz nun weit in die Zukunft reichen.

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