Schäftlarner Einzelhandel:Ebenhauser Geschäftszeile blutet aus

Schäftlarner Einzelhandel: Bäckerei und Metzgerei sind ein Magnet in der kleinen Ladenzeile nahe dem Bahnhof.

Bäckerei und Metzgerei sind ein Magnet in der kleinen Ladenzeile nahe dem Bahnhof.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Metzgerei Rubers und die Backstubn ziehen wegen Mieterhöhungen aus den Räumen an der Professor-Benjamin-Allee aus. Vermieter ist das Kloster Schäftlarn.

Von Marie Heßlinger

Das Licht ist aus, das Brotregal leer, bloß die Kühltheke des Metzgers summt in die Stille hinein. Ein Bildschirm dahinter verrät: Kommende Woche sind Metzger Ingo Ruber und Bäckerei-Inhaberin Romana Magerl-Kastenmüller aus dem Urlaub zurück. Ihre Ferienabwesenheit aber gibt einen Vorgeschmack darauf, wie es womöglich im kommenden Jahr in den Räumen am Bahnhof in Ebenhausen aussehen könnte.

"Nur Post und Lotto" steht auf einem Pappkarton im Eingangsbereich der Bäckerei. Die Menschen gehen trotzdem ständig ein und aus. Viele geben Pakete ab, manche gucken kurz in den Laden und machen dann mit einem enttäuschten Gesichtsausdruck auf dem Absatz kehrt. "Das passiert mindestens zehnmal am Tag, obwohl ich nur drei Stunden da bin", sagt Aushilfe Lucas Lange, der die vielen Pakete entgegennimmt. Er fügt hinzu: "Es ist ein extrem guter Standort hier, weil er relativ zentral ist."

Schäftlarner Einzelhandel: Urlaubsbedingt sind die Backstubn und die Metzgerei gerade leer. Pakete und Lottolose nimmt ein Mitarbeiter jedoch entgegen.

Urlaubsbedingt sind die Backstubn und die Metzgerei gerade leer. Pakete und Lottolose nimmt ein Mitarbeiter jedoch entgegen.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Seit 15 Jahren führt Romana Magerl-Kastenmüller den Laden am Eck des Dorfplatzes in Ebenhausen. Sie verkauft Brot und Zeitschriften, nimmt Pakete entgegen und Lottoscheine. Seit 13 Jahren teilt sie sich den Raum mit Metzger Ingo Ruber. Der Vermieter, die Verwaltung des Klosters Schäftlarn, habe nun jedoch zum wiederholten Mal die Miete erhöht. Die beiden ziehen deshalb zum Jahresende aus. Und manche fragen sich, was dann aus dem Platz an den S-Bahngleisen wird.

"Für mich ist es voll doof", sagt Aushilfe Lucas Lange, "weil sich dadurch der Laden trennt." Bäckerei und Metzgerei suchen sich jeweils ein neues Geschäft. Aus Sicht Langes geht mit dem Geschäft auch ein Stück Dorfleben verloren. "Hier treffen sich echt viele Leute", sagt Lange, "du hast hier immer Gespräche."

Anruf bei Romana Magerl-Kastenmüller, die gerade Urlaub macht. Die letzte Mieterhöhung liege ungefähr vier Monate zurück, schätzt sie. "Die hat uns mitten in der Corona-Pandemie erwischt." Sie habe entschieden, ihren auslaufenden Vertrag im Dezember nicht mehr zu verlängern. "Die Miete ist mittlerweile so hoch, ich kann das nicht mehr erwirtschaften", sagt Kastenmüller. "Ich müsste so hohe Preise verlangen, dass das für keinen Kunden mehr tragbar wäre."

Die 65-Jährige hat aus "Heimatverbundenheit", wie sie sagt, damals die "Ebenhausener Backstubn" eröffnet. Rund zehn Jahre hätten die Räume zuvor leer gestanden, sie habe den Ort mit ihrem Laden beleben wollen, ihre Tochter Theresa Kastenmüller stieg ein. "Mit ziemlich dicken Tränen in den Augen" zögen sie nun aus, sagt Magerl-Kastenmüller.

Schäftlarner Einzelhandel: Theresa Kastenmüller (links) und Romana Magerl-Kastenmüller betreiben die Backstube.

Theresa Kastenmüller (links) und Romana Magerl-Kastenmüller betreiben die Backstube.

(Foto: privat/oh)

Die beiden haben allerdings eine nahe Alternative gefunden. Magerl-Kastenmüller wird auf die andere Seite der Bundesstraße 11 ziehen, wo der Maibaum steht. Ihr Sortiment wird sie reduzieren, sie wird eine kleinere Auswahl an Broten verkaufen, um mehr Gewinnsicherheit zu haben. Post und Lotto, Sandwiches und Kaffee, das alles werde es weiterhin geben, verspricht Kastenmüller.

Auch Metzger Ruber hat schon einen neuen Verkaufsraum in Aussicht, nach dem Urlaub will er den Vertrag unterschreiben - auch der 58-Jährige hat etwas in der Nähe der S-Bahn-Gleise gefunden. Ruber war Untermieter der Bäckerei, einen Schuppen dahinter habe er direkt beim Schäftlarner Kloster gemietet. Zeitpunkt und Art und Weise, wie die Miete erhöht worden sei, habe er unschön gefunden, sagt Ruber. "Ein bisschen Fingerspitzengefühl sollte man schon haben," findet er.

Schäftlarner Einzelhandel: Auch Ingo Ruber zieht mit seiner Metzgerei in Ebenhausen um.

Auch Ingo Ruber zieht mit seiner Metzgerei in Ebenhausen um.

(Foto: privat/oh)

Ähnlich geht es der Inhaberin des Buchladens am Ebenhausener Dorfplatz. Sophie von Lenthe tippt auf einen Artikel der SZ. "Die Index-Miete ist überall Thema", sagt sie. Auch ihr Vertrag mit der Schäftlarner Klosterverwaltung als Vermieter sei an die Verbraucherpreise gekoppelt. Im vergangenen halben Jahr habe der Vermieter die Mietkosten zweimal erhöht. Auf einen Brief habe Stefan Rührgartner, Leiter der Schäftlarner Klosterverwaltung, mit einer Zahlungserinnerung reagiert. Der Vermieter ihrer Filiale in Pullach indes habe die Miete bislang nicht erhöht, sagt von Lenthe.

Ausziehen kommt für Lenthe zum jetzigen Zeitpunkt dennoch nicht infrage, obgleich die Preissteigerung es ihr schwermache. "Ich finde, ich habe hier auch eine Verantwortung im Ort", sagt sie, "unser Laden hat sich hier zu einem Mittelpunkt entwickelt, das treibt mich ein bisschen um."

Schäftlarner Einzelhandel: Der Ebenhauser Buchladen von Sophie Lenthe soll bleiben.

Der Ebenhauser Buchladen von Sophie Lenthe soll bleiben.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Lenthe befürchtet, dass die Räume am Ebenhausener Dorfplatz nun wieder leer stehen werden, so wie damals, bevor die Buchhandlung Isartal und die Backstubn eingezogen sind. Auch Aushilfe Lange schüttelt den Kopf. "Ich frage mich, was hier reinkommen sollte", sagt der 21-Jährige, "ich kann mir momentan nichts vorstellen." An der Decke über ihm sind an manchen Stellen braune Flecken, der Putz über den Fenstern blättert ab, an der Holzfassade des Flachdachs hat die Witterung ihre Spuren hinterlassen.

Zu Gerüchten darüber, dass die Räume renoviert werden sollen, äußert sich die Schäftlarner Klosterverwaltung nicht, auch ansonsten hält sie sich bedeckt. "Zu Verträgen gebe ich keine Stellungnahme", sagt Rührgartner. "Wir machen nichts, was nicht im Vertrag steht." Er halte sich an die vom Statistischen Bundesamt ermittelte Indexklausel - und dabei gehe es nicht um eine Bereicherung des Klosters. In ganz Deutschland stiegen die Mieten, sagt er, "das ist dieser ganzen Ukraine-Krise und der Energiekrise, die Putin auslöst, geschuldet." Er verstehe nicht, weshalb "der Vermieter der Böse" sei. Für alle sei es eine schwierige Situation, auch für das Kloster, das keinen Rechtsanspruch auf Kirchensteuer habe. Das Gebäude am Ebenhausener Dorfplatz sei "vom Scheitel bis zur Sohle" renoviert und es gehe nicht darum, einen Leerstand zu provozieren.

Ein paar hundert Meter weiter auf der anderen Seite der Gleise hängt vor einem anderen Haus das Banner eines Immobilienmaklers. Ein Neubau soll dort entstehen, das Bebauungsplanverfahren dafür läuft. Im Erdgeschoss, so die Auflage der Gemeinde, sollen 150 Quadratmeter für Gewerbe zur Verfügung stehen. Bisher habe er aber von Gewerbeseite nur sehr verhaltenes Interesse vernommen, sagt Makler Peter Schneider. Es bleibt jedoch noch Zeit, frühestens 2025 wird der Neubau fertig sein.

Bürgermeister Christian Fürst (CSU) indes gibt sich zuversichtlich, dass sich für den Neubau Mieter finden lassen - beispielsweise Arztpraxen suchten nach Räumlichkeiten. Und die Backstubn? "Es ist von der Lage her interessant", sagt Fürst, "auch für Kleingewerbe."

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