Dokumentation über Oberammergau:Leidenschaft mit Längen

Jörg Adolph zeigt seinen Film "Die große Passion" im Kloster Beuerberg

Von Susanne Hauck, Beuerberg

"Erst kommt die Passion, dann lange nix, dann kommt ein Misthaufen und dann dein Film", mit diesen markigen Worten hat Christian Stückl, der charismatische Intendant der Passionsspiele Oberammergau, gleich seine Duftmarke gegenüber Filmemacher Jörg Adolph gesetzt. So erzählt es der preisgekrönte Dokumentarfilmer am Freitagabend in Kloster Beuerberg, als er "Die große Passion" zeigt. Als erster und bisher einziger hat Adolph von Stückl vor zehn Jahren eine Drehgenehmigung für einen Kinofilm über das Oberammergauer Religionsspektakel erhalten.

Trotz lauer Sommernacht ist das Interesse an dem 2011 erschienenen Film groß. Die 30 aufgestellten Stühle im zum Kino umfunktionierten Speisesaal der Nonnen reichen gerade aus, und viele Zuschauer versorgen sich vorher noch mit köstlicher Ringelblumen-Schorle aus der Klosterküche. Der Film passt gut ins Beuerberger Veranstaltungsprogramm "Das Spiel beginnt", denn schnell wird klar, hier finden Spielereien auf verschiedenen Ebenen statt. Um die Passionsfestspiele dreht es sich nur vordergründig, Adolph wirft lieber einen Blick hinter die Oberammergauer Bilderbuchkulisse.

Kinostarts - ´Die große Passion"

Christian Stückl mit dem Jesus-Darsteller in einer Probenpause für die Passionsspiele.

(Foto: Cinema/dpa)

Schließlich sind die Spiele, die ein ganzes Dorf mobilisieren und auf ein Pestgelübde aus dem 17. Jahrhundert zurückgehen, ein Faszinosum, dem alle zehn Jahre 500 000 Besucher erliegen. Die Spiele sind natürlich auch Christian Stückls Passion. Und diesem kettenrauchenden Maniac zu folgen, gilt wiederum Filmemacher Jörg Adolphs ganze Leidenschaft. Stückl, der geniale Theaterrebell, der auch Intendant des Münchner Volkstheaters ist, hat seit 1990 die arg konventionellen Aufführungen grundlegend reformiert. Längst nicht immer zur Freude des Gemeinderats, der die Spiele mit Laiendarstellern vor allem als Geldmaschine sieht. So ist amüsant im Film dargestellt, wie angesichts wegbrechender US-Touristen schleunigst neue Slogans erfunden werden ("Oberammergau - The greatest story ever told!") - und wie der Jesus-Darsteller auf Promotiontour in amerikanische Talkshows geschickt wird.

Weitgehend chronologisch folgt Adolph dem Entstehungsprozess bis zur Premiere 2010. Festspielleiter Stückl sorgt sich darum, ob er seine Ideen durchsetzen kann, fährt mit den Protagonisten zur Einstimmung nach Israel, kauft in Indien günstig Stoffe für die Kostüme; setzt sich mit religiösen Inhalten auseinander und streicht die antijüdischen Passagen im Text heraus. Und er buckelt sich bei den Proben selbst das Kreuz auf, damit "Jesus" weiß, wie er es zu tragen hat, und sorgt sich darum, dass bei der Auferstehung die Grabplatte nach Styropor aussehen könnte. Es kommt zum Showdown mit dem Gemeinderat, als Stückl merkt, dass der aus Kostengründen die Geißen abbestellt hat.

Kloster Beuerberg Die große Passion

Bevor Jörg Adolphs Dokumentation über seine Arbeit in Beuerberg gezeigt wird, hält Anja Lupfer eine Einführung.

(Foto: Manfred Neubauer)

Endlich der Tag der Premiere mit vielen tollen Szenen: Die Kamera fängt ein, wie sich biblisch kostümierte Dorfbewohner die Zeit bis zum Auftritt mit Kickern vertreiben. Der eben noch gekreuzigte und über und über mit Theaterblut beschmierte Jesus springt in die Dusche - denn für die Wiederauferstehung muss er sich schleunigst wieder schön machen, die langen Haare werden mit zwei Fönen turbo-trockengeblasen.

Adolphs Dokumentarfilm hat viele schöne Sequenzen, ist für die Zuschauer aber keine leichte Kost. Denn der Regisseur verzichtet weitgehend darauf, Zusammenhänge zu erläutern. Lieber begleitet er Christian Stückl mit der Kamera als "stiller Beobachter". Wer im Publikum also genügend Vorwissen mitbringt, ist klar im Vorteil. Wie der Ebenhausener Dokumentarfilmer erzählt, hatte er nach zwei Jahren Drehzeit ganze 500 Stunden Material zusammen. Für den Bayerischen Rundfunk drehte Adolph eine 90-Minuten-Fassung, erkämpfte sich aber einen längeren Kinofilm.

Zweieinhalb Stunden aber sind mit der vielen Diskutiererei im Film dann doch arg lang. Vor allem fordern sie vom Zuschauer viel Sitzfleisch. Auf dem beinharten Klostergestühl möchte das der ein oder andere Besucher am Freitagabend nicht mehr aufbringen. Einige verlassen den provisorischen Kinosaal im Refektorium deshalb vor dem Ende des Films. Die, die bleiben, lassen sich dann jedoch noch putzmunter und begeistert auf eine Diskussion mit dem Regisseur über die reformierten Spiele ein, die im Jahr 2020 wieder aufgeführt werden. Viele stimmen auch in die Kritik über die Geldschneiderei der Kommune ein, die keine Einzelkarten mehr verkaufte, sondern nur noch Pflicht-Arrangements mit zwei Übernachtungen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: