Digitale Kommuniktion am Land:Eine Frage der Verantwortung

Digitale Kommuniktion am Land: Das Dorf Holzhausen ist ein Idyll. Hier der "Doasahof" inmitten sanfter grüner Hügel, der Starnberger See nicht weit - ein Ort wie aus dem Bilderbuch. Seit Kurzem gibt es im Paradies aber Ärger. Der Grund: Ein Funkmast, den eine Tochtergesellschaft der Deutschen Telekom in Holzhausen gerne bauen würde.

Das Dorf Holzhausen ist ein Idyll. Hier der "Doasahof" inmitten sanfter grüner Hügel, der Starnberger See nicht weit - ein Ort wie aus dem Bilderbuch. Seit Kurzem gibt es im Paradies aber Ärger. Der Grund: Ein Funkmast, den eine Tochtergesellschaft der Deutschen Telekom in Holzhausen gerne bauen würde.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Eine Bürgerinitiative stemmt sich gegen den Neubau eines Mobilfunkmasts zwischen den Münsinger Ortsteilen Degerndorf und Holzhausen. In einem Vortrag warnt Mobilfunkkritiker Jörn Gutbier vor den Strahlenimmissionen, die Gemeinde sucht derweil einen alternativen Standort

Von Benjamin Engel, Münsing

In der Idylle gärt es: Mitten auf die freien Wiesen zwischen Degerndorf und Holzhausen will eine Tochtergesellschaft der Deutschen Telekom einen Mobilfunkmast errichten. Dagegen hat eine örtliche Bürgerinitiative (BI) weit mehr als 1000 Unterschriften gesammelt und die Gemeinde als Unterstützer gewonnen. Die Kritik treibt, trotz des bislang heißesten Tages dieses Jahres am Mittwoch, die Zuhörer in den vollen Münsinger Gemeindesaal. Die BI hat Jörn Gutbier für einen Vortrag über den verantwortungsvollen Umgang mit der Technik engagiert. Der Vorsitzende des Vereins "Diagnose: Funk" aus Stuttgart zählt zu den deutlichsten Mobilfunkkritikern in Deutschland.

Routiniert beginnt der Diplom-Ingenieur und Baubiologe zu sprechen, als er für seinen Vortrag ans Pult tritt. "Wir haben das Problem, dass wir eine Technologie kritisieren, die die Menschen lieben", sagt er. Sein Verein sei aus dem mobilfunkritischen Widerstand entstanden. Längst könne es nicht mehr darum gehen, die Technik abzuschaffen. Doch die Bundesregierung stelle sich nicht die Frage, wie sich Strahlenimmissionen reduzieren und bessere Netze aufbauen ließen. "Ich will es ein bisschen besser machen, die negativen Lasten möglichst verringern", sagt Gutbier. Denn längst gebe es Alternativen.

Entscheidend ist für den Vereinsvorsitzenden von "Diagnose: Funk" das ALASTA-Prinzip. Danach soll die Belastung für den Menschen so niedrig wie wissenschaftlich und technisch erreichbar ("as low as scientifically/technically achievable") gehalten werden. Das könnten die Kommunen den Netzbetreibern auch in einem sogenannten Dialog-Verfahren vorschreiben. Die Rathausverwaltungen hätten die Möglichkeit, einen ganz bestimmten Standort vorzugeben. Damit ließen sich alle anderen ausschließen. "Es muss einen politischen Willen geben, etwas umzusetzen", sagt Gutbier.

In Münsing pocht die Kommune auf ihre Planungshoheit. Bürgermeister Michael Grasl (Freie Wähler) hat ein Fachbüro eingeschaltet, das nach einem alternativen Standort suchen soll. Die Experten hätten der Kommune empfohlen, schrittweise vorzugehen.

Deshalb konzentriere sich die Verwaltung zunächst auf die Teilbereiche um Holzhausen und Umgebung. "Ein Gesamtkonzept für die Großgemeinde ist mittel- und langfristig zu sehen", schreibt Grasl in einer Pressemitteilung am Donnerstag. Die Gemeinde hoffe auf eine anders akzeptierte und funktechnisch wie ortsplanerisch verträgliche und intelligente Lösung. "Wir werden Seite an Seite mit der Bürgerinitiative diesen Weg beschreiten, auch wenn er sehr mühsam ist."

Von der Telekom will sich Bürgermeister Grasl nicht unter Druck setzen lassen. Aus seiner Sicht ist der Mobilfunkpakt, mit dem der Freistaat Funklöcher schließen will, nicht erfüllt. Die Telekom habe im Vorjahr einen Suchkreis mitgeteilt, der mit dem jetzigen Standort nichts zu tun habe. Für den 40 Meter hohen, bei Holzhausen geplanten Sendemast gibt es aber noch nicht einmal einen Bauantrag. Bislang hat nur ein Privateigentümer einen Pachtvertrag mit der Telekom unterzeichnet.

Im Münsinger Gemeindesaal zitiert Jörn Gutbier am Mittwoch aus Studien, wonach der Mobilfunk Gesundheitsschäden verursacht. Es gebe gesicherte Erkenntnisse, dass Krebs durch die Strahlung schneller wachse. Die Fertilität des Menschen werde beeinträchtigt, die Blut-Hirn-Schranke werde durchlässiger und mehr. Gutbier zog Parallelen zu früheren Strategien der Zigarettenindustrie, Zweifel zu Gesundheitsrisiken zu säen. Genau das wende auch das Bundesamt für Strahlenschutz an.

Um Strahlung zu minimieren, hält Gutbier ein einziges Mobilfunknetz für alle Anwendungen für ausreichend. Derzeit betrieben die Telekommunikationsunternehmen etwa "Universal Mobile Telecommunications System" (UMTS), "Long Term Evolution" (LTE) und mehr parallel. Eine automatische Abschaltung für ungenutzte Phasen sowie der Einsatz von Licht- und Infrarottechnologie könnten die Strahlungsbelastung reduzieren. Für Innenräume und die Außennutzung müsse das Netz getrennt werden. "Wir müssen die Elektrosensibilität als Krankheit zur Anerkennung bringen", sagt Gutbier. "Das wäre der Supergau für die Mobilfunkindustrie."

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