Dietramszell:Stillschweigen inmitten von Schätzen

Schwester Kiliana gibt eine Führung durchs Kloster der Salesianerinnen in Dietramszell, zeigt den Besuchern Kostbarkeiten wie den Himmelsglobus und empfiehlt, wenigstens zehn Minuten am Tag den Mund zu halten

Von Petra Schneider, Dietramszell

Unübersehbar beherrscht das Kloster den Dorfplatz im Dietramszeller Ortsteil Schönegg. Ein mächtiges Karree mit einem Innenhof, das in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu einem Barockjuwel umgestaltet wurde. In jüngster Zeit ist das Kloster vor allem wegen der Hindenburgbüste an seiner Außenmauer in die Schlagzeilen geraten, die im Juli von drei Künstlern abgeschraubt wurde.

Nur selten öffnen die Salesianerinnen die Pforten in die Innenräume, obwohl das Interesse offensichtlich groß ist: Am Sonntag nutzten gut 70 Besucher das Angebot des Dietramszeller Kulturvereins, auch der Geretsrieder Bürgermeister Michael Müller, der "ganz privat" gekommen war. Ein lohnender Ausflug, denn Oberin Schwester Kiliana führte die Besucher kenntnisreich und humorvoll durch die Geschichte des Klosters und des Ordens.

Gegründet wurde es im Jahr 1099 vom Abt des Benediktinerklosters Tegernsee. Süd- und Westteil wurde während der Säkularisation im Jahr 1803 von der Familie von Schilcher ersteigert, die übrigen Flügel dienten als Zentralkloster der Münchner Klarissinnen. 1831 übernahmen es die Salesianerinnen, die dort 160 Jahre lang eine Internatsschule für Mädchen betrieben. 1958 verkauften die Schilchers ihre Gebäudeflügel an den Orden. Weil es immer schwieriger wurde, klösterliche Lehrkräfte zu finden und die Schülerzahlen sanken, wurde die Internatsschule 1992 aufgegeben. Ein Flügel wurde an die Geretsrieder Montessorischule vermietet, auch der gemeindliche Kindergarten findet sich heute dort.

Dietramszell: Schwester Kiliana erklärt die schmiedeeiserne Uhr aus der Zeit um 1700, die ein Pendel in Form eines strahlenumkränzten Herzens hat.

Schwester Kiliana erklärt die schmiedeeiserne Uhr aus der Zeit um 1700, die ein Pendel in Form eines strahlenumkränzten Herzens hat.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

In allen Räumen des Klosters ist ein wunderbarer Eichenholzboden mit Einlegearbeiten aus Palisander verlegt. Die Decken sind mit Wessobrunner Stuck gestaltet. Die ehemalige Pröbstei, der wichtigste Raum des Klosters, wurde zu Internatszeiten als Schlafsaal genutzt. "Unsere Mädchen waren aber nicht lauter Engel", erzählt die Oberin. Kissenschlachten seien an der Tagesordnung gewesen, was dem historischen Ofen nicht gut getan habe: Der Halbmond an dessen Spitze sei dabei zu Bruch gegangen.

Besonders Frauen und Mädchen lagen dem Genfer Bischof Franz von Sales am Herzen, der den Orden im Jahr 1610 zusammen mit Johanna Franziska von Chantal gründete. Frauen, auch körperlich versehrten, wollte man ermöglichen, ein klösterliches Leben zu führen. Denn die Regeln bei den Benediktinern oder Augustinern seien streng gewesen: Lange Fastenzeiten, Nachtwachen - "für körperlich Schwächere zu hart", sagt Schwester Kiliana.

Freilich gibt es auch bei den Salesianerinnen Regeln: "Die Schwestern des Ordens von der Heimsuchung Mariä" sollen in Stille und Verborgenheit leben, "so wie Jesus in den ersten 30 Jahren seines Lebens", erklärt die Oberin. Bescheidenheit und Demut sind wichtige Werte. "Wir haben hier tagsüber Stillschweigen, geratscht wird nicht." Denn mit unnötigen Gesprächen werde zugeschüttet, was man sich im Morgengebet vorgenommen habe. "Ich würde Ihnen das Schweigen auch empfehlen", sagt Kiliana liebenswürdig in die Runde, "wenigstens zehn Minuten am Tag." Acht Schwestern leben noch im Kloster, eine kleine Gruppe auf engem Raum. "Wir werden nicht versetzt, haben keine Filialen, da braucht es manchmal schon gute Nerven", sagt die Oberin und schmunzelt. Zum Glück seien alle Schwestern noch einigermaßen rüstig. Man werde das Kloster weiterführen, auch wenn die Zukunft ungewiss sei.

Dietramszell: Gut siebzig Besucher nutzten die Gelegenheit, Einblick in Räume zu bekommen, die der Öffentlichkeit sonst verwehrt sind.

Gut siebzig Besucher nutzten die Gelegenheit, Einblick in Räume zu bekommen, die der Öffentlichkeit sonst verwehrt sind.

(Foto: Wolfsbauer)

Viele Schätze haben die Schwestern in den vergangenen Jahren im Kloster entdeckt und restauriert. Etwa den Himmelsglobus aus dem Jahr 1790, der zufällig auf dem Speicher gefunden wurde, als der aus Brandschutzgründen geräumt werden musste. Oder die schmiedeeiserne Uhr mit einem Pendel in Form eines strahlenumkränzten Herzens aus der Zeit um 1700: Gewichte verliefen in einem Schacht über zwei Etagen und trieben ein Uhrwerk an. Als die Ölheizung des Klosters vor einigen Jahren durch eine Pelletsheizung ersetzt wurde, hatten Arbeiter den Schacht unwissentlich mit Schutt zugeschüttet. Das Uhrwerk wurde beschädigt, inzwischen läuft es wieder.

Vieles gibt es zu sehen und zu erfahren, die einstündige Führung durch die Räume, in denen sich die Besucher drängen, reicht kaum aus. Gerne hätte man sich zum Beispiel den "Haus- und Wettersegen" genauer angeschaut: ein rundes Emblem mit einem Lamm aus Wachs in der Mitte, umgeben von kleinen Reliquien und einem lateinischen Gebet.

Bereitwillig beantwortet Schwester Kiliana Fragen, auch zur Hindenburgbüste äußert sie sich auf Nachfrage: "Wenn die Büste wieder an die Klostermauer käme, mit einem Zusatztext, hätten wir nichts dagegen."

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