Dietramszell:"Märchenbuch" oder "Spickerwahlkampf"?

Lesezeit: 4 min

Die Dietramszeller Bürgermeisterin Leni Gröbmaier und ihr Herausforderer Michael Häsch attackieren einander unterm Dach der SZ. Einig sind sie sich über die Windkraft und im Wesentlichen auch über das Gewerbegebiet Ascholding

Von Petra Schneider

Dieser Blick ist durchaus kennzeichnend für die Atmosphäre zwischen den beiden Kandidaten: Michael Häsch beäugt Leni Gröbmaier eher skeptisch. Sein Vorwurf: Sie verdrehe Tatsachen. Die Bürgermeisterin kontert: Der Herausforderer sei schlecht informiert und werde mit seinen Vorhaltungen nicht konkret. (Foto: Hartmut Pöstges)

Wahlkampfveranstaltungen sind keine Kuschelrunden. Sie bieten eine Plattform, um politische Positionen deutlich zu machen und den Bürgern die Wahlentscheidung zu erleichtern. Die beiden Dietramszeller Bürgermeisterkandidaten Leni Gröbmaier (Bürgerliste Dietramszell) und Michael Häsch (CSU) haben beim Gespräch "unterm Dach der SZ" die Gelegenheit zur Profilierung genutzt.

Bereits in den Aufstellungsversammlungen ihrer Parteien vor Weihnachten hatten die Gegner einander heftig attackiert. Auch in der persönlichen Auseinandersetzung am Dienstag waren versöhnliche Töne nicht zu vernehmen. Die Kontrahenten duzten einander zwar, der Ton beim zweistündigen Gespräch blieb aber bis zum Schluss scharf. Häsch warf Gröbmaier die Verdrehung von Tatsachen vor, nannte die im Gemeindeblatt abgedruckte Leistungsbilanz ein "Märchenbuch" und kritisierte vor allem den Führungsstil der amtierenden Bürgermeisterin. Gröbmaier wiederum bezeichnete Häschs Wahlkampf als "Spickerwahlkampf": Alles, was ihr Herausforderer vorschlage, sei bereits in Angriff genommen oder schon erledigt. Sie forderte ihn mehrmals auf, seine Vorwürfe zu konkretisieren und auf persönliche Angriffe zu verzichten. Häsch sei schlecht informiert und behaupte Dinge, die nicht den Fakten entsprächen. Gröbmaier dominierte streckenweise das Gespräch und konnte mit Detailwissen aus ihrer sechsjährigen Amtszeit punkten. Häsch hingegen verfügt über ein breites Netzwerk in der Gemeinde. Er wird bei seiner Kandidatur von einer Allianz aus CSU, Freien Wählern und Grünen unterstützt.

Bilanz der Amtsinhaberin

Von Anfang an habe man ihr die Arbeit schwer gemacht, sagte Gröbmaier. "Da war ich noch nicht vereidigt, da ist das schon losgegangen." Im Gemeinderat säßen einfach "mehr Häuptlinge", als gut sei. Ihre erneute Kandidatur begründete sie damit, die erfolgreiche Arbeit der vergangenen Jahre fortführen zu wollen: Schulden würden kontinuierlich abgebaut, Pflichtaufgaben wie Kanal und Wasserleitungen seien in Angriff genommen und viel in die Sanierung von Schule und Kindergärten und den Ausbau der Kinderbetreuung investiert worden. "Wir stehen jetzt besser da als vor sechs Jahren", sagte Gröbmaier. Sie habe aber bisher den Fehler gemacht, ihre Erfolge zu wenig hervorzuheben. Ihr gehe es darum, die Bürger zur Mitgestaltung zu motivieren und lösungsorientiert zu arbeiten, sagte sie.

Ziele des Herausforderers

Häsch sagte, dass CSU, Freie Wähler und Grüne ihn zur Kandidatur überredet hätten. Dass sich eine breite Front gegen Gröbmaier gebildet habe, spreche für sich. Als vorrangige Ziele nannte er eine bessere Zusammenarbeit zwischen Verwaltung, Gemeinderat und Bürgern: "Der Name Dietramszell soll wieder positiv gesehen werden." Die Finanzen müssten in Ordnung gebracht und der Schulstandort erhalten bleiben. Durch Ortsteilversammlungen wolle er die Bürgerbeteiligung stärken. "Mit mir als Bürgermeister wird ein anderer Arbeits- und Führungsstil einkehren", betonte Häsch.

Ortsdurchfahrt

Eine heftige Debatte entzündete sich beim Thema Sanierung der Ortsdurchfahrt Obermühltal: Häsch warf der Bürgermeisterin vor, Informationen an das Straßenbauamt verschleppt und den Gemeinderäten bei der Abstimmung keine Sitzungsvorlagen zur Verfügung gestellt zu haben. Häsch nannte es ein "Armutszeugnis", dass Gemeinderat Hubert Prömmer (Grüne) mit einer Befragung zu einem Gehweg beauftragt worden sei. "Das ist doch Aufgabe der Verwaltung." Gröbmaier warf Häsch vor, "ein Riesendurcheinander" anzetteln zu wollen. Alles laufe nach Plan. Prömmer sei vom Bauausschuss des Gemeinderats beauftragt worden. Die Verwaltung bemühe sich darum, die nötigen Sitzungsunterlagen zur Verfügung zu stellen. "Aber Fehler können passieren."

Gemeindefinanzen

Unterschiedlich eingeschätzt wurde die Haushaltssituation der Gemeinde. Gröbmaier betonte, man habe die Finanzen im Griff. Die Schulden von 3,6 Millionen Euro würden kontinuierlich abgebaut. Sämtliche Einsparmöglichkeiten seien überprüft und ausgeschöpft worden. Bei der Übernahme der Amtsgeschäfte habe sie Schulden in Höhe von 3,5 Millionen Euro und einen Berg von Pflichtaufgaben vorgefunden. Seitdem seien 14 Millionen Euro investiert worden. Häsch hielt dagegen, dass die Tilgung von jährlich knapp 300 000 Euro nur möglich sei, weil ständig Gemeindegrund verkauft werde. Egling etwa, das vergleichbare Einwohnerzahlen habe und ähnliche Pflichtaufgaben stemmen müsse, habe wesentlich höhere Rücklagen. Häsch kritisierte die gestiegenen Personalkosten und die Auslagerung von Verwaltungsaufgaben an externe Firmen. Gröbmaier verteidigte dagegen die Neueinstellung von Mitarbeitern: Nur so könnten Förderanträge gestellt und Gebühren zeitnah erhoben werden. Dass die Verwaltung Kanalarbeiten vergeben habe, sei "das Beste, was wir machen konnten". Die Kosten seien niedrig gewesen und die Verwaltung habe entlastet werden können.

Windkraft Gröbmaier und Häsch äußerten sich zufrieden, dass die vier Standorte für Windräder in der Gemeinde aus dem Regionalplan gestrichen wurden. Häsch sagte, er könne sich vorstellen, dass die Bürger in zehn, 20 Jahren bereit seienfür Windkraftanlagen. "Bevor wir Windräder aufstellen, sollten wir zuerst Biomasse, Biogas und Fotovoltaik nutzen." Häsch will einen Energieeffizienzplan der Gemeinde erstellen, den Arbeitskreis Energie finanziell unterstützen und Fachleute einbinden. In Bebauungsplänen solle die Firstausrichtung von Gebäuden festgelegt werden, um Fotovoltaikanlagen zu ermöglichen. Gröbmaier verwies auf bereits vorgenommene Maßnahmen wie die energetische Sanierung der Schule, die mit einer Fotovoltaikanlage ausgerüstet worden sei. Die Teilnahme der Gemeinde am kostenlosen Energiecoach-Projekt habe wichtige Ergebnisse gebracht, über die kommende Woche beraten werde. "Windräder wären für mich in Ordnung gewesen, wenn sie gemeinsam mit Holzkirchen im Zeller Wald gebaut worden wären", sagte Gröbmaier. Der Gemeinderat habe einstimmig einen Teilflächennutzungsplan erstellt, um Wildwuchs von Windkraftanlagen zu vermeiden. Mit der Seehofe'schen Abstandsregel sei ein solcher nun aber nicht mehr nötig.

Hallenbad Noch ist das Ascholdinger Hallenbad in Betrieb, der Gemeinderat hat aber einer Beteiligung am Interkommunalen Hallenbad in Geretsried zugestimmt. Gröbmaier steht zu dieser Entscheidung, zumal neuere Zahlen zeigten, dass die einmalige Investitionssumme von 60 000 Euro durch den Gemeinderatsbeschluss gedeckt sei. Häsch sieht das Geretsrieder Bad indes noch nicht abgehakt. Verträge über die laufenden Betriebskosten seien noch nicht unterschrieben. "Ich bin mir nicht sicher, was da auf die Gemeinden zukommt." Das Ascholdinger Hallenbad solle deshalb als Option bleiben. "Wenn das interkommunale Bad nicht kommt, dann sollte man noch einmal mit den Nachbarn reden, ob sie sich nicht doch in Ascholding beteiligen wollen."

Gewerbegebiet

Das Gewerbegebiet Ascholding nannte Gröbmaier "ein Projekt, auf das ich wirklich stolz bin". Die Probleme bei der Entwässerung seien gelöst und zahlreiche Bewerbungen von Betrieben lägen vor. Häsch äußerte sich ebenfalls zufrieden über das Gewerbegebiet, "auch wenn die Parzellen wesentlich teurer sind als bei den Nachbarn".

Einig waren sich die Kandidaten im Wesentlichen darüber, dass an der umstrittenen Hindenburg-Büste am Kloster eine Infotafel angebracht werden soll. Häsch könnte sich auch vorstellen, die Büste in einen eigenen Raum zu stellen, in dem auch über die Geschichte der Gemeinde informiert werde. Gröbmaier will die Büste am jetzigen Standort belassen. Sie lobte die Idee der Montessorischule, im Rahmen einer Projektarbeit an der Ausgestaltung der Infotafel mitzuwirken.

Wie auch immer die Kommunalwahl in Dietramszell ausgehen wird - so viel ist bereits gewiss: Michael Häsch und Leni Gröbmaier werden künftig als Bürgermeister/in und Stellvertreter/in zusammenarbeiten müssen. Probleme sehen beide trotz aller Differenzen nicht. "An mir soll das nicht scheitern", sagte Häsch. Es gehe schließlich um das Wohl der Gemeinde. Gröbmaier nannte es eine "demokratische Selbstverständlichkeit", den Wählerwillen zu akzeptieren: "Die Zusammenarbeit wird meinerseits weiterhin konstruktiv sein."

© SZ vom 14.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: