Dietramszell:"Da muss man sich einmischen"

Der Künstler Wolfram Kastner findet, die von ihm in Dietramszell abgeschraubte Hindenburgbüste wäre am besten in einem Museum aufgehoben

Interview von Petra Schneider, Dietramszell

Gut drei Wochen ist es her, seit der Münchner Künstler Wolfram Kastner mit zwei Kollegen die Hindenburgbüste an der Klostermauer abgeschraubt und auf das Grundstück der Familie von Schilcher gelegt hat. Mit seiner Aktion wollte er eine Diskussion über die historische Figur Hindenburg und den Umgang mit dem Denkmal anregen. So kam es aber nicht. Diskutiert wurde zwar, aber nicht über Hindenburg, sondern über die Aktion der Münchner Künstler, die viele als unverschämte Provokation und Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Gemeinde empfanden, wie die Reaktionen bei der Bürgerversammlung zeigten. Die Hindenburgbüste, die derzeit von Florian von Schilcher an "einem sicheren Ort" verwahrt wird, solle wieder angebracht werden, lautete der Tenor dort.

SZ: Herr Kastner, sind Sie enttäuscht über die Resonanz auf Ihre Aktion?

Kastner: Nein. Die Dietramszeller müssen jetzt sehr genau überlegen, wie sie weiter vorgehen. Was immer sie tun, wird öffentlich wahrnehmbar sein.

Aber eine öffentliche Diskussion über Hindenburg und die Büste hat nicht stattgefunden.

Ich bin sicher, dass intensiv darüber nachgedacht wird, wie es weitergeht. Darauf bin ich gespannt. Für mich ist das ein Prozess mit verschiedenen Akteuren: Wir haben Fakten geschaffen, jetzt ist die Gemeinde am Zug. Wenn der Kopf tatsächlich wieder angebracht wird, dann überlege ich mir, ob ich darauf reagiere. Demokratie lebt von verschiedenen Meinungen und von Austausch.

In Dietramszell will man aber nicht, dass sich jemand von außen einmischt.

Ich habe mich intensiv mit Hindenburg und dem Nazi-Bildhauer Thorak beschäftigt. Und ich habe die Ehrenbürger-Geschichte in Dietramszell verfolgt. Ich lebe in diesem Land, ich komme herum und mache Ausflüge. Auch nach Dietramszell. Die Hindenburgbüste stört mich seit 20 Jahren: Ein Anti-Demokrat, der Hunderttausende in den Tod geschickt hat, an einem Kloster und neben einer Schule - da muss man sich einmischen. Ich bin sehr froh, dass wir in einer Demokratie leben. Und mit der muss man achtsam umgehen.

Entfernung der Hindenburg-Büste

Foto: Manfred Neubauer

Haben Sie Rückmeldungen aus Dietramszell erhalten?

Ich habe einige sehr persönliche Briefe bekommen, in denen sich Leute bedanken, dass wir das gemacht haben, weil sich im Dorf sonst niemand getraut hätte. Dass man sich als Dietramszeller mit einer solchen Aktion unbeliebt machen würde, ist mir schon klar. Das kann man als Außenstehender leichter. Man darf unterschiedlicher Meinung sein. Ich bin nicht davon ausgegangen, dass die Aktion alle gut finden. Aber persönliche Angriffe oder Morddrohungen, wie das schon bei einigen meiner Aktionen der Fall war, habe ich nicht bekommen.

Bürgermeisterin Leni Gröbmaier verweist auf die Infotafel, die sie bei einem Historiker in Auftrag gegeben hat, und äußert sich ansonsten nicht klar, was nun weiter geschieht. Wenn die Büste wieder angeschraubt werden sollte - war dann Ihre Aktion nicht umsonst?

Das wäre das erste Mal in der Nachkriegszeit, dass ein Nazi-Denkmal wieder angebracht wird. Das gäbe einen öffentlichen Aufschrei, wie bei der Ehrenbürgerwürde. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Salesianerinnen, die das Kloster mit der Büste gekauft haben und denen sie meiner Ansicht nach auch gehört, das zulassen würden. Das würde ja einer Positionierung gleichkommen, die nicht im Sinne der Kirche sein kann. Auch ein Infotext würde daran nicht viel ändern: Was soll denn da draufstehen, in ein paar Sätzen?

Was wäre Ihrer Meinung nach die beste Lösung?

Wenn der Hindenburg in ein Museum käme. In ein Heimatmuseum in der Region, oder vielleicht ins Haus der Bayerischen Geschichte, das 2018 in Regensburg eröffnet wird. Dort könnte die ganze Geschichte des Hindenburgkopfes in Dietramszell erzählt werden. Ich fürchte aber, dass die Bürgermeisterin das aussitzt und die Büste verschwunden bleibt. Ich habe das auch schon in Landsberg erlebt: Da stand ein Gedenkstein für Albert Leo Schlageter, den die Nazis als Märtyrer verehrten. Ich habe eine Petition an den damaligen Bürgermeister geschickt, aber der hat nicht reagiert. Also haben wir den Stein umgekippt und einen Text dazugestellt.

Entfernung der Hindenburg-Büste

Für sein Werk erntete der politische Künstler, Wolfram P. Kastner, die Kritik der Dietramszeller. Andernorts hat er auch schon Morddrohungen erhalten.

(Foto: Manfred Neubauer)

Also eine ähnliche Aktion wie in Dietramszell?

Ja. Aber die Reaktionen waren heftig. Wir haben vier Anzeigen bekommen - drei von bundesweit bekannten Neonazis, eine vom SPD-Bürgermeister. Es gab einen Prozess, aber das Verfahren wurde eingestellt. Der Bürgermeister wollte den Stein eigentlich wieder aufstellen, hat sich aber nicht getraut, weil er dann ja mit den Neonazis im Bunde gewesen wäre. Seit acht Jahren liegt der Gedenkstein nun auf dem Bauhof.

Wäre das für Sie auch eine Option im Fall Hindenburgbüste?

Auf jeden Fall besser, als sie wieder aufzuhängen.

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