Dietramszell:Applaus von der falschen Seite

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Den geplanten Standort im Grünen beim Landschulheim kritisieren viele Bairawieser als ungeeingnet für eine große Container-Unterkunft. Von rechtem Gedankengut distanziert sich die Initiative. (Foto: Manfred Neubauer)

Der Bürgerprotest gegen die geplante Flüchtlingsunterkunft in Bairawies wird für rechtsradikale Stimmungsmache missbraucht.

Von Petra Schneider, Dietramszell

Den Protest von Bairawieser Bürgerinnen und Bürgern gegen eine Flüchtlingsunterkunft nutzt die rechte Szene für Stimmungsmache: Anfang Dezember sind in den Briefkästen im Ort Flyer der rechtsextremen Partei „Der III. Weg“ aufgetaucht, mit schlimmsten rassistischen Inhalten. Auf ihrer Homepage brüstet sich die Partei, der laut Verfassungsschutzbericht von 2023 bundesweit 800 Personen angehören, die sich „ideologisch unter anderem auf Elemente des historischen Nationalsozialismus beziehen“, mit der Aktion: Auf einem Foto sind sechs „Aktivisten vom Stützpunkt München/Oberbayern“ mit verpixelten Gesichtern vor dem Ortsschild zu sehen, die die Flugblätter in Händen halten. Auf der Vorderseite des Flyers sieht man das Foto eines Waschbären, eine „invasive Art“, die nicht hierher gehöre, so der Inhalt.

Schlimmster Nazi-Jargon, sagt Wolfgang Köster, Gründer der Bürgerinitiative „Bairawies Aktiv“, die sich gegen die geplante Containerunterkunft für 128 Geflüchtete in dem 280-Einwohner-Dorf wehrt. Köster ist Mitglied bei den Grünen im Ortsverband Dietramszell/Egling. Von Anfang an hat er klargemacht, dass Rechtsradikale im Verein nicht erwünscht sind. „Wenn jemand meint, dass er diese Versammlung für ausländerfeindliche Sprüche missbrauchen kann, soll er jetzt gehen“, hatte er bei einem ersten Treffen Anfang November erklärt. Man wehre sich nicht grundsätzlich gegen die Unterbringung von Asylbewerbern in Bairawies, sondern gegen die große Zahl, so Köster. 20 oder 30, das sei möglich. Aber nicht 130 in einem Ort ohne Einkaufsmöglichkeiten, ärztliche Versorgung oder soziale Treffpunkte. Die Menschen könnten nicht integriert werden, sich nicht beschäftigen und würden das Dorfleben belasten, so die Befürchtung.

Dass der Bürgerprotest nun missbraucht werde, sei seine "schlimmste Befürchtung", sagt BI-Gründer Wolfgang Köster. (Foto: Manfred Neubauer)

Ende November hatte Köster eine Demonstration organisiert, zu der 170 Leute gekommen waren. Seitdem stehen Banner an der Staatsstraße 2072: „280 Einwohner, 130 Flüchtlinge – nix für’n Flüchtling, nix für’n Ort“, steht darauf. Öffentlichkeitswirksame Aktionen, das ja. Aber dass der Bürgerprotest nun missbraucht werde, „ist meine schlimmste Befürchtung“, sagt Köster. Auch das als rechtspopulistisch eingestufte Onlinemedium „Nius“ des ehemaligen Bild-Chefredakteurs Julian Reichelt hat über die Demo berichtet und anschließend Leute im Ort befragt. Im Dorf und im Verein habe man über das Nazi-Flugblatt gesprochen, sagt Köster. „Ich kenne keinen in Bairawies, der in irgendeiner Weise damit sympathisiert.“ Freilich gebe es auch im Dietramszeller Ortsteil „das gesamte politische Spektrum“; Meinungen und Ängste, die Medien wie Nius gerade recht kämen, sagt Köster. Er habe den Verein nicht als politische Initiative gegründet, sondern als Aktion von Ortsansässigen.

Aber Bürgerproteste nicht mehr zu organisieren, aus Sorge, dass sie Applaus von der falschen Seite bekommen? Für Köster ist das nicht der richtige Weg. Denn der Verein stehe nach wie vor zu seinem Ziel, die große Flüchtlingsunterkunft zu verhindern. Ein Anwohner habe sich bereits einen Anwalt genommen für den Fall, dass das Landratsamt den Bauantrag des privaten Investors genehmigt. Der Verein hat angekündigt, Klagen von Anwohnern finanziell zu unterstützen.

An ihrem Protest gegen das Vorhaben halten die Bairawieser Aktivisten fest. (Foto: Manfred Neubauer)

Auch der Dietramszeller Bürgermeister Josef Hauser (FW), mit dem er neulich gesprochen habe, sieht das so: Die Gemeinde, die den Bauantrag im Oktober bereits einstimmig abgelehnt hat, wolle eine etwaige Genehmigung des Landratsamts, das den Gemeinderatsbeschluss ersetzen kann, juristisch anfechten. Denn im Ortsteil Linden habe man einer Nutzungsänderung der ehemaligen Öko-Akademie für die Unterbringung von 113 Geflüchteten ja bereits zugestimmt und die Quote damit erfüllt, so die Argumentation. Der Bairawieser Verein will jedenfalls nicht ruhen. Im Januar ist eine Lichterkette geplant. „Mit dem Anliegen ist es uns nach wie vor ernst“, sagt Köster.

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