Umstrittene Flüchtlings-Unterbringung:„Absolute Notlage“

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Das Thema "Asyl" bleibt ein Aufreger. (Foto: Uli Deck/dpa)

In der Bürgerversammlung in Dietramszell begründet Landrat Josef Niedermaier Planungen für eine Flüchtlingsunterkunft in Bairawies mit der anhaltend hohen Zuteilung. Bürger fürchten den „Untergang“ ihres Dorfs.

Von Petra Schneider, Dietramszell

Ausführlich hat Landrat Josef Niedermaier (Freie Wähler) bei der Bürgerversammlung, zu der am Freitag etwa 150 Interessierte gekommen waren, zur Unterbringung Geflüchteter auf Dietramszeller Gemeindegebiet Stellung bezogen. Im Dorf kocht das Thema hoch, weil ein privater Investor eine Containeranlage für 128 Geflüchtet im Ortsteil Bairawies – einem Dorf mit 280 Einwohnern – errichten möchte. Der Bauausschuss hat den Vorbescheidsantrag kürzlich einstimmig abgelehnt, aber man befürchtet, dass das Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen die Baugenehmigung trotzdem erteilt.

Wie groß der Druck ist, Unterkünfte für die anhaltend hohe Anzahl Geflüchteter bereitzustellen, schilderte Niedermaier anschaulich. Er musste sich vielen Fragen vor allem von Bairawieser Bürgerinnen und Bürgern stellen, die die geplante Gemeinschaftsunterkunft (GU) für unverhältnismäßig halten. Trotz aller Ängste und Kritik blieb der Ton aber sachlich. „Das ist der Untergang von Bairawies“, warnte ein Bürger. „Sie werden dieses Dorf auseinandernehmen mit Flüchtlingen, die keine Arbeit haben und in einem Container sitzen“, sagte Wolfgang Köster, Sprecher einer jüngst gegründeten Initiative von Bairawieser Bürgern. Profiteur sei der Investor, der damit Geld verdiene.

Etwa 150 Bürgerinnen und Bürger besuchten die Versammlung in Dietramszell. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Viele Argumente wurden angeführt: Sorgen um die Sicherheit, vor allem der Kinder und der Gäste im benachbarten Landschulheim, wie auch fehlende Einkaufsmöglichkeiten und Infrastruktur. Geschäftemacherei auf dem Rücken der Einwohner, sei dies. Unverständnis herrscht, warum die Öko-Akademie in Linden, die als Unterkunft für 113 Menschen genehmigt ist, noch immer nicht bezogen ist. Sorge haben manche, dass die Unterkunft im Außenbereich auf einer landwirtschaftlichen Fläche nach dem Rückbau womöglich in Bauland umgewandelt wird. Auch Vorschläge, doch lieber Klöster, leer stehende Wohnungen oder Ferienwohnungen für Geflüchtete zu nutzen, gab es.

Niedermaier äußerte Verständnis für die Ängste der Bürger. Wiederholt hätten Vertreter von Landkreisen in Berlin vor einer Überforderung gewarnt, sagte er. Tatsache sei: Die Menschen würden weiterhin aus den Ankerzentren in die Landkreise verteilt. „Das ist eine absolute Notlage“, jede Unterkunft werde gebraucht. Im oberbayerischen Vergleich erfülle der Landkreis die Quote derzeit nur „unterdurchschnittlich.“ Die Standards seien nicht die höchsten – in Bairawies sollen je sechs Menschen auf 26 Quadratmetern untergebracht werden – „aber es geht nicht um eine dauerhafte, sondern um überhaupt eine Unterbringung.“ Denn was wäre die Alternative? „Bierzelte aufstellen oder Turnhallen belegen“, wie dies in Geretsried und Wolfratshausen seit zwei Jahren der Fall sei. Momentan leben rund 3300 Geflüchtete im Landkreis, jeden Monat kommen 100 weitere dazu. Die Zahlen würden nicht weniger, glaubt Niedermaier. „In Libanon sitzen 4,5 Millionen syrische Flüchtlinge, viele in Gebieten, wo jetzt Krieg herrscht“. Außerdem werde der Winter in der Ukraine extrem hart. 700 Unterkünfte seien im Landkreis in Planung, aktuell gebe es noch 180 freie Plätze.

Landkreis kann Unterkünfte nicht selbst bauen

Um mehr Standorte für größere Unterkünfte zu bekommen, die wirtschaftlicher zu betreiben und einfach zu betreuen seien, habe der Bund Ausnahmeregelungen im Baugesetzbuch geschaffen und damit die Planungshoheit der Kommunen ausgehebelt. Diese Ausnahmen seien aber zeitlich befristet; dass das Grundstück in Bairawies nach dem Rückbau der GU Bauland werde, lasse sich daraus nicht ableiten, sagte Niedermaier. Investoren hätten Projekte zurückgezogen, weil der Druck aus der Bevölkerung groß gewesen sei. Aber das Landratsamt können Unterkünfte nicht selbst bauen, „ich bin froh, dass es Leute gibt, die das machen“. Dass Investoren mit ihren Projekten Geld verdienten, sei legitim. Die Belegung der Öko-Akademie in Linden habe sich verzögert, weil der Eigentümer noch mit Brandschutzauflagen zugange sei, in diesem Jahr soll laut Bürgermeister Josef Hauser (FW) aber die Belegung erfolgen.

Für die Sicherheit in den Gemeinschaftsunterkünften werde viel getan, betonte Niedermaier, ein Sicherheitsdienst sei rund um die Uhr im Einsatz. Das Ascholdinger Hallenbad, das die Gemeinde als mögliche Unterkunft angeboten hatte, sei nicht geeignet, das habe man mehrfach geprüft. Leerstehende Wohnungen oder Ferienwohnungen könne das Landratsamt nicht einfach beschlagnahmen, und was Klöster angehe: „Die Kirche ist nicht die Allerflexibelste“, sagte Niedermaier. Die Eilentscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der kürzlich eine Nutzung der fertiggestellten Unterkunft am Tölzer Isarleitenweg nach der Klage eines Nachbarn vorläufig außer Kraft gesetzt hat, könne nicht einfach auf Bairawies übertragen werden. Das hatte auch der Tölzer Bauamtsleiter Christian Fürstberger in der jüngsten Stadtratssitzung klargestellt: „Was wir hier haben, ist ein absoluter Einzelfall.“ Andere Kommunen könnten sich nicht einfach auf dieses Urteil berufen. Für den Fall, dass das Landratsamt die Baugenehmigung für die GU in Bairawies trotz des gemeindlichen Vetos erteilt, kündigte Bürgermeister Hauser eine „juristische Prüfung“ an.

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