Im Atelier von Marianne Hilger findet sich ein wiederkehrendes, verstörendes Motiv, mit einer scheinbar eindeutigen Aussage: Eine liegende, verschnürte Frau, gebunden an eine archaische Venus und eine auf ihre Grundformen reduzierte Barbie. Die Papierlithografie ist Teil der Ausstellung "Bild der Frau/Frau im Bild", die Hilger im Kunstraum Öha zeigen wird. Wann ist eine Frau eine Frau? Die Ausstellung ist eine höchst anregende Einladung, sich mit dieser Frage zu beschäftigen.
Hilger greift bei ihrer Suche auf Archetypen, Chiffren und Symbole zurück und stellt moderne Frauenbilder in einen Dialog mit prähistorischen. Die Grundfarbe der Ausstellung ist ein warmes, pulsierendes Rot - für Hilger die Farbe des Weiblichen. Sie stehe für Lebendigkeit, Fülle und Blut. "Frauen haben durch die Menstruation und durch das Gebären viel damit zu tun", sagt die Künstlerin.
Sie sammelt Fotografien aus Kunstkatalogen, Unterwasserbildbänden, Werbeprospekten - alles, was sie anspricht. Manchmal müssen die Fotos lange in Schubladen bleiben, bis Hilger einen Weg findet, sie so zu gestalten, dass sie einen Inhalt transportieren. Die Vorlagen werden bearbeitet, bemalt, zu Collagen arrangiert oder mit anderen Drucktechniken kombiniert, bis die faszinierenden, oft vieldeutigen Lithografien entstehen.
Eines ihrer Lieblingsmotive ist eine keltische Sheela-na-Gig-Figur, die sich auf manchen irischen Kirchen findet. Eine grinsende Frau, die ihre Vulva präsentiert. An Kirchen wohl als abschreckende Fratze angebracht, habe die Figur in der keltischen Kultur vermutlich als Symbol für Fruchtbarkeit und Sexualität gegolten, erklärt Hilger.
Die gebürtige Augsburgerin hat in Erlangen Kunstgeschichte und christliche Archäologie studiert und ist 2005 von München nach Bad Tölz gezogen. Ihre Arbeiten waren in Gemeinschaftsausstellungen in Memmingen, München und Tölz zu sehen. Über sich selbst redet Hilger nicht gern, viel lieber erzählt sie von ihrer Arbeit, zum Beispiel über die gefesselte Frau: Die Vorlage entstamme einem Anzeigenbild aus der Zeit um 1900, mit dem für ein ominöses elektrisches Gerät zur "Wärmekur" geworben wurde. Auch der Surrealist Max Ernst habe es verwendet und daraus die 1921 entstandene Collage mit dem Titel "Die Leimbereitung aus Knochen" gemacht. "Das Bild zapft offensichtlich ganz unterschiedliche Vorstellungen an", sagt Hilger. Sie sieht in ihrer Arbeit weniger den Aspekt des Gefangenseins als den des "In-Verbindung-Stehens" mit unterschiedlichen Frauenbildern.
Hilger bewertet nicht und will ihre Arbeiten nicht als feministische Gesellschaftskritik verstanden wissen. "Mir geht es eher darum, dass Frauen sich auf sich selbst besinnen und nicht die besseren Männer sein wollen." Starke Frauen sprechen sie an, "aber es gibt Umstände, in denen das schwierig ist", sagt Hilger. Weibliche Rollenbilder der muslimischen Welt seien deshalb kein Thema für sie. "Da weiß ich einfach zu wenig." Auch bei der aktuellen Me-Too-Debatte befinde sie sich noch in einem "Prozess". Sexualität als Machtinstrument - auch Frauen setzten das ein, ist ihre Meinung. "Dass dieser Aspekt in der Diskussion nicht vorkommt, finde ich ein bisschen verlogen."
Ihre künstlerische Auseinandersetzung mit weiblichen Rollenbildern habe mit der Ausstellung "Female Sexyness" begonnen, die im vergangenen Jahr von der Tölzer Künstlerinnengruppe "Females" im Schwabinger Showroom von Patrizia Zewe gezeigt wurde.
Ein Motiv, das Hilger oft verwendet, ist die Figur der babylonischen Lilith: Die erste Frau von Adam habe sich geweigert, beim Geschlechtsakt unten zu liegen, so erzählt es eine außerbiblische Überlieferung. Lilith wurde vertrieben und als Hexe gebrandmarkt. "Gott hat anschließend eine zweite Frau, Eva, aus Adams Leib erschaffen" - das sei der Ursprung eines Frauenbildes "zwischen Heiliger und Hure", sagt die Künstlerin.
Im 18-teiligen Hauptwerk der neuen Ausstellung sind verschieden Aspekte zusammengefasst: Eine stilisierte Gebärmutter, die wie ein Schmetterling wirkt. Zwei Mädchen, die geduckte, männliche Figuren "tanzen lassen". Eine sich schamhaft verhüllende Venus, die von Muränen, einem "Sinnbild für den geifernden Mann" belauert wird. Und immer wieder die ungenierte Sheela-na-Gig. "Mein Mann findet sie furchtbar", sagt Hilger. Anders als viele weibliche Betrachterinnen: "Für die ist sie eine lebensfrohe Frau, die sich nicht darum schert, wie sie von anderen gesehen wird."
"Bild der Frau/Frau im Bild", Vernissage am Donnerstag, 30. November, 19 Uhr, Öha-Kunstraum, Jungmayrplatz 11, Bad Tölz. Die Ausstellung im Rahmen eines sogenannten Artweekends ist von 1. bis 3. Dezember, jeweils von 14 bis 19 Uhr geöffnet.