Süddeutsche Zeitung

Der Wald und die Käfer:Gradmesser des Klimawandels

Während in weiten Teilen Bayerns Fichten dem Borkenkäfer zum Opfer fallen, verzeichnen Forstwirte im Landkreis heuer geringere Schäden als erwartet. Doch der Umbau zum Mischwald muss kommen

Von Vinzenz Gabriel, Bad Tölz-Wolfratshausen

Wenn ein Baum den Klimawandel symbolisiert, dann ist es in Deutschland die Fichte. Der immergrüne Nadelbaum macht mit rund 42 Prozent den größten Anteil am Wald im Freistaat aus und ist gerade wegen dieser Dominanz seit einigen Jahren das größte Sorgenkind für Förster und Waldbesitzer. Denn der Borkenkäfer, vom warmen und trockenen Klima beflügelt, ist in weiten Teilen Bayerns Ursache für Kahlschläge ganzer Fichtenbestände. Besonders betroffen in diesem Jahr die Regionen Bayerischer Wald und Unterfranken. Im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen hingegen geben Waldbesitzer und Förster Entwarnung - zumindest für dieses Jahr.

Im Gespräch mit dem zuständigen Bereichsleiter Forsten vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Holzkirchen, Christian Webert, wird deutlich, dass die Forstbeamten zum Anfang des Jahres noch mit einem weit stärkeren Befall gerechnet haben. "Wir sind dieses Jahr mit der großen Sorge angegangen, dass der Borkenkäfer wegen des erheblichen Schneebruchs in den Wäldern mit einer hohen Population ins Jahr starten würde", erklärt er.

Dass der Käferbefall trotz vieler Kronenbrüche und umgedrückter Bäume im Winter so gering ausfiel, hat laut Webert zwei Gründe: "Wir haben von einem nasskalten Frühjahr profitiert, sowie von regelmäßig über den Sommer verteilten Niederschlägen". Der Borkenkäfer hingegen bevorzuge Trockenperioden, da dann der Harzfluss als natürlicher Schutzmechanismus der Fichte abnimmt. Ab einer Temperatur von 17 Grad Celsius kann er ausfliegen. Einen anderen Grund sieht Webert im aktiven Handeln der Staatsforsten und der Waldbesitzer. Die Gesamtwaldfläche im Landkreis von knapp 60 000 Hektar besteht zu etwa 60 Prozent aus Privatwald. Während die Bayerischen Staatsforsten über Waldflächen vor allem im Gebirge verfügen, liegen die Privatwälder überwiegend im Alpenvorland. Damit kommt den privaten Waldbesitzern im Kampf gegen den Borkenkäfer eine erhebliche Rolle zu, der sie nach Ansicht Weberts sehr gut nachgekommen seien, indem sie befallene Bäume vom vergangenen Jahr sauber aufgearbeitet hätten.

Ähnlich sieht dies der Vorsitzende der Waldbauernvereinigung (WBV) Wolfratshausen Johann Killer. Mit etwa 1300 Mitgliedern und einer Waldfläche von rund 23 000 Hektar kommt der WBV eine wichtige Rolle zu als Schnittstelle zwischen Privatwaldbesitzern und Staatsforsten. "Wir stehen im engen Austausch zu den Revierförstern und arbeiten in der Wissensvermittlung und bei Schulungen viel mit den staatlichen Förstern zusammen", erklärt er.

Örtlich verschiedene Befallszahlen konnte er aber ausmachen. So habe der Käfer im südlichen Teil bis Höhe Dietramszell kaum Schäden angerichtet, hingegen wäre im Norden bis zur Stadtgrenze von Wolfratshausen ein wesentlich stärkerer Befall zu verzeichnen gewesen. Dennoch auch sein Fazit: Im Gegensatz zum vergangenen Jahr war der Befall "wesentlich geringer und es lässt sich sagen, dass der Schneebruch von den Waldbesitzern vorbildlich aufgearbeitet wurde."

Die Larven der Borkenkäfer sitzen unter der Rinde und ernähren sich von den saftführenden Schichten des lebenden Baums. Ist dieses Gewebe zerstört, führt dies zum Tod des Baums. "Im Frühstadium ist der Befall am brauen Bohrmehl am Stammfuß oder an den Rindenschuppe der Fichte erkennbar, dann kann noch gehandelt werden", erklärt Webert. Zeigten die Fichten hingegen schon einen Nadelverlust oder das Abfallen der Rinde, so sei es meist schon zu spät.

Laut dem Bayerischen Waldgesetz sind Waldbesitzer verpflichtet, befallenes Holz aufzuarbeiten, je nach Wirtschaftlichkeit zeitnah. In den schwer zugänglichen Hochlagen werde es laut dem stellvertretenden Forstbetriebsleiter Bad Tölz, Robert Krebs, meist nur entrindet. Ein Problem für die Forstbetriebe und Waldbesitzer waren die geringen Holzpreise auf dem Markt. "Der starke Borkenkäferbefall in anderen Regionen und der damit verbundene Holzeinschlag bewirkte einen geringen Holzpreis auf dem Markt", erklärt der WBV Vorsitzende Killer.

Ob die Fichte in Zukunft noch als Baumart in unserer Region erhalten bleibt? Dies bejahen die Waldbauernvereinigung und die Staatsforsten gleichermaßen. Dennoch wird die Dominanz der Fichte mit einem Anteil von derzeit etwa 60 Prozent in Zukunft zugunsten von Mischwäldern stark abnehmen. Robert Krebs vermutet, dass die Fichte als Baumart im Gebirge oberhalb von 1000 Metern weiter eine wichtige Rolle spielen wird, im Flachland aber vermehrt Laubholzarten vorkommen werden. "Unser Ziel besteht darin, naturnahe Bergmischwälder zu erhalten", so Krebs. Auch Webert vermutet, dass die Fichte vor Ort auch in Zukunft eine wichtige Baumart bleibe, in anderen Regionen aber zunehmend verdrängt werde. Für Webert ist der Bergwald der Zukunft ein gesunder Mischwald, bestehend aus Baumarten wie Tanne, Fichte, Buche, Bergahorn, Esche und Ulme. Im Norden des Landkreises kann er sich vorstellen, dass vermehrt Eichen eine Rolle spielen werden. Für viele gilt die Tanne derzeit als mögliche Alternative zur Fichte, da ihr Holz ähnliche Eigenschaften besitzt und sie wegen ihrer weiter in die Tiefe dringenden Wurzeln mit der Trockenheit besser zurecht kommt.

Da die Tanne jedoch als Baum vor allem durch den Verbiss vom Schalenwild gefährdet ist, wäre die Forcierung der Tanne unmittelbar mit dem Thema Jagd verbunden. Laut Webert gibt es derzeit im Landkreis auch einige Versuchsflächen mit hier noch nicht heimischen Baumarten wie der Elsbeere und der Baumhasel, die, falls erfolgreich, möglicherweise in Zukunft die heimischen Wälder bereichern werden. Sicher einschätzen, wie es die nächsten hundert Jahre kommt, dass sei laut Webert gar nicht möglich. "Ich habe in meinem Studium noch gelehrt bekommen, über 800 Meter sei der Borkenkäfer kein Problem", erklärt er schmunzelnd

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Quelle:
SZ vom 23.09.2019
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