Demografie:Daheim alt werden

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Icking diskutiert, ob eine Seniorenresidenz in der Gemeinde sinnvoll ist

Von Claudia Koestler, Icking

"Icking ist ein besonderes Pflaster", stellte Michael Prosinger jüngst als Gast während des "Dorfgesprächs" der Unabhängigen Bürgerliste Icking (UBI) fest. In der Tat lässt sich diese These untermauern: Die Isartalgemeinde liegt landschaftlich reizvoll, was schon seit Jahrhunderten Boheme und Bürgertum anlockt.

Aber auch nüchterne Zahlen unterstreichen Prosingers Aussage: Icking ist eine der reichsten Gemeinden in Deutschland, was die jüngste Studie der Gfk belegt. Einmal im Jahr ermittelt das Marktforschungsunternehmen die Kaufkraft der deutschen Verbraucher, und die zeigt 2017: Nicht nur erreicht die Gemeinde Icking die höchste pro-Kopf-Kaufkraft aller 21 Gemeinden innerhalb des Landkreises. Auch den Bundesdurchschnitt lässt die Isartalgemeinde weit hinter sich. Kurzum: In Icking können sich die meisten Menschen mehr leisten.

Bedenkt man zudem, dass es in Icking Mindestgrundstücksgrößen gibt, um den Villencharakter des Ortes nicht zu zersiedeln, ist klar: Auch bei der Frage nach dem Leben im Alter dürfte der Kommune eine Sonderrolle zukommen. Denn Dienstleistungen für den Alltag und Pflege bis zuletzt zu Hause durch Dienste oder gar 24-Stunden-Kräfte sind offenbar für viele - finanziell gesehen - möglich.

Wie Icking deshalb mit der Frage nach dem Älterwerden umgeht und was getan werden kann oder soll, diese Fragen stellte die UBI und widmete ihnen eben jenes "Dorfgespräch".

Felicitas Wolf, zuständig für Seniorenplanung im Landratsamt, stellte dazu das neu fortgeschriebene Seniorenpolitische Gesamtkonzept des Landkreises vor. Sie wollte zwar "die Euphorie nicht bremsen", erklärte aber auch: "In Icking sieht es noch sehr gut aus". 2016 lebten in der Gemeinde 3794 Menschen. Bis zum Jahr 2028 erwartet Wolf einen Anstieg um 7,7 Prozent. Die größte wachsende Gruppe sind 18 bis 39-Jährige (plus 10,6 Prozent), gefolgt von Menschen mit 65 Jahren oder älter (plus 8,7 Prozent). Auch die Anzahl der Menschen mit Pflegebedarf steige: bis 2028 könnte es hier ein Plus von 12,5 Prozent geben, oder anders gesagt: waren 2016 noch 80 Ickinger über 75 Jahre pflegebedürftig, wären es 2028 zehn mehr. Auch wenn das nicht brisant klingt, war Wolfs Fazit dennoch, dass Icking frühzeitig Strategien entwickeln muss, wie Bürger daheim alt werden können.

Nach Ansicht von Prosinger gibt es jedoch bereits "wunderbare Angebote". Claudia Roederstein von der UBI hatte zuvor die Nachbarschaftshilfe, den Einkaufsbus, den gemeinsamen Mittagstisch, den ökumenischen Kontaktkreis, den Seniorennachmittag und die Angebote für pflegende Angehörige aufgezählt. Stefan Schneider, stellvertretender UBI-Vorsitzender, sah es aber als Chance, einen Wunschzettel zu schreiben: Fehle es zum Beispiel an einer Apotheke, einem Neurologen oder an alternativen Wohnformen? Gemeinderätin Vigdis Nipperdey (Ickinger Initiative) winkte ab: "Das mit einer Apotheke wurde schon hunderte Male besprochen - dafür ist die Gemeinde zu klein". Prosinger ließ aufgrund der geringen Einwohnerzahl auch den Neurologen abhaken. Wichtiger sei es, einen Kassenarzt für den Ort zu finden respektive Verhältnisse zu schaffen, dass die Versorgung funktioniere. "Nicht jede Gemeinde muss alles vorhalten, aber Lösungen haben", brachte es Wolf auf den Punkt.

Intensiv diskutiert wurde über die Frage, ob für Icking eine Seniorenresidenz sinnvoll sei. Doch braucht es erst den Bedarf, oder generiert ein solches Haus den Bedarf? Auch hier attestierte Prosinger Icking eine Sonderrolle: "Die meisten wollen bis zuletzt in ihrer gewohnten Umgebung bleiben und regeln das privat über Pflegedienste und Pflegekräfte." Nichtsdestoweniger schürte die Präsentation des Wohnzentrums Etztal in der Nachbarkommune Berg von Diana Wagner Interesse im Publikum. Dort gibt es seit 2011 26 altengerechte Wohnungen mit Gemeinschaftsbereich, ein ambulanter Pflegedienst bietet Betreuung. Ob sich trotz der guten Situierung der Ickinger manche einen Umzug in ein solches Haus vorstellen könnten, soll nun eine Bedarfsermittlung ergeben, die die UBI bei Bürgern über 65 Jahre anstrebt.

© SZ vom 02.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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