Alzheimer-Gesellschaft Isartal-Loisach:In Würde altern

Alzheimer-Gesellschaft Isartal-Loisach: Mit zunehmendem Alter nimmt die Gedächtnisleistung ab. Doch bei derzeit 1,8 Millionen Menschen in Deutschland lautet die Diagnose Demenz. Wie die Angehörigen damit besser umgehen können, dabei wollen zwei Kurse des Brucker Forums helfen.

Mit zunehmendem Alter nimmt die Gedächtnisleistung ab. Doch bei derzeit 1,8 Millionen Menschen in Deutschland lautet die Diagnose Demenz. Wie die Angehörigen damit besser umgehen können, dabei wollen zwei Kurse des Brucker Forums helfen.

(Foto: Patrick Pleul/dpa)

Ein neuer Wirkstoff verspricht Hoffnung im Kampf gegen Alzheimer, doch Heilung liegt in weiter Ferne. Der örtliche Fachverband fordert stärkere Aufmerksamkeit für das Thema Demenz, mehr Pflegeeinrichtungen und bessere Unterstützung für Betroffene und Angehörige.

Von Sophia Coper, Wolfratshausen

Es gilt zwar als Durchbruch, doch die Revolution ist noch in weiter Ferne. Als im Dezember 2022 im US-amerikanischen San Francisco der Wirkstoff "Lecanemab" präsentiert wurde, feierte das Publikum den ersten wissenschaftlichen Erfolg bei der Bekämpfung von Alzheimer, der typischsten Form von Demenz. Trotz eines Wissens um die Krankheit seit mehr als hundert Jahren konnte man einer Diagnose bislang nicht viel entgegensetzen. Eine verheerende Situation, denn mit der allgemein steigenden Lebenserwartung geht auch eine höhere Wahrscheinlichkeit für altersbedingte Beschwerden mit einher. Könnte "Lecanemab", dem ein verlangsamender Effekt auf den geistigen Abbau nachgesagt wird, also ein Hoffnungsschimmer sein?

"Mit dieser Berichterstattung werden nur falsche Hoffnungen geschürt", betont Dieter Käufer nachdrücklich. Käufer ist Vorsitzender der 2017 gegründeten Alzheimer Gesellschaft Isar-Loisachtal. Der gemeinnützige Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, Demenzerkrankten sowie deren Familienangehörigen und Pflegenden unterstützend beizustehen. Angeboten werden neben individuellen Beratungen auch Fortbildungen und Schulungen, die sich an nicht privat Betroffene wenden, so zum Beispiel Polizei und Feuerwehr. Ziel ist eine Gesellschaft, die einfühlsam und kompetent mit ihren Einwohner und Einwohnerinnen umzugehen weiß.

Alzheimer-Gesellschaft Isartal-Loisach: Dieter Käufer und Gerlinde Berchtold im Gespräch mit dem Abgeordneten Alexander Radwan.

Dieter Käufer und Gerlinde Berchtold im Gespräch mit dem Abgeordneten Alexander Radwan.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Gemeinsam mit Schatzmeisterin Gerlinde Berchtold sitzt Käufer in den Räumlichkeiten des Vereins, den beiden gegenüber der Bundestagsabgeordnete Alexander Radwan. Nach einer landesweiten Briefaktionen aller Alzheimer-Gesellschaften an deren regionale Volksvertreter hatte sich der CSU-Politiker als einziger in den Landkreisen Bad Tölz-Wolfratshausen und Miesbach zu einem Gespräch bereit erklärt. Obgleich seine beruflichen Schwerpunkte in der Finanz- und Außenpolitik lägen, sei es ihm wichtig, einen Praxisbericht zu erhalten, äußert sich Radwan auf Nachfrage. Er sei gekommen, "um zuzuhören".

Das muss er auch, Dieter Käufer hat genug Anlass zu reden. Der Vorsitzende berichtet von einem "Nirwana" und "einem Blumenstrauß an Leistungen", welcher die Betroffenen überfordere. Käufer weiß, wovon er spricht. Er war 20 Jahre lang Leiter des renommierten Seniorenzentrums der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Wolfratshausen, seit seiner Pensionierung engagiert er sich ehrenamtlich in der Alzheimer-Gesellschaft Isar-Loisachtal. "Das Thema lässt mich einfach nicht mehr los", erklärt er seinen unermüdlichen Einsatz. Er hätte sein Erfahrungswissen auch mit in die Toskana nehmen können, stattdessen sei er hier geblieben: "Wir möchten einfach helfen." Denn für jeden und jede ist die Diagnose ein einschneidendes Erlebnis, das von Ungewissheiten begleitet wird.

Nicht nur für die Erkrankten verändert sich der Lebensalltag, auch die Angehörigen stellen sich plötzlich gravierende Fragen. Welche Vorsichtsmaßnahmen müssen ergriffen werden, wenn der Partner sich regelmäßig verläuft? Was ist für die Mutter am besten, wenn sie Tochter oder Sohn nicht mehr erkennt? Und vor allem - wie gehe ich mit dem Verlust der geliebten Person persönlich um?

Laut Angaben der Alzheimer-Gesellschaft Isar-Loisachtal leben von den 1,8 Millionen Betroffenen in Deutschland rund 270.000 in Bayern, 2700 davon im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen - Tendenz steigend. Trotz des landesweit bekannten AWO-Seniorenzentrums, welches einen Schwerpunkt auf die Pflege von Demenzerkrankten legt, gibt es auch hier im Landkreis deutlichen Nachbesserungsbedarf.

Im Gespräch mit Radwan kristallisieren sich drei Anliegen der Alzheimer-Gesellschaft heraus. Zum einen sei eine individuelle Einteilung des Budgets für Daheimpflegende wichtig. Käufer und Berchtold fordern nicht mehr Geld, sondern eine flexiblere Handhabung. Das von den Krankenkassen zugestandene Geld sei zu leistungsgebunden, je nach Krankheitsverlauf und Person seien andere Schwerpunkte in der Behandlung von Nöten. Zum anderen sei der Ausbau von Pflegestützpunkten in den Gemeinden voranzutreiben. Die ambulanten und mobilen Krankendienste können regelmäßig bei der Betreuung hinzugezogen werden, aber auch aushelfen, wenn sich zu Hause Ratlosigkeit oder Verzweiflung breit machen. Zu guter Letzt benötigen die Landkreise nach Überzeugung der Alzheimer-Gesellschaft mehr Pflegeheime mit spezialisierten Abteilungen. Käufer erläutert, dass es je nach Art der Demenzerkrankung verschiedene Krankheitsbilder mit unterschiedlichen Symptomen gebe - um eine separierte Unterbringung mit Fachpersonal komme man nicht herum.

Alexander Radwan hört zu, nickt und verweist am Ende auf die Errungenschaften der Wissenschaft. Käufer und Berchtold hingegen sehen dies äußerst skeptisch. Der neue Wirkstoff habe bei Probanden angeschlagen, die in einem sehr frühen Stadium die Diagnose erhalten hatten, was aber selten der Fall sei. Zudem könne noch nichts über eine Verbesserung des Lebensqualität ausgesagt werden: Zwei Prozent mehr kognitive Leistung durch den Wirkstoff bedeuteten im Endeffekt wenig, wenn es darum gehe, den Alltag zu meistern - nichtsdestoweniger seien die Befunde natürlich toll.

Eines wird deutlich an diesem Abend: Käufer und Berchtold möchten nicht Hoffnungen hinterherjagen, sondern im Hier und Jetzt Probleme lösen. So gehen der Vorsitzende und die Schatzmeisterin aus dem Gespräch positiv gestimmt hinaus. "Es ist toll, dass er gekommen ist und interessiert war. Wir müssen viel mehr Politiker und Politikerinnen auf die Situation aufmerksam machen, damit sich großflächig etwas verändert."

https://www.ag-il.de/

Die Deutsche Alzheimer-Gesellschaft definiert Demenz als "Muster von Symptomen", deren Hauptmerkmal ein fortschreitender Gedächtnisverlust ist. Mit rund zwei Drittel aller Erkrankten ist Alzheimer die am häufigsten auftretende Form. Die Krankheit gilt als nicht heilbar. Wer mit den Jahren schusseliger wird, muss nicht sofort vom Schlimmsten ausgehen, etwas Vergesslichkeit im Alter ist normal und stellt keinen Grund zur Sorge dar. Im Zweifelsfall sollte man sich fachkundigen rat holen. Eine allgemeine Grundberatung bietet das Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen mit dem Senioren-Info-Telefon unter 08041/505280 an.

Bei einer bereits gestellten Diagnose bietet sich die Alzheimer-Gesellschaft Isar-Loisachtal als Anlaufstelle für Erkrankte und deren Angehörige an, Telefon 08171/2347460, E-Mail info@ag-il.de.

Für pflegende Angehörige bieten Fachstellen Dienstleistungen und Gespräch. Für den nördlichen Landkreis ist der Kreisverband Bad Tölz-Wolfratshausen des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) zuständig, Telefon 08171/934510, E-Mail fachstelle@kvtoel.brk.de; für den südlichen Teil der Caritasverband, Telefon 08041/79316103, E-Mail caritas-toelz@caritasmuenchen.org

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