Süddeutsche Zeitung

Debussy und Großer Wagen:Zwei Virtuosen unterm Sternenzelt

Lesezeit: 2 min

Harfenistin Stephanie Schwarz spielt meisterlich im Tölzer Planetarium, Leiter Albert Maly-Motta erklärt kompetent Himmelsbilder

Von Reinhard Szyszka, Bad Tölz

Was hat die Harfe mit den Sternen zu tun? Antwort: Die christliche Ikonografie lässt die Engel mit Harfen in der Hand zwischen den Sternen umherschweben. Ein wenig an den Haaren herbeigezogen ist das schon, zugegeben. Doch bedarf es überhaupt eines Vorwandes, um unter dem Sternenhimmel eine Harfe erklingen zu lassen? Wohl kaum. Und so trat die Wackersberg-Reichersbeurer Harfenistin Stephanie Schwarz am Freitag unter dem Motto "Zwischen Tag und Traum" im Tölzer Planetarium auf. Ihre Musik wechselte mit den astronomischen Erklärungen von Planetariumsleiter Albert Maly-Motta ab.

Den Anfang machte das Impromptu-Caprice von Gabriel Pierné, eines der schönsten Originalwerke für Harfe solo. Schwarz zeigte ihre Kunst, ließ ihre Finger ohne jede Anstrengung, dabei höchst virtuos über die Saiten gleiten, regulierte ganz nebenbei mit den Pedalen die Tonhöhe und produzierte perlende, zauberhafte Klänge. Nach den Glissandi am Ende des Werks klatschte die kleine Schar der Zuhörer begeistert. Mehr hätten auch nicht kommen können: Die Anzahl der Plätze im Planetarium ist auf 35 begrenzt.

Während Schwarz spielte, nahm Maly-Motta an einem ganz anderen Instrument Platz, das auf seine Weise ebenso viel Virtuosität erfordert wie die Harfe: dem Planetariumsprojektor. Hatte anfangs die Beleuchtung der Kuppel das Tageslicht dargestellt, so ließ er während der Musik langsam die Dämmerung hereinbrechen. Zunächst erkannte man nur zwei Sterne, bei näherem Hinsehen als Arktur und Wega identifizierbar. Mit angenehm ruhig-sachlichem Ton, frei von jeder oberlehrerhaften Herablassung, erklärte Maly-Motta, was am Himmel in einer klaren Nacht zu sehen ist. Dabei war sein erstes Beispiel ein hypothetisches: Wie hätte der Sternenhimmel über Bad Tölz heute Mittag ausgesehen, wenn es weder Wolken noch Sonnenlicht gäbe? Eine simple Tatsache, die sich nicht jeder Zeitgenosse klar macht: Auch tagsüber stehen Sterne am Himmel. Sie werden von der Sonne und der Streuung ihres Lichts an der Erdatmosphäre - dem bekannten blauen Himmel - überstrahlt.

Maly-Motta tat gut daran, seinen Vortrag mit einfachsten Dingen zu beginnen, die früher jedes Kind wusste, etwa, wie man vom Grroßen Wagen aus den Polarstern findet. Doch seit der Blick in den Fernseher und ins Internet den Blick zum Sternenhimmel weitgehend ersetzt hat, ist so etwas nicht mehr selbstverständlich. Auch die Bedeutung des Polarsterns für uns Erdlinge bedarf einer Erklärung, die Maly-Motta ebenfalls nicht schuldig blieb.

Nach jedem Abschnitt astronomischer Erläuterungen gab es Musik. Stephanie Schwarz sagte mit leiser, manchmal zu leiser und kaum verständlicher Stimme ihre Stücke an. Franzosen wie Alphonse Hasselmans und Claude Debussy kamen da zu Ehren, der Russe Michail Glinka, der Bach-Sohn Carl Philipp Emanuel, aber auch traditionelle Musik wie "Greensleeves" oder "The last rose of summer". Erklärungen auch hier: Auf Maly-Mottas Bitten hin demonstrierte die Musikerin die Funktionsweise der Harfenpedale. Man erfuhr, dass eine Harfe aus über 5000 Einzelteilen zusammengesetzt ist. Aus wie vielen Einzelteilen mag wohl so ein Planetariumsprojektor bestehen? Man will es gar nicht wissen.

Gegen Ende des Vortrags schritt Maly-Motta zu anspruchsvolleren astronomischen Themen fort. Er projizierte drei Hilfslinien an die Kuppel: den Meridian von Bad Tölz, die Ekliptik, den Himmelsäquator. Auf höchst anschauliche Weise konnte er so zeigen, wie die Jahreszeiten zustande kommen, und ganz nebenbei Fachbegriffe wie "Äquinoktialpunkte" einfließen lassen.

Die Mischung aus Fachvortrag und Konzert war gelungen. Die meisterlich dargebotene Harfenmusik bot die perfekte Ergänzung zum hochkompetenten Vortrag. Wo hat man das schon: Man lauscht intensiv einem Fachreferat, und so oft die Konzentration zu bröckeln droht, gibt es Entspannung durch Musik, so dass man danach mit frischen Kräften dem Referenten weiter zuhört. Sollte man bei allen solchen Vorträgen einführen!

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3729817
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 30.10.2017
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.