Das Wirtepaar Schiermeier nimmt in Penzberg Abschied:Eine Suppe für 20 Pfennig

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An einem launigen Abend erzählt der Historiker Reinhard Heydenreuter aus der Geschichte des Gasthofs Schönmühl

Von Arnold Zimprich, Penzberg

Knarrend fällt die alte Holztür ins Schloss. Wärme strömt dem Gast entgegen, Stimmengewirr. Der Stammtisch ist voll besetzt, am Tresen lacht Brigitte Schiermeier, die gute Seele des Gasthofs Schönmühl, dieser mutmaßlich ältesten Wirtschaft Oberbayerns. Der mit dunklem Holz getäfelte Gastraum strahlt Gemütlichkeit aus, emsig wird Bier ausgeschenkt.

Penzberger Politprominenz hat sich zu diesem Geschichtsabend eingefunden, der anlässlich der Feier zur Stadterhebung vor 100 Jahren stattfindet. Bürgermeisterin Elke Zehetner, Altbürgermeister Hans Mummert, dazu die Altwirtin Maria Stockhammer und zahlreiche Stammgäste sitzen beisammen und lassen sich "a Ant'n", einen Schweinebraten und andere Gerichte schmecken. Die Stimmung ist gut und die Bühne bereitet für die vier Vortragenden.

Den Anfang macht Reinhold Schiermeier, Schönmühl-Wirt seit 37 Jahren. Schiermeier erzählt aus den 1980er-Jahren, als er einen zweiten Gastbetrieb in München aufgab, um sich voll auf Schönmühl zu konzentrieren. "Es war etwas ganz anderes hier draußen in Schönmühl. Es ging ruhiger zu", sagt er. Die Schiermeiers haben sich verliebt in Schönmühl, und so geht Ende 2019 eine Ära zu Ende, denn sie wollen aufhören. "Es fällt mir schwer, Abschiedsworte zu finden", meint Schiermeier sichtlich bewegt. "Das war nicht nur ein Geschäftsbetrieb, sondern auch Lebensart." Wie es weitergehen wird - man weiß es nicht, die Nachfolge ist nicht geregelt. Es wird kurz still in der Gaststube.

Die Wirtsleute Brigitte und Reinhold Schiermeier hören zum Ende des Jahres auf. Die Nachfolge ist noch nicht geklärt. (Foto: Manfred Neubauer)

Das Publikum könnte in diesem Augenblick Aufmunterung gebrauchen. Da ergreift der Historiker Reinhard Heydenreuter, bekannt für seine launigen Anekdoten, das Wort. Heydenreuter liefert einen humorigen Geschichtsabriss über diese "merkwürdige Anlage", diesen magischen Ort an der Loisach.

Er referiert über die Geschichte des Mühlgewerbes an sich, dass Müller einst als unehrlich galten, ehe sie per Gesetz zu ehrlichen Leuten erklärt wurden. Im Jahr 1589 erschlug ein Fischer im benachbarten Rain den damaligen Müller, da er ihn mit seiner Frau erwischte. Des Landes verwiesen, wurde der Mörder schon 1591 begnadigt. "So war das damals", konstatiert Heydenreuter lapidar, der sich zudem wünscht, dass es in bayerischen Wirtschaften wieder etwas rustikaler zugehen, etwas mehr "gerauft" werden würde.

Mit dem Aufkommen der Loisachflößerei floriert Schönmühl. "Die Flößer haben den Umsatz gemacht." Um 1900 kauft schließlich Ernst Steeb die Gaststätte Schönmühl. Der Chemiker "kam von auswärts" und plant zunächst, an der Loisach eine Papierfabrik zu errichten. Das Vorhaben lässt sich nicht verwirklichen, stattdessen initiiert Steeb den Bau des Schönmühler Kraftwerks, das bereits 1923, und damit ein Jahr vor dem Walchenseekraftwerk, den Betrieb aufnimmt.

Das Wirtshaus war Kulisse für viele Filmdrehs. Nun geht eine Ära zu Ende. (Foto: Manfred Neubauer)

Ende der Dreißigerjahre kommt Maria Stockhammer als 18-Jährige das erste Mal nach Schönmühl. "Der Schweinebraten mit zwei Knödeln und Beilage hat 1,20 Mark gekostet, eine Suppe 20 Pfennig", erzählt die rüstige Dame, "am Sonntag sind die Penzberger Madln und Buam gekommen und haben getanzt. Das war schön". Stockhammers Sohn ist im Zimmer über der Gaststube geboren. "Und einmal haben die Benediktbeurer und Penzberger Buben gerauft." Wer gewonnen hat, weiß die 89-Jährige allerdings nicht mehr genau.

Der Penzberger Altbürgermeister Hans Mummert hat sich in Schönmühl und der angegliederten "Holzschuhbar" so manche Nacht um die Ohren geschlagen. "Don Scheiberl" legte die Platten auf. "Am Samstag und Sonntag spielten Rockbands", erinnert sich Mummert. "Von München und Frankfurt san's gekommen." Einmal nahm er den stockbesoffenen Fahrer eines roten Maserati zum Ausnüchtern mit zu sich nach Hause. "Manchmal hat es uns um drei noch nicht g'langt", der Wirt ging mit den Worten zu Bett, man solle ihm die Zeche einfach hinlegen.

Idyllisch an der Loisach gelegen: Wohl die älteste bayerische Gaststätte ist das Wirtshaus Schönmühl bei Penzberg. (Foto: Manfred Neubauer)

Soll das jetzt alles einfach so vorbei sein im schönen Schönmühl, nach Jahrhunderten gelebter Wirtshauskultur? "Wenn jemand eine Lösung hat, bekommt er die Penzberger Ehrenbürgerschaft und den bayerischen Verdienstorden", sagt Heydenreuter. "Der Geist von Schönmühl wird nicht untergehen."

© SZ vom 19.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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