Süddeutsche Zeitung

Das Alte Krankenhaus:Von edler Schlichtheit

Das historische Gebäude an der Sauerlacher Straße in Wolfratshausen ist vermutlich einem Entwurf des bekannten Münchner Architekten Gustav Vorherr nachempfunden

Von Kaija Voss, Wolfratshausen

In der Denkmalliste für Wolfratshausen findet sich zum Alten Krankenhaus folgender Eintrag: "Zweigeschossiger biedermeierlicher Walmdachbau mit profilierten Gesimsen, 1823/24." Bauhistorisch gehört es damit zum Klassizismus. Die Fassade ist symmetrisch, der Grundriss rechteckig, der Eindruck schlicht und streng. Die profilierten Gesimse sind das Dachgesims und das den Bau mittig gliedernde und betonende Gurtgesims. Nach überbordendem Barock und Rokoko entsprachen gemäßigte und einfache Formen dem bürgerlichen Ideal. Das Biedermeier als einfache, zweckmäßige Spielart des Klassizismus findet im Wesentlichen bei Wohnbauten Anwendung.

Das Alte Krankenhaus soll wie ein Wohnhaus aussehen. Es wird nicht, wie seine Nachfolger am Ende des 19. Jahrhunderts, als Mitteltrakt mit zwei angeschlossenen Flügeln errichtet, sondern als zweigeschossiger Walmdachbau. Der Kranke konnte sich hier wie zu Hause fühlen, bei allen Mängeln in der medizinischen Versorgung. Eine gute Idee, denn wer es sich leisten konnte oder eine Familie hatte, die ihn pflegen konnte, ging keinesfalls in ein Krankenhaus, er ließ den Arzt nach Hause kommen.

In der Hausordnung für die Armen- und Krankenanstalt zu Wolfratshausen heißt es: "Zur Aufnahme in das Krankenhaus eignen sich vor allen Anderen solche armen Kranken des Marktes, denen es an Wohnung, Lager, Heizung, Abwartung und Beköstigung gebricht; ferner arme Handwerksburschen und Dienstboten; besonders wenn selbe mit ansteckenden Krankheiten behaftet seyn sollten (. . .)."

Zur Erbauungszeit stellte das Krankenhaus eine moderne, beispielhafte Institution dar. Es erfüllte - typisch für die damalige Zeit - eine doppelte Funktion als Kranken- und Armenhaus, zwei Aufgaben, die erst später getrennt wurden. Nach Bad Tölz ist der Wolfratshauser Bau der älteste Krankenhausbau im Landkreis. Für den Tag der Grundsteinlegung wählte man den 27. Mai 1823, den Geburtstag des ersten bayerischen Königs Maximilian I. Damals gab es hier, außerhalb der Stadt, keine anderen Häuser sondern freien Blick auf die umgebenden Felder, es bestand auch keine Ansteckungsgefahr. Am 24. April 1824 wurde die Anstalt eröffnet.

Die einfache, symmetrische Fassade, der massive Sockel und die klare Gliederung der Räume zeichnen den Klassizismus aus. Genaue Kenntnis gibt es über den ersten Entwurf von 1823: Der Zugang war von der Straße aus, der breite Mittelgang führte direkt in den Garten. Eine strenge Trennung von Männern und Frauen verstand sich von selbst, die Symmetrie des Gebäudes und der Korridor wirkten architektonisch unterstützend. Im Erdgeschoss des zweigeschossigen Gebäudes waren die Kapelle sowie das Beisetz-Zimmer - der Name sagt es, hier wurden die Leichen aufgebahrt. Im ersten Stock gab es sechs Krankenräume. Das Dach zierte ein Glockentürmchen.

Den vorbildhaften Plan dazu von 1823 findet man im Staatsarchiv München. Er ist unterzeichnet mit "Nach Angabe des Herrn Baurath Vorherr gezeichnet / Den 9. März 1823. - von Adam Ott, Maurerpolier". Es gab damals in München den Architekten Gustav Vorherr (1778 bis 1847), oberster Baubeamter des jungen Königreichs Bayern, Vorstand der Königlichen Baugewerkschule München und Kreisbauinspektor des Isarkreises. Zusätzlich zur praktischen Tätigkeit, wie der Planung des Alten Südfriedhofs in München, gab er sogenannte Musterblätter mit vorbildhaften Bauten heraus. Wichtigste Grundlage architektonischen Schaffens waren dabei das Gemeinwohl der Menschen und die Ökonomie des Bauens. Es ist wahrscheinlich, dass es wirklich Vorherr war, nach dessen Vorgaben es dem Polier Ott - vermutlich aus Wolfratshausen - gelang, die Pläne für das Krankenhaus anzufertigen. Ein Grund mehr, auf die Erhaltung des Gebäudes, dessen Bauzustand zunehmend kritischer wird, zu bestehen, auch im Vermächtnis des Gustav Vorherr. Denn dieser setzte sich schon in den 1820er-Jahren für den Schutz von Altertümern ein, als Wegbereiter des Denkmalschutzes in Bayern.

Ein klassizistischer Sakralbau findet sich in Weilheim an der Münchner Straße. Die Katholische Spitalkirche zur Heiligen Dreifaltigkeit ist eines der Hauptwerke des Klassizismus in Bayern. Sie wurde 1826/27 vom Architekten Leonhard Schmidtner erbaut, Schüler des berühmten Carl von Fischer, der den Münchner Karolinenplatz plante. Es ist ein Saalbau mit halbrunder Apsis und Portikus, zwei rechteckige Fassadentürmchen rahmen den Giebel, alle Elemente sind zusammengefügt wie bei einem Baukasten. Vereinheitlicht wird das Bild durch den grau-weißen, edlen, aber nüchternen Putz. Der Anblick erinnert an die oft zitierten Worte des deutschen Archäologen Johann Joachim Winckelmann über den Klassizismus: edle Einfalt und stille Größe.

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SZ vom 29.08.2017
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