Süddeutsche Zeitung

CSU:Michael Müller

1. Sozialgerechte Bodennutzung: Mit welchem konkreten Modell wollen Sie sozialgerechte Bodennutzung erreichen? Ab welcher Größenordnung eines Bauvorhabens sollen Investoren in welchem Maß für die soziale Infrastruktur mitbezahlen?

Mit dem "Geretsrieder Modell" - wie bereits an der Banater Straße angewendet: Für eine vielfältige Quartiersstruktur ist dort vorgesehen, dass 30 Prozent Sozialwohnungen, 30 Prozent bezahlbare Mietwohnungen und 40 Prozent als frei finanzierte Eigentumswohnungen realisiert werden. Dabei erhalten Geretsrieder Bürger ein Erstzugriffsrecht. Zusätzlich werden ein Haus für Kinder mit drei Krippen-, vier Kindergarten- und einer Hortgruppe, ein Boardinghouse mit ca. 140 Appartements sowie soziale Begegnungsflächen und eine Mobilitätsstation entstehen. Stellt die Stadt einen Bebauungsplan auf, der neues Wohnbaurecht ab einer Geschossfläche von 500 m² schafft, sollten die Verpflichtungen aus dem Geretsrieder Modell in jedem Fall Anwendung finden.

2. Handel und Wandel

2.1 Das neue Stadtzentrum wird von einem Edeka-Verbrauchermarkt und einem Aldi geprägt sein. Wie können kleine Geschäfte angesiedelt werden, die zum Bummeln einladen?

Unsere Stadtentwicklung steht erst am Anfang. Bei vielen unserer Nachbarn sind die Geschäfte in den letzten Jahren in die Gewerbegebiete raus gegangen. Dadurch bluten Innenstädte aus. In Geretsried machen wir jetzt genau das Gegenteil, indem wir die Geschäfte wieder zurückholen, an einem Punkt konzentrieren, um dort möglichst viel Angebot zu bündeln. Dazu gehört auch großflächiger Einzelhandel, wie Edeka und Aldi, der wiederum zusätzliche Kunden, Shops, Boutiquen, Gastronomiebetriebe und kleinere Ladeneinheiten lockt. Die Neue Mitte wird lebendig und schafft für Geretsried Zentralität, die wir bisher nicht kannten.

2.2 Wie kann die Infrastruktur im Stadtteil Stein verbessert werden?

Indem wir Rahmenbedingungen schaffen, die positive Impulse ausstrahlen - z.B. das von der Stadt angestoßene Projekt "Soziale Stadt", der Bau eines Bürgerhauses oder eine gezielte stadtteilbezogene Wirtschaftsförderung.

2.3 Sehen Sie eine Möglichkeit, den Geltinger Dorfladen langfristig abzusichern?

Durch die Schaffung von Rahmenbedingungen und Initiierung und Unterstützung von lokalen Netzwerken und Kooperationen im Ort.

3. Klimaschutz: Wie kann Geretsried das Ziel der Energiewende Oberland noch erreichen, sich bis 2035 vollständig mit erneuerbaren Energien zu versorgen?

Wir haben ein umfangreiches Klimaschutzkonzept und sind "Energiewendekommune". Die Stadt hat ihre Hausaufgaben gemacht. Über "Energiekarawanen" gehen wir nun auf die Haushalte zu, und mit der örtlichen Wirtschaft schaffen wir ein "Energieeffizienznetzwerk". Es geht um die Themenfelder Verkehr, Strom und Wärme. Wir setzen bei der Verkehrswende auf den Ausbau von ÖPNV und Fahrradverkehr, wir müssen die noch ungenutzten Potentiale der Solarenergie ausnutzen und regenerative Wärmenetze aufbauen.

4. Kunst und Kultur: Die Stadt hat in den vergangenen neun Jahren fast vierzig Millionen Euro für den Sport ausgegeben. Wie viel soll sie in der kommenden Amtszeit in Kunst und Kultur investieren? Was steht auf Ihrer Prioritätenliste ganz oben: Eine kommunale Kunst- galerie; ein Konzertraum für Musik von Klassik bis Rock, eine Tagungsstätte für Vortrag und Diskurs? Etwas ganz anderes?

Wir haben die personellen Voraussetzungen in der Stadt geschaffen und forcieren jetzt die Kulturpolitik in den Bereichen Kunst- und Kulturförderung, Stadtentwicklung und Baukultur, kulturelles Erbe und Vielfalt, kulturelle Bildung sowie die Förderung der Kultur- und Kreativwirtschaft. Dazu gehören auch bauliche Maßnahmen. Persönlich favorisiere ich eine Kunst- und Stadtgalerie.

5. Das Herz der Stadt: Als Geretsried vor mehr als vier Jahren mit der Planung des neuen Stadtzentrums begann, sagte Gestaltungsbeirat Winfried Nerdinger, die Stadt müsse dort etwas ansiedeln, "was unsere Gesellschaft zusammenbringt". Stadträte und Planer sollten überlegen, wie "das Herz dieser Stadt ausschauen" könnte. Haben Sie eine Idee?

Städtische Identität ist zunächst als "Wir-Gefühl" sozial konstruiert. Wir brauchen daher einen umfangreichen Bürgerdialog: "Wer sind wir?" und "Wo wollen wir hin?". Darüber hinaus geht es um die Schaffung städtischer Funktionen und baulicher Ensembles, z.B. eines Kulturzentrums. Dabei sollten wir stark auf das "Grün" im Stadtraum achten mit baumbestandenen Plätzen und Straßen.

6. Das Beste zum Schluss: Wenn Sie die Bürgermeisterwahl gewinnen würden, was würden Sie als erstes ändern, neu einführen, verbessern?

Wir brauchen mehr Betreuungsplätze und Schulen für unsere Kinder. Dies hat vordringliche Priorität in der nächsten Amtszeit.

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Quelle:
SZ vom 04.02.2020
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