Situation in den Lokalparlamenten:Abstimmen mit Abstand

In der Corona-Krise sollen Menschengruppen eigentlich vermieden werden. Die Stadt- und Gemeinderäte müssen aber weiter Entscheidungen treffen. Die Rathäuser haben für dieses Problem sehr unterschiedliche Lösungen.

Von Klaus Schieder, Benjamin Engel und Felicitas Amler

Um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen, lautet derzeit das oberste Gebot: Abstand halten. In den oft nicht besonders geräumigen Sitzungssälen der Rathäuser ist es jedoch schwierig, eine Distanz von anderthalb oder besser noch zwei Metern zu schaffen. Einige Kommunen im Landkreis haben deshalb Sitzungen bereits abgesagt. Andere halten an den Terminen fest, haben aber dafür ganz unterschiedliche Notlösungen erarbeitet.

In Bad Tölz kommen die Stadträte nach wie vor zusammen. Der neue Sitzungssaal unter dem Dach des Rathauses bietet genügend Platz, um die vorgeschriebenen Sicherheitsabstände zu gewährleisten - jedenfalls dann, wenn lediglich die Ausschüsse mit ihren zwölf Mitgliedern tagen. So fand auch der Bau- und Stadtentwicklungsausschuss am Dienstagabend statt, wobei Bürgermeister Josef Janker (CSU) eingangs darauf drängte, die einzelnen Themen auf der Tagesordnung "sehr zügig" abzuhandeln. Es ging um ein neues Lichtkonzept für Tölz, um die Neufassung einiger Satzungen. Das wäre an sich alles aufschiebbar gewesen - die Bauanträge hingegen nicht. Sie müssen zwingend innerhalb einer Zweimonatsfrist bearbeitet werden. Im nicht-öffentlichen Teil ging es auch noch um Vergaben. "Da beträgt der Zeitrahmen in der Regel zwei Wochen, das musst du entscheiden", sagt Janker.

Auch die Sitzung des Stadtrats mit dann 24 Stadträten plus Bürgermeister, Verwaltung und Pressevertretern soll nächste Woche auf jeden Fall stattfinden. Der Grund: Das Plenum muss über den Haushalt 2020 entscheiden. Wegen der Folgen der Virus-Pandemie ist der Etatentwurf zwar auf vielen Seiten nur mehr Makulatur, trotzdem sei eine Abstimmung darüber nötig, wie Janker sagt. "Das Wesentliche ist, dass die Stadtverwaltung weiterarbeiten kann."

Mit der Sitzordnung wird es dann jedoch auch im großen Sitzungssaal problematisch. Um wenigstens einen Mindestabstand zu gewährleisten, denkt Janker darüber nach, nur jeweils sechs Plätze auf der linken und der rechten Seite des Saals zu belassen, in der Mitte dafür Tische aufzustellen. Außerdem rechnet der Tölzer Bürgermeister damit, dass einige Stadträte nicht kommen werden, das Gremium aber gleichwohl beschlussfähig bleibt.

Zuhörer sind bei allen Sitzungen vorerst nicht mehr zugelassen. Andere Möglichkeiten sieht der scheidende Tölzer Rathauschef nicht. Telefonkonferenzen oder Videostreams wären zwar denkbar, die über solche Kommunikationskanäle gefassten Beschlüsse sind laut Janker aber ungültig. Dies lasse die Bayerische Gemeindeordnung nicht zu, sagt er.

Geretsried hat eine andere Lösung als Tölz gewählt, wie Rathaussprecher Thomas Loibl erklärt. Die Stadt folge einer Empfehlung aus dem bayerischen Gesundheitsministerium, wonach Sitzungen "zum Erhalt der Handlungsfähigkeit" der Kommunen dienten und deshalb nicht wie andere Veranstaltungen abgesagt werden müssten. Unaufschiebbare Tagesordnungspunkte müssten beraten werden. Geretsried hat dafür nun einen Ferienausschuss einberufen. Ein solcher müsste zwar in der Geschäftsordnung des Stadtrats als Möglichkeit vorgesehen sein, so Loibl. Im konkreten Fall könne die Geschäftsordnung aber "im Umlaufverfahren" angepasst werden. Das bedeutet, dass alle Stadträte angeschrieben und um ihr Einverständnis gebeten werden.

Der Ferienausschuss ist ab sofort bis einschließlich 30. April das alleinige Entscheidungsgremium der Stadt. Da ihm nur zehn Personen angehören, kann die Sitzordnung gelten, die Bürgermeister Michael Müller (CSU) bereits vergangene Woche im Bau- und Umweltausschuss gewählt hatte - mit je einem leeren Sitz Abstand zwischen allen. Einen eigenen Ausschuss gründet Geretsried indes nicht, es lädt vielmehr die Mitglieder des Haupt- und Finanzausschusses unter neuem Vorzeichen ein.

In Lenggries hat Bürgermeister Werner Weindl (CSU) die Gemeinderatssitzung am Montag abgesagt. Das Gremium tagt an einem langen Tisch im kleinen, holzgetäfelten Rathaus-Saal. Die erforderliche Distanz zwischen den 20 Räten herzustellen, ist da kaum möglich. Aber die nächste Sitzung am 27. April muss stattfinden, weil dann der Haushalt verabschiedet wird. "Das werden wir auf alle Fälle machen", so Weindl. Man wisse zwar nicht, wie die Lage bis dahin sei, "aber vielleicht weichen wir einfach auf eine andere Örtlichkeit aus".

Wie Bad Tölz, Geretsried und Lenggries stehen in der Region momentan alle Kommunen vor den gleichen Problemen. In Penzberg sind alle Sitzungen abgesagt, in Wolfratshausen findet wegen der ablaufenden Fristen nächste Woche noch der Bauausschuss statt, dann aber vorerst nichts mehr. Und in Münsing weichen die Räte im April in den größeren Gemeindesaal aus, um die Abstandsregeln halbwegs einhalten zu können. Im Gemeindesaal könnten die Stühle mit mindestens eineinhalb Metern Abstand auseinandergestellt werden, sagt Bauamtsleiter Stephan Lanzinger.

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