Corona in Icking:Hilfe für Artisten in Not

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In Icking ist der Circus Montelli nach einer coronabedingt eh schon schwierigen Saison nun durch den zweiten Lockdown gestrandet. Örtliche Familien haben deshalb eine Spendenaktion organisiert, um zu helfen

Von Elisa Henning, Icking

Kathrin Auer und ihre Familie kennen den Circus Montelli schon lange. Die Ickinger Familie besucht regelmäßig Vorstellungen, so auch am vergangenen Wochenende. "Da habe ich die Kinder beobachtet, wie ihre Augen leuchteten. Die freuten sich so sehr darauf, das bleibt in Erinnerung", erzählt Auer. Doch dann kam die Nachricht über den nächsten Lockdown: "In dem Moment ist es mir eigentlich schon eingefallen: Wahnsinn, jetzt trifft es den schon wieder." Auer postete ihre Sorgen um die Zukunft des Zirkus in einer Mama-Whats-App-Gruppe und überlegte daraufhin mit weiteren Müttern, was sie tun könnten, um zu helfen. Schnell und unkompliziert sollte die Aktion sein, also entschlossen sie sich, Geld zu sammeln. In fast einer Woche gingen über 30 Spenden bei ihr ein, der Betrag liegt bei über 1000 Euro - die nun an den Zirkus gehen, der den Lockdown gerade in Icking aussitzt.

Durchgehend positive Reaktionen kamen bei der 42-jährigen Initiatorin der Spendenaktion an, die Leute dankten für die gute Organisation, erzählt sie. Wer mit Kathrin Auer spricht, merkt, dass ihr die Erhaltung des Zirkus sehr am Herzen liegt. Sie schwärmt von der Leidenschaft, mit der die Familie Montelli ihren Zirkus betreibe. "Denen ist das so wichtig, sich für die Kinder immer was Neues auszudenken. Beide stammen aus einer Zirkusfamilie und leben den Zirkus-Gedanken wirklich, das finde ich sehr schön", sagt Auer. Und: "Es wäre schade, wenn das durch Corona verloren ginge."

Die Corona-Pandemie und der zweite Lockdown treffen die Zirkus-Familie Montelli wirtschaftlich hart, denn sie können nicht mehr auftreten. In Icking haben sich Familien solidarisiert und Spenden gesammelt, die Kathrin Auer (rechts) an (von links nach rechts): Ricardo, Dominic und Kevin Montelli übergab. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Der Circus Montelli stammt ursprünglich aus dem Landkreis Esslingen, nahe Stuttgart, tourt jedoch größtenteils in Oberbayern und kommt seit vielen Jahren regelmäßig nach Icking. Dominique Montelli und ihr Mann, Betreiber des Zirkus, sind seit 2015 selbständig unterwegs. "Mittlerweile sind wir die neunte Generation im Zirkus", erzählt die 35-Jährige. Gerade drohe diese Tradition aber zu verschwinden, momentan gehe es dem Zirkus gar nicht gut, auch der zweite Lockdown treffe die Familie schwer, so Montelli. Im Sommer konnten sie drei Monate Aufführungen zeigen, diese kurze Zeit hole aber keine ganze Saison nach. Die Hitze im Sommer sorgte für leere Ränge, "hinzu kamen ausbleibende Gäste, die Angst vor einer Infektion hatten." Montelli bekam viele Anrufe von Stammgästen, die unter normalen Bedingungen gerne gekommen wären. Ein vorbildliches Hygienekonzept hätten sie aufgesetzt, die Sitzplätze reduziert, die Planen offengehalten, trotzdem blieb das Zelt meistens leer, berichtet die Betreiberin. "Die Gesundheit geht vor, um Gotteswillen, das verstehe ich. Aber für uns ist es schwierig, dass jetzt gar nichts mehr geht", sagt sie, hörbar um Fassung ringend. "Es war ja davor schon schwer. Es hat sich die ganze Zeit schon angefühlt wie ein Lockdown."

Eigentlich waren in Icking Vorstellungen bis in den November hinein geplant, diese wurden abgesagt. Wie es danach weitergeht, ist unklar. Ihr Weihnachtsprogramm veranstaltet die Familie traditionell in Berg. Dort könnten sie allerdings nur hin, wenn die Aufführungen auch stattfinden dürfen. Auch die nächsten Stationen haben bereits angekündigt, sie bräuchten nicht kommen, wenn sie kein Programm anbieten könnten, sagt Montelli. Vorerst bleibt der Zirkus also in Icking. Sollte es soweit kommen, dass sie ihr Weihnachtsprogramm nicht veranstalten können, müssten sie erst schauen, wo sie bleiben. "Wir sind gerade echt ein bisschen verzweifelt, dass uns das ganze nach so kurzer Zeit wieder einholt."

Jonglage gehört zwar zum Zirkus, aber nur als artistische Vorstellung, nicht als wirtschaftliche Situation. (Foto: dpa)

Montelli betont immer wieder auch die schlechte Situation anderer Betriebe, man spürt ihr Mitgefühl deutlich: "Ich fühle mit allen Menschen, die Momentan so was durchmachen müssen, die nicht wissen wie es weitergeht." Die Familie fühle sich hilflos, mittlerweile frage sie sich, ob es irgendwann überhaupt normal weitergeht.

Um dem Circus Montelli zumindest ein bisschen Hilfe zukommen zu lassen, überreichte Kathrin Auer im Namen der Ickinger Familien am Mittwoch die Spenden. "Die Übergabe war sehr emotional", erzählt Auer. "Wie das Dominique Montelli immer so schön sagt: 'Es ist ein Stück Kulturgut', und gerade der kleine Zirkus, das sind so fleißige, engagierte Leute, die das Ganze mit so viel Passion machen." Bei der letzten Vorstellung seien "schon ein paar Tränen geflossen, man kann's dann einfach nicht zurückhalten", sagt die Zirkusbetreiberin, "wir wissen ja nicht, wann alles wieder gut wird."

© SZ vom 05.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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