Corona-Folgen:Jugendherbergen klagen über Personalmangel

Jugendherberge Lenggries

In den Lockdown-Phasen standen die Jugendherbergen wie hier die in Lenggries lange leer. Jetzt haben die Betreiber große Probleme, wieder das nötige Personal zu akquirieren.

Nach dem Lockdown steigen die Gästezahlen wieder. Die Häuser spüren jedoch die Abwanderung der Mitarbeiter in andere Branchen - auch in Bad Tölz

Von Petra Schneider

Der Landesverband Bayern des Deutschen Jugendherbergswerks (DJH) schlägt Alarm: Der Mangel an Personal und Fachkräften sei dramatisch, durch Corona habe sich die Lage noch verschärft, weil Mitarbeiter aus Hotellerie und Gastronomie in andere Branchen abgewandert seien. In den bayerischen Jugendherbergen fehle Personal auf allen Ebenen, besonders schwierig sei die Situation in den touristisch attraktiven Regionen zwischen Garmisch und Berchtesgaden.

Holger Strobel, Herbergsvater im Tölzer Haus am Sportpark, kann das bestätigen. 20 Mitarbeiter sind dort normalerweise beschäftigt, aktuell muss er die Sportjugendherberge mit 45 Zimmern für 186 Gäste mit elf Mitarbeitern am Laufen halten. Wenn man Häuser wegen Personalmangels schließen müsste, wäre das in dieser wirtschaftlich schwierigen Zeit fatal, warnte Vorstandsmitglied Winfried Nesensohn bei einem Pressegespräch am Freitag in der Tölzer Jugendherberge. Denn nach eineinhalb düsteren Corona-Jahren hellt sich die Lage endlich wieder auf. "Ich mache mir wenig Sorgen, dass die Gäste nicht zurückkommen, sondern dass wir Herbergen nicht mehr aufsperren können, weil wir kein Personal haben", sagte Michael Gößl vom Landesvorstand. In Kooperation mit dem Branchenverband Dehoga suche man nach Lösungen.

Das DJH beschäftigt rund 700 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in 54 Jugendherbergen in Bayern. Mit Blick auf die seelischen und körperlichen Folgen der Pandemie für Kinder und Jugendliche richtet der Landesverband einen dringenden Appell an das Bayerische Kultusministerium: Klassenfahrten sollten nicht nur wieder erlaubt, sondern als wertvolle Form des sozialen Lernens dringend empfohlen werden, forderte der Präsident des Landesverbands, Klaus Umbach. Schulfahrten festigten die Klassengemeinschaft, ermöglichten gemeinsame Erlebnisse und förderten die Persönlichkeitsentwicklung auch für Kinder und Jugendliche, "die diese Möglichkeiten sonst nicht haben".

Die Jugendherbergen in Bayern hätten in der Corona-Hochphase "bange Momente" erlebt, sagte Michael Gößl. Aber: "Es gibt uns noch." Nach dem "sehr guten Jahr 2019" mit einer Million Übernachtungen seien 2020 wegen des Verbots von Klassenfahrten die Gästezahlen in den bayerischen Jugendherbergen um 60 Prozent eingebrochen. Zwar hätten nach den Lockerungen in den Sommermonaten deutlich mehr Familien Urlaub in einer Jugendherberge gebucht, berichtete Gößl. Den massiven Einbruch bei den Klassenfahrten konnten sie aber nicht kompensieren, weil Familien nur knapp 40 Prozent des Umsatzes in bayerischen Jugendherbergen generieren. Dieses Jahr habe dann wegen des zweiten Lockdowns "wieder ganz schwierig angefangen", sagte Gößl. Im April seien Klassenfahrten in Bayern noch verboten gewesen, seit dem neuen Schuljahr sind sie wieder erlaubt.

Holger Strobl Herbergsleitung

Der Tölzer Herbergsvater Holger Strobel arbeitet normalerweise mit 20 Leuten. Aktuell stehen im nur elf zum Betrieb seiner Jugendherberge zur Verfügung.

Sorgen wegen Corona müssten sich Eltern und Lehrer nicht machen: Die Hygiene-Maßnahmen in den Herbergen seien super, "das ist genauso sicher wie in den Schulen", betonte Gößl. Beim Landesverband rechnet man heuer mit insgesamt 455 000 Übernachtungen - etwas mehr als im Vorjahr, aber immer noch gut 50 Prozent weniger als 2019. Aus eigener Kraft könnten die Jugendherbergen in Bayern noch nicht überleben. "Wir waren und sind auf staatliche Beihilfen angewiesen", sagte Gößl.

In den Herbergen wurden Investitionen komplett gestrichen, das Personal in Kurzarbeit geschickt; so sei es möglich gewesen, "einigermaßen auf eine schwarze Null zu kommen." Die aufgeschobenen Instandhaltungsmaßnahmen müssten im kommenden Jahr jedoch dringend nachgeholt werden.

Das Schlimmste scheint überstanden, die Zahlen für 2022 stimmten "hoffnungsvoll", sagte Gößl. Bereits jetzt seien 200 000 Übernachtungen gebucht worden. In den vergangenen Monaten habe der Verband neue Programme für Schulklassen entwickelt und das im Jahr 2016 beschlossene Nachhaltigkeitskonzept weiter verfolgt. So sollen in allen bayerischen Jugendherbergen verstärkt Bio-Produkte verwendet werden. Zudem soll bei Bau, Renovierung und Energieversorgung der Herbergen auf Nachhaltigkeit geachtet werden. Außerdem sei das Thema in die Programme für Schulklassen aufgenommen worden.

Dass die Pandemie nicht nur negative wirtschaftliche Folgen hat, sondern sich auch auf Kinder und Jugendliche ausgewirkt hat, haben verschiedene Studien gezeigt. So seien emotionale und körperliche Effekte wie Gewichtszunahme laut einer Erhebung im Frühjahr 2021 gegenüber Herbst 2020 noch einmal gestiegen, sagte Gößl. Der Medienkonsum habe sich von zwei auf vier Stunden täglich verdoppelt. Jugendherbergen könnten diese negativen Folgen abmildern, weil sie nach der langen Isolation gemeinsame Erlebnisse ermöglichten. Der Tölzer Herbergsvater Strobel freut sich, dass seit diesem Schuljahr wieder Leben im Haus ist, auch wenn die personelle Situation "dramatisch" sei, wie er sagt. Und die Kinder? "Man spürt richtig, dass sie das noch mehr genießen als vorher", sagt Strobel.

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